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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 9. Berlin, Wien, 1921.

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obwohl der Gedanke, auf den Schnellbahnnetzen verschiedener Verwaltungen in einer Großstadt eine sehr weitgehende Freizügigkeit im Fahrpreiswesen durchzuführen, an inneren Schwierigkeiten scheitern muß. Diese Art der wirtschaftlichen Selbsthilfe auf dem Wege des Zusammenschlusses bedarf aber weiterhin der Ergänzung durch eine amtliche Organisation, deren Augenmerk darauf gerichtet sein muß, bei voller Wahrung der öffentlichen Interessen den Schnellbahnen ihre Aufgaben nach Kräften zu erleichtern. Eine amtliche Zentralstelle, die mit weitreichenden Befugnissen auszustatten wäre, vermöchte hier in höchstem Maße segensreich zu wirken. Ihr läge es ob, die Bedingungen, Lasten und Abgaben, die den Schnellbahnen aufzuerlegen wären, der wirtschaftlichen Lage anzupassen, Beihilfen, Kredite oder Bürgschaften für Bau- und Betriebszwecke auszuwirken, im Falle einer Siedlungspolitik auf unentgeltliche Hergabe von Grund und Boden zu dringen, Vereinfachungen in den Bauformen durchzusetzen, Einfluß zu nehmen auf die Ausgestaltung und Regelung des Fahrpreiswesens, die Hintanhaltung unnützen Wettbewerbs und überflüssiger Doppelleistungen, verständiges Maßhalten in der Bedienung neuer Gebiete u. a. m. Unter den dauernden Lasten nehmen die Abgaben für das Wegerecht, die z. T. sogar eine Beteiligung am Reingewinn einschließen, vielfach die erste Stelle ein, obwohl bei den Schnellbahnen eine Abnutzung der Straßenflächen überhaupt nicht stattfindet. Auch die Staats- und Gemeindesteuern erreichen bei vielen Schnellbahnen eine geradezu unerschwingliche Höhe.

c) Rechtszustand.

Ein "Schnellbahngesetz", das das Schnellbahnwesen bis in alle Einzelheiten regelt, gibt es einstweilen nur im Staat New York (Rapid Transit Act). Ein zur Durchführung des Gesetzes errichtetes Amt für die gemeinnützigen Betriebe (Public Service Commission) hat die Angelegenheiten des Groß-New Yorker Schnellbahnwesens im Einvernehmen mit der Stadtverwaltung mit großer Selbständigkeit zu ordnen (zu vgl. den Art. New Yorker Schnellbahnen). In keinem andern Land hat die allgemeine Gesetzgebung für das Schnellbahnwesen in gleich durchgreifender Weise vorgesorgt; auch die Machtbefugnisse der mit der Überwachung des Schnellbahnwesens betrauten Organe sind sonst nirgends einheitlich oder auskömmlich geregelt, so daß vielfach der Mitbestimmung berechtigter Dritter, insbesondere der Wegeberechtigten, Tür und Tor geöffnet ist, die aus privaten Unternehmungen größtmöglichen Vorteil zu ziehen suchen.

In England bedarf jedes Schnellbahnunternehmen eines Sondergesetzes (Act), in dem die in einem kontradiktorischen Verfahren sorgfältig ermittelten Interessen der von dem Unternehmen Betroffenen bis ins kleinste geregelt werden. Das preußische Kleinbahngesetz begnügt sich damit, die Schnellbahnen den Straßenbahnen oder den nebenbahnähnlichen Kleinbahnen zuzuzählen, ohne ihrer Eigenart irgendwie besondere Rechnung zu tragen. Der behördlichen Genehmigung hat die Zustimmung der Wegeberechtigten voraufzugehen, während die Interessen der übrigen Beteiligten im sog. "Auslegungsverfahren" ihre Regelung finden. Für Groß-Berlin hat man die Schwierigkeiten, die die Vielköpfigkeit der Gemeinden dem Verkehrswesen bereitete, durch deren Zusammenfassung zu einem Zweckverband zu beseitigen gesucht. Ein stehendes Kapitel in der Schnellbahnliteratur bilden die Widerstände und Schwierigkeiten, die den Schnellbahnen bei Verfolgung ihrer Ausführungspläne von allen mittelbar oder unmittelbar Beteiligten, von Körperschaften, Kirchengemeinden, Vereinen, Grundbesitzern, im Wege der Verhandlungen, in Versammlungen, in der Presse, offen und geheim, und meist mit mehr oder weniger Erfolg in den Weg gelegt zu werden pflegen, um den Unternehmungen ein Übermaß von Lasten aufzubürden. Ist es doch so weit gekommen, daß sich in Preußen die Zustimmungen der Stadtgemeinden, die nach dem Sinne des Kleinbahngesetzes wesentlich das Entgelt für die Straßenbenutzung ordnen sollen, allgemein zu umfangreichen Privatverträgen ausgewachsen haben, in denen sich die Wegeberechtigten in Ausübung der Rechte des Stärkeren den weitestgehenden Einfluß auf die Unternehmungen gesichert und Mitbestimmungsrechte vereinbart haben, die den Rechten der Obrigkeit oft in bewußter Weise vorgreifen und zuwiderlaufen.

Kemmann.


Ständige Tarifkommission ist eine Körperschaft, der zusammen mit dem Ausschuß der Verkehrsinteressenten die Aufgabe der Fortbildung des deutschen Gütertarifs obliegt.

Nachdem das einheitliche Tarifschema des deutschen Reformtarifs (s. Gütertarife Bd. VS. 464) gewonnen war, regte der preußische Handelsminister am 11. Juni 1877 an, eine aus Vertretern der deutschen Staatsbahnen und einer Anzahl Privatbahnen bestehende Tarifkommission zu bestellen, die Abänderungsanträge für die Beschlußfassung durch die Generalkonferenz der sämtlichen deutschen Eisenbahnverwaltungen konferenziell vorzuberaten habe. Zugleich wurde vorgeschlagen, den Geschäftskreis

obwohl der Gedanke, auf den Schnellbahnnetzen verschiedener Verwaltungen in einer Großstadt eine sehr weitgehende Freizügigkeit im Fahrpreiswesen durchzuführen, an inneren Schwierigkeiten scheitern muß. Diese Art der wirtschaftlichen Selbsthilfe auf dem Wege des Zusammenschlusses bedarf aber weiterhin der Ergänzung durch eine amtliche Organisation, deren Augenmerk darauf gerichtet sein muß, bei voller Wahrung der öffentlichen Interessen den Schnellbahnen ihre Aufgaben nach Kräften zu erleichtern. Eine amtliche Zentralstelle, die mit weitreichenden Befugnissen auszustatten wäre, vermöchte hier in höchstem Maße segensreich zu wirken. Ihr läge es ob, die Bedingungen, Lasten und Abgaben, die den Schnellbahnen aufzuerlegen wären, der wirtschaftlichen Lage anzupassen, Beihilfen, Kredite oder Bürgschaften für Bau- und Betriebszwecke auszuwirken, im Falle einer Siedlungspolitik auf unentgeltliche Hergabe von Grund und Boden zu dringen, Vereinfachungen in den Bauformen durchzusetzen, Einfluß zu nehmen auf die Ausgestaltung und Regelung des Fahrpreiswesens, die Hintanhaltung unnützen Wettbewerbs und überflüssiger Doppelleistungen, verständiges Maßhalten in der Bedienung neuer Gebiete u. a. m. Unter den dauernden Lasten nehmen die Abgaben für das Wegerecht, die z. T. sogar eine Beteiligung am Reingewinn einschließen, vielfach die erste Stelle ein, obwohl bei den Schnellbahnen eine Abnutzung der Straßenflächen überhaupt nicht stattfindet. Auch die Staats- und Gemeindesteuern erreichen bei vielen Schnellbahnen eine geradezu unerschwingliche Höhe.

c) Rechtszustand.

Ein „Schnellbahngesetz“, das das Schnellbahnwesen bis in alle Einzelheiten regelt, gibt es einstweilen nur im Staat New York (Rapid Transit Act). Ein zur Durchführung des Gesetzes errichtetes Amt für die gemeinnützigen Betriebe (Public Service Commission) hat die Angelegenheiten des Groß-New Yorker Schnellbahnwesens im Einvernehmen mit der Stadtverwaltung mit großer Selbständigkeit zu ordnen (zu vgl. den Art. New Yorker Schnellbahnen). In keinem andern Land hat die allgemeine Gesetzgebung für das Schnellbahnwesen in gleich durchgreifender Weise vorgesorgt; auch die Machtbefugnisse der mit der Überwachung des Schnellbahnwesens betrauten Organe sind sonst nirgends einheitlich oder auskömmlich geregelt, so daß vielfach der Mitbestimmung berechtigter Dritter, insbesondere der Wegeberechtigten, Tür und Tor geöffnet ist, die aus privaten Unternehmungen größtmöglichen Vorteil zu ziehen suchen.

In England bedarf jedes Schnellbahnunternehmen eines Sondergesetzes (Act), in dem die in einem kontradiktorischen Verfahren sorgfältig ermittelten Interessen der von dem Unternehmen Betroffenen bis ins kleinste geregelt werden. Das preußische Kleinbahngesetz begnügt sich damit, die Schnellbahnen den Straßenbahnen oder den nebenbahnähnlichen Kleinbahnen zuzuzählen, ohne ihrer Eigenart irgendwie besondere Rechnung zu tragen. Der behördlichen Genehmigung hat die Zustimmung der Wegeberechtigten voraufzugehen, während die Interessen der übrigen Beteiligten im sog. „Auslegungsverfahren“ ihre Regelung finden. Für Groß-Berlin hat man die Schwierigkeiten, die die Vielköpfigkeit der Gemeinden dem Verkehrswesen bereitete, durch deren Zusammenfassung zu einem Zweckverband zu beseitigen gesucht. Ein stehendes Kapitel in der Schnellbahnliteratur bilden die Widerstände und Schwierigkeiten, die den Schnellbahnen bei Verfolgung ihrer Ausführungspläne von allen mittelbar oder unmittelbar Beteiligten, von Körperschaften, Kirchengemeinden, Vereinen, Grundbesitzern, im Wege der Verhandlungen, in Versammlungen, in der Presse, offen und geheim, und meist mit mehr oder weniger Erfolg in den Weg gelegt zu werden pflegen, um den Unternehmungen ein Übermaß von Lasten aufzubürden. Ist es doch so weit gekommen, daß sich in Preußen die Zustimmungen der Stadtgemeinden, die nach dem Sinne des Kleinbahngesetzes wesentlich das Entgelt für die Straßenbenutzung ordnen sollen, allgemein zu umfangreichen Privatverträgen ausgewachsen haben, in denen sich die Wegeberechtigten in Ausübung der Rechte des Stärkeren den weitestgehenden Einfluß auf die Unternehmungen gesichert und Mitbestimmungsrechte vereinbart haben, die den Rechten der Obrigkeit oft in bewußter Weise vorgreifen und zuwiderlaufen.

Kemmann.


Ständige Tarifkommission ist eine Körperschaft, der zusammen mit dem Ausschuß der Verkehrsinteressenten die Aufgabe der Fortbildung des deutschen Gütertarifs obliegt.

Nachdem das einheitliche Tarifschema des deutschen Reformtarifs (s. Gütertarife Bd. VS. 464) gewonnen war, regte der preußische Handelsminister am 11. Juni 1877 an, eine aus Vertretern der deutschen Staatsbahnen und einer Anzahl Privatbahnen bestehende Tarifkommission zu bestellen, die Abänderungsanträge für die Beschlußfassung durch die Generalkonferenz der sämtlichen deutschen Eisenbahnverwaltungen konferenziell vorzuberaten habe. Zugleich wurde vorgeschlagen, den Geschäftskreis

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[143/0149] obwohl der Gedanke, auf den Schnellbahnnetzen verschiedener Verwaltungen in einer Großstadt eine sehr weitgehende Freizügigkeit im Fahrpreiswesen durchzuführen, an inneren Schwierigkeiten scheitern muß. Diese Art der wirtschaftlichen Selbsthilfe auf dem Wege des Zusammenschlusses bedarf aber weiterhin der Ergänzung durch eine amtliche Organisation, deren Augenmerk darauf gerichtet sein muß, bei voller Wahrung der öffentlichen Interessen den Schnellbahnen ihre Aufgaben nach Kräften zu erleichtern. Eine amtliche Zentralstelle, die mit weitreichenden Befugnissen auszustatten wäre, vermöchte hier in höchstem Maße segensreich zu wirken. Ihr läge es ob, die Bedingungen, Lasten und Abgaben, die den Schnellbahnen aufzuerlegen wären, der wirtschaftlichen Lage anzupassen, Beihilfen, Kredite oder Bürgschaften für Bau- und Betriebszwecke auszuwirken, im Falle einer Siedlungspolitik auf unentgeltliche Hergabe von Grund und Boden zu dringen, Vereinfachungen in den Bauformen durchzusetzen, Einfluß zu nehmen auf die Ausgestaltung und Regelung des Fahrpreiswesens, die Hintanhaltung unnützen Wettbewerbs und überflüssiger Doppelleistungen, verständiges Maßhalten in der Bedienung neuer Gebiete u. a. m. Unter den dauernden Lasten nehmen die Abgaben für das Wegerecht, die z. T. sogar eine Beteiligung am Reingewinn einschließen, vielfach die erste Stelle ein, obwohl bei den Schnellbahnen eine Abnutzung der Straßenflächen überhaupt nicht stattfindet. Auch die Staats- und Gemeindesteuern erreichen bei vielen Schnellbahnen eine geradezu unerschwingliche Höhe. c) Rechtszustand. Ein „Schnellbahngesetz“, das das Schnellbahnwesen bis in alle Einzelheiten regelt, gibt es einstweilen nur im Staat New York (Rapid Transit Act). Ein zur Durchführung des Gesetzes errichtetes Amt für die gemeinnützigen Betriebe (Public Service Commission) hat die Angelegenheiten des Groß-New Yorker Schnellbahnwesens im Einvernehmen mit der Stadtverwaltung mit großer Selbständigkeit zu ordnen (zu vgl. den Art. New Yorker Schnellbahnen). In keinem andern Land hat die allgemeine Gesetzgebung für das Schnellbahnwesen in gleich durchgreifender Weise vorgesorgt; auch die Machtbefugnisse der mit der Überwachung des Schnellbahnwesens betrauten Organe sind sonst nirgends einheitlich oder auskömmlich geregelt, so daß vielfach der Mitbestimmung berechtigter Dritter, insbesondere der Wegeberechtigten, Tür und Tor geöffnet ist, die aus privaten Unternehmungen größtmöglichen Vorteil zu ziehen suchen. In England bedarf jedes Schnellbahnunternehmen eines Sondergesetzes (Act), in dem die in einem kontradiktorischen Verfahren sorgfältig ermittelten Interessen der von dem Unternehmen Betroffenen bis ins kleinste geregelt werden. Das preußische Kleinbahngesetz begnügt sich damit, die Schnellbahnen den Straßenbahnen oder den nebenbahnähnlichen Kleinbahnen zuzuzählen, ohne ihrer Eigenart irgendwie besondere Rechnung zu tragen. Der behördlichen Genehmigung hat die Zustimmung der Wegeberechtigten voraufzugehen, während die Interessen der übrigen Beteiligten im sog. „Auslegungsverfahren“ ihre Regelung finden. Für Groß-Berlin hat man die Schwierigkeiten, die die Vielköpfigkeit der Gemeinden dem Verkehrswesen bereitete, durch deren Zusammenfassung zu einem Zweckverband zu beseitigen gesucht. Ein stehendes Kapitel in der Schnellbahnliteratur bilden die Widerstände und Schwierigkeiten, die den Schnellbahnen bei Verfolgung ihrer Ausführungspläne von allen mittelbar oder unmittelbar Beteiligten, von Körperschaften, Kirchengemeinden, Vereinen, Grundbesitzern, im Wege der Verhandlungen, in Versammlungen, in der Presse, offen und geheim, und meist mit mehr oder weniger Erfolg in den Weg gelegt zu werden pflegen, um den Unternehmungen ein Übermaß von Lasten aufzubürden. Ist es doch so weit gekommen, daß sich in Preußen die Zustimmungen der Stadtgemeinden, die nach dem Sinne des Kleinbahngesetzes wesentlich das Entgelt für die Straßenbenutzung ordnen sollen, allgemein zu umfangreichen Privatverträgen ausgewachsen haben, in denen sich die Wegeberechtigten in Ausübung der Rechte des Stärkeren den weitestgehenden Einfluß auf die Unternehmungen gesichert und Mitbestimmungsrechte vereinbart haben, die den Rechten der Obrigkeit oft in bewußter Weise vorgreifen und zuwiderlaufen. Kemmann. Ständige Tarifkommission ist eine Körperschaft, der zusammen mit dem Ausschuß der Verkehrsinteressenten die Aufgabe der Fortbildung des deutschen Gütertarifs obliegt. Nachdem das einheitliche Tarifschema des deutschen Reformtarifs (s. Gütertarife Bd. VS. 464) gewonnen war, regte der preußische Handelsminister am 11. Juni 1877 an, eine aus Vertretern der deutschen Staatsbahnen und einer Anzahl Privatbahnen bestehende Tarifkommission zu bestellen, die Abänderungsanträge für die Beschlußfassung durch die Generalkonferenz der sämtlichen deutschen Eisenbahnverwaltungen konferenziell vorzuberaten habe. Zugleich wurde vorgeschlagen, den Geschäftskreis

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 9. Berlin, Wien, 1921, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen09_1921/149>, abgerufen am 22.11.2024.