Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 9. Berlin, Wien, 1921.besonderen Formen der Vortriebschilde, deren Durchbildung den größten Scharfsinn der Ingenieure herausgefordert hat. Die seit langem für Pfeilerbauten angewendete Druckluftgründung hat eine wichtige Ausbildung auch im Tunnelbau erfahren, namentlich für Fälle, in denen eine Unterschreitung von Wasserläufen erforderlich wurde. In Berlin hat die Art der Wasserhaltung durch Grundwassersenkung zu einem eigenartigen Bauverfahren geführt, das bei der Kreuzung von Flußläufen noch besondere Ausbildungen erfahren mußte. Als Sonderfälle der Bauausführung möge noch die Einbettung fertiger Tunnelabschnitte in eine auf der Flußsohle ausgebaggerte Rinne erwähnt werden. Wegen der sonstigen Bauweisen sei auf die in neuerer Zeit außerordentlich stark angewachsene Literatur hingewiesen (s. auch den Artikel über Tunnelbau). Die Baukosten der Tunnelschnellbahnen gehen über das bei sonstigen Eisenbahnanlagen übliche Maß weit hinaus. 5. Betrieb und Verkehr. Der Stadtschnellverkehr vollzieht sich in starken Wellenbewegungen, die abgesehen von den Jahres-, Monats- und Wochenschwankungen insbesondere im Laufe eines Tages außerordentliche Ungleichheiten aufweisen. In den Früh- und Vormittagstunden sind die Fahrten hauptsächlich stadteinwärts, in den Nachmittag- und Abendstunden nach außen gerichtet. Die größten Verschiedenheiten treten im Vorortverkehr auf, der sich im wesentlichen auf einige Vormittag-, Nachmittag- und Abendstunden zusammendrängt, in denen sich hauptsächlich die Berufstätigen, abends auch die der Geselligkeit nachgehende Bevölkerung auf den Schnellbahnen einfindet. Bei den Durchdringungslinien zeigen die Kurven des Verkehrs infolge der hinzutretenden innenstädtischen Strömungen im allgemeinen eine etwas gleichmäßigere Gestaltung. Ihren Höhepunkt erreichen die Verkehrswellen an Sonn- und Festtagen oder bei besonderen Gelegenheiten; so rufen das ![]() Abb. 148. Starrer Fahrplan der Londoner Distriktbahn. Den geschilderten Verhältnissen gegenüber hat die Betriebsführung mit außerordentlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, die dadurch noch besonders vermehrt werden, daß die zeitlichen besonderen Formen der Vortriebschilde, deren Durchbildung den größten Scharfsinn der Ingenieure herausgefordert hat. Die seit langem für Pfeilerbauten angewendete Druckluftgründung hat eine wichtige Ausbildung auch im Tunnelbau erfahren, namentlich für Fälle, in denen eine Unterschreitung von Wasserläufen erforderlich wurde. In Berlin hat die Art der Wasserhaltung durch Grundwassersenkung zu einem eigenartigen Bauverfahren geführt, das bei der Kreuzung von Flußläufen noch besondere Ausbildungen erfahren mußte. Als Sonderfälle der Bauausführung möge noch die Einbettung fertiger Tunnelabschnitte in eine auf der Flußsohle ausgebaggerte Rinne erwähnt werden. Wegen der sonstigen Bauweisen sei auf die in neuerer Zeit außerordentlich stark angewachsene Literatur hingewiesen (s. auch den Artikel über Tunnelbau). Die Baukosten der Tunnelschnellbahnen gehen über das bei sonstigen Eisenbahnanlagen übliche Maß weit hinaus. 5. Betrieb und Verkehr. Der Stadtschnellverkehr vollzieht sich in starken Wellenbewegungen, die abgesehen von den Jahres-, Monats- und Wochenschwankungen insbesondere im Laufe eines Tages außerordentliche Ungleichheiten aufweisen. In den Früh- und Vormittagstunden sind die Fahrten hauptsächlich stadteinwärts, in den Nachmittag- und Abendstunden nach außen gerichtet. Die größten Verschiedenheiten treten im Vorortverkehr auf, der sich im wesentlichen auf einige Vormittag-, Nachmittag- und Abendstunden zusammendrängt, in denen sich hauptsächlich die Berufstätigen, abends auch die der Geselligkeit nachgehende Bevölkerung auf den Schnellbahnen einfindet. Bei den Durchdringungslinien zeigen die Kurven des Verkehrs infolge der hinzutretenden innenstädtischen Strömungen im allgemeinen eine etwas gleichmäßigere Gestaltung. Ihren Höhepunkt erreichen die Verkehrswellen an Sonn- und Festtagen oder bei besonderen Gelegenheiten; so rufen das ![]() Abb. 148. Starrer Fahrplan der Londoner Distriktbahn. Den geschilderten Verhältnissen gegenüber hat die Betriebsführung mit außerordentlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, die dadurch noch besonders vermehrt werden, daß die zeitlichen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="lexiconEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0144" n="138"/> besonderen <hi rendition="#g">Formen</hi> der Vortriebschilde, deren Durchbildung den größten Scharfsinn der Ingenieure herausgefordert hat. Die seit langem für Pfeilerbauten angewendete Druckluftgründung hat eine wichtige Ausbildung auch im Tunnelbau erfahren, namentlich für Fälle, in denen eine Unterschreitung von Wasserläufen erforderlich wurde. In Berlin hat die Art der Wasserhaltung durch Grundwassersenkung zu einem eigenartigen Bauverfahren geführt, das bei der Kreuzung von Flußläufen noch besondere Ausbildungen erfahren mußte. Als Sonderfälle der Bauausführung möge noch die Einbettung fertiger Tunnelabschnitte in eine auf der Flußsohle ausgebaggerte Rinne erwähnt werden. Wegen der sonstigen Bauweisen sei auf die in neuerer Zeit außerordentlich stark angewachsene Literatur hingewiesen (s. auch den Artikel über Tunnelbau). Die Baukosten der Tunnelschnellbahnen gehen über das bei sonstigen Eisenbahnanlagen übliche Maß weit hinaus.</p><lb/> <p rendition="#c">5. <hi rendition="#g">Betrieb und Verkehr</hi>.</p><lb/> <p>Der Stadtschnellverkehr vollzieht sich in starken Wellenbewegungen, die abgesehen von den Jahres-, Monats- und Wochenschwankungen insbesondere im Laufe eines Tages außerordentliche Ungleichheiten aufweisen. In den Früh- und Vormittagstunden sind die Fahrten hauptsächlich stadteinwärts, in den Nachmittag- und Abendstunden nach außen gerichtet. Die größten Verschiedenheiten treten im Vorortverkehr auf, der sich im wesentlichen auf einige Vormittag-, Nachmittag- und Abendstunden zusammendrängt, in denen sich hauptsächlich die Berufstätigen, abends auch die der Geselligkeit nachgehende Bevölkerung auf den Schnellbahnen einfindet. Bei den Durchdringungslinien zeigen die Kurven des Verkehrs infolge der hinzutretenden innenstädtischen Strömungen im allgemeinen eine etwas gleichmäßigere Gestaltung. Ihren Höhepunkt erreichen die Verkehrswellen an Sonn- und Festtagen oder bei besonderen Gelegenheiten; so rufen das<lb/><figure facs="https://media.dwds.de/dta/images/roell_eisenbahnwesen09_1921/figures/roell_eisenbahnwesen09_1921_figure-0192.jpg" rendition="#c"><head>Abb. 148. Starrer Fahrplan der Londoner Distriktbahn.</head><lb/></figure><lb/> Erholungsbedürfnis, Veranstaltungen im Freien – Regatten, Rennen, Sportfeste –, oft lediglich durch die Witterung bedingt, wahre Sturmfluten im Verkehr hervor, die die stärksten Erhebungen des Normalverkehrs um das 6–7fache überschreiten.</p><lb/> <p>Den geschilderten Verhältnissen gegenüber hat die Betriebsführung mit außerordentlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, die dadurch noch besonders vermehrt werden, daß die zeitlichen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138/0144]
besonderen Formen der Vortriebschilde, deren Durchbildung den größten Scharfsinn der Ingenieure herausgefordert hat. Die seit langem für Pfeilerbauten angewendete Druckluftgründung hat eine wichtige Ausbildung auch im Tunnelbau erfahren, namentlich für Fälle, in denen eine Unterschreitung von Wasserläufen erforderlich wurde. In Berlin hat die Art der Wasserhaltung durch Grundwassersenkung zu einem eigenartigen Bauverfahren geführt, das bei der Kreuzung von Flußläufen noch besondere Ausbildungen erfahren mußte. Als Sonderfälle der Bauausführung möge noch die Einbettung fertiger Tunnelabschnitte in eine auf der Flußsohle ausgebaggerte Rinne erwähnt werden. Wegen der sonstigen Bauweisen sei auf die in neuerer Zeit außerordentlich stark angewachsene Literatur hingewiesen (s. auch den Artikel über Tunnelbau). Die Baukosten der Tunnelschnellbahnen gehen über das bei sonstigen Eisenbahnanlagen übliche Maß weit hinaus.
5. Betrieb und Verkehr.
Der Stadtschnellverkehr vollzieht sich in starken Wellenbewegungen, die abgesehen von den Jahres-, Monats- und Wochenschwankungen insbesondere im Laufe eines Tages außerordentliche Ungleichheiten aufweisen. In den Früh- und Vormittagstunden sind die Fahrten hauptsächlich stadteinwärts, in den Nachmittag- und Abendstunden nach außen gerichtet. Die größten Verschiedenheiten treten im Vorortverkehr auf, der sich im wesentlichen auf einige Vormittag-, Nachmittag- und Abendstunden zusammendrängt, in denen sich hauptsächlich die Berufstätigen, abends auch die der Geselligkeit nachgehende Bevölkerung auf den Schnellbahnen einfindet. Bei den Durchdringungslinien zeigen die Kurven des Verkehrs infolge der hinzutretenden innenstädtischen Strömungen im allgemeinen eine etwas gleichmäßigere Gestaltung. Ihren Höhepunkt erreichen die Verkehrswellen an Sonn- und Festtagen oder bei besonderen Gelegenheiten; so rufen das
[Abbildung Abb. 148. Starrer Fahrplan der Londoner Distriktbahn.
]
Erholungsbedürfnis, Veranstaltungen im Freien – Regatten, Rennen, Sportfeste –, oft lediglich durch die Witterung bedingt, wahre Sturmfluten im Verkehr hervor, die die stärksten Erhebungen des Normalverkehrs um das 6–7fache überschreiten.
Den geschilderten Verhältnissen gegenüber hat die Betriebsführung mit außerordentlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, die dadurch noch besonders vermehrt werden, daß die zeitlichen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen09_1921 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen09_1921/144 |
Zitationshilfe: | Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 9. Berlin, Wien, 1921, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen09_1921/144>, abgerufen am 25.06.2024. |