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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917.

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ist der Gotthardtunnel (s. d.), bei dessen Herstellung die beim Bau des Mont Cenis-Tunnels gewonnenen Baumethoden und Erfahrungen verwertet wurden. Ihm folgten der längere und schwierigere, als Doppeltunnel ausgeführte Simplontunnel, der Rickentunnel, der Lötschbergtunnel (s. Bern-Lötschberg-Simplon), der Grenchentunnel (s. ebenda), der Hauensteinbasistunnel, der Weißensteintunnel u. a., während der Bau der Jurascheiteltunnel am Hauenstein und bei Neuenburg (s. Jura-Neuchatelois) vorausgegangen waren (vgl. auch S. 447).

Bei den Zufahrtslinien zum Gotthard wurde die Einhaltung der beiden Haupttäler, des Reußtals auf der Nordseite und des Tessintals auf der Südseite, ohne Ausfahrung von Seitentälern und ohne zu starke Erhebung von der Talsohle dadurch ermöglicht, daß an den steileren Talstufen Hebungskurven mit spiralförmigen Kehrtunneln eingeschaltet wurden. Bei den Vorarbeiten wurde von Wetli und anderen schweizerischen Ingenieuren das Verfahren mit Meßtisch und Höhenkurven angewendet. Die Lösung mit Kehrtunneln ersetzte die früher vorgeschlagenen sog. schiefen Ebenen, wodurch der kontinuierliche Betrieb der Reibungsbahn unterbrochen worden wäre, sowie die Spitzkehren. Der Erste, der die Verwendung von Kehrtunneln vorschlug, war der tessinische Kantonsingenieur Lucchini; später haben Gerwig und Hellwag sie selbständig und mit vollem Erfolg durchgeführt. Ähnlich wurde dann bei der Albulabahn und beim Lötschberg vorgegangen.

Epochemachend war die Einführung der Zahnstange durch Riggenbach; von der Schweiz aus verbreitete sie sich über ganz Europa, fand namentlich nach den Verbesserungen, die sie durch Strub und die Stufenstange von Abt erhielt, auch in den anderen Weltteilen Eingang und hielt selbst in Amerika, wo sie vorher am Mount Washington Anwendung gefunden, in der vervollkommneten Form ihren neuen Einzug. Sehr bemerkenswert ist die bei der Pilatusbahn zur Ausführung gekommene liegende Doppelleiterstange des Oberst Locher. Endlich hat der Seilbetrieb bei zahlreichen Bergbahnen, öfters in Verbindung mit der Zahnstange, letzterer als Mittel zur Sicherstellung des Betriebs, in neuerer Zeit jedoch meist durch die Zangenbremse ersetzt, Verwendung gefunden; auch der elektrische Betrieb hat bei diesen Bahnen Einzug gehalten, wie auch bei den meisten gemischten Zahn- und Reibungsbahnen.

Eine im Jahre 1904 gegründete Studienkommission befaßte sich mit der Einführung des elektrischen Betriebs auf den S. Sie befürwortete die Anwendung des Einphasenwechselstroms. Diese erfolgte zunächst bei der Lötschbergbahn und hierauf bei der Gotthardbahn. Die Umgestaltung weiterer Linien für den elektrischen Betrieb dürfte folgen.

Die schweizerischen Lokomotiven sind meistens mit 2 und 3 Treibachsen gebaut; im Mittel kamen im Jahre 1913 auf eine Lokomotive 2·88 Treibachsen. Maschinen mit 4 bis 6 Achsen besitzen die Bundesbahnen (vgl. S. 447) und die Lötschbergbahn. Das mittlere Leergewicht einer Maschine betrug 1914 für Dampflokomotiven 48·7 t, für elektrische Lokomotiven 33·9 t.

Die Personenwagen werden nach dem Interkommunikationssystem mit 2, 3 und 4 Achsen gebaut; diese Bauart ist sogar gesetzlich für die Tageszüge vorgeschrieben.

Von den Personenwagen wurden 26·3% elektrisch, 65·4% mit Dampf geheizt, ferner 82·5% elektrisch, 8·9% mit Gas, 8·6% mit Öl beleuchtet. Unter den Normalbahnen herrscht als kontinuierliche Bremse die automatische Westinghouse z. T. als Zweikammer-Luftdruckbremse vor; bei den elektrischen Schmalspurbahnen und der Rhätischen Bahn findet sich die automatische Vakuumbremse.

II. Geographisches.

Die Schweiz wird im Norden und Süden durch 2 Gebirgszüge begrenzt, durch den Jura einerseits und die Alpen anderseits. Es sind daher in der Richtung des dadurch gebildeten, von Genf nach dem Bodensee verlaufenden Flachlandes eine Reihe paralleler Eisenbahnstränge entstanden, die die Bahnen der schweizerischen Ebene darstellen und durch Querlinien gekreuzt werden, die meistens Gebirgsbahnen sind, sei es, daß sie den Jura, sei es, daß sie die Alpen und ihre Ausläufer durchbrechen. Abgesehen davon besitzt die Schweiz eine Reihe von Touristenbahnen nach den vom Fremdenverkehr bevorzugten, weltbekannten Aussichtspunkten.

Die schweizerischen Bundesbahnen bedienen die ganze Westschweiz, ferner den Berner Jura, das Emmental, das Luzerner Entlebuch und mit der Brünigbahn (s. d.) auch den Kanton Obwalden sowie einen Teil des Berner Oberlandes. Sie vermitteln sämtliche Anschlüsse mit den französischen Bahnen von Bouveret, längs der schweizerischen Westgrenze bis Basel, den westlichen Anschluß an das italienische Bahnnetz in Domodossola.

Sie vermitteln den in Basel sowie an der ganzen Nord- und Ostgrenze ein- und ausgehenden ausländischen Verkehr, ferner den Verkehr an der Südgrenze mit Italien in Chiasso und Luino und bedienen die ganze Zentral-, Nord-, Ost- und Südschweiz.

ist der Gotthardtunnel (s. d.), bei dessen Herstellung die beim Bau des Mont Cenis-Tunnels gewonnenen Baumethoden und Erfahrungen verwertet wurden. Ihm folgten der längere und schwierigere, als Doppeltunnel ausgeführte Simplontunnel, der Rickentunnel, der Lötschbergtunnel (s. Bern-Lötschberg-Simplon), der Grenchentunnel (s. ebenda), der Hauensteinbasistunnel, der Weißensteintunnel u. a., während der Bau der Jurascheiteltunnel am Hauenstein und bei Neuenburg (s. Jura-Neuchâtelois) vorausgegangen waren (vgl. auch S. 447).

Bei den Zufahrtslinien zum Gotthard wurde die Einhaltung der beiden Haupttäler, des Reußtals auf der Nordseite und des Tessintals auf der Südseite, ohne Ausfahrung von Seitentälern und ohne zu starke Erhebung von der Talsohle dadurch ermöglicht, daß an den steileren Talstufen Hebungskurven mit spiralförmigen Kehrtunneln eingeschaltet wurden. Bei den Vorarbeiten wurde von Wetli und anderen schweizerischen Ingenieuren das Verfahren mit Meßtisch und Höhenkurven angewendet. Die Lösung mit Kehrtunneln ersetzte die früher vorgeschlagenen sog. schiefen Ebenen, wodurch der kontinuierliche Betrieb der Reibungsbahn unterbrochen worden wäre, sowie die Spitzkehren. Der Erste, der die Verwendung von Kehrtunneln vorschlug, war der tessinische Kantonsingenieur Lucchini; später haben Gerwig und Hellwag sie selbständig und mit vollem Erfolg durchgeführt. Ähnlich wurde dann bei der Albulabahn und beim Lötschberg vorgegangen.

Epochemachend war die Einführung der Zahnstange durch Riggenbach; von der Schweiz aus verbreitete sie sich über ganz Europa, fand namentlich nach den Verbesserungen, die sie durch Strub und die Stufenstange von Abt erhielt, auch in den anderen Weltteilen Eingang und hielt selbst in Amerika, wo sie vorher am Mount Washington Anwendung gefunden, in der vervollkommneten Form ihren neuen Einzug. Sehr bemerkenswert ist die bei der Pilatusbahn zur Ausführung gekommene liegende Doppelleiterstange des Oberst Locher. Endlich hat der Seilbetrieb bei zahlreichen Bergbahnen, öfters in Verbindung mit der Zahnstange, letzterer als Mittel zur Sicherstellung des Betriebs, in neuerer Zeit jedoch meist durch die Zangenbremse ersetzt, Verwendung gefunden; auch der elektrische Betrieb hat bei diesen Bahnen Einzug gehalten, wie auch bei den meisten gemischten Zahn- und Reibungsbahnen.

Eine im Jahre 1904 gegründete Studienkommission befaßte sich mit der Einführung des elektrischen Betriebs auf den S. Sie befürwortete die Anwendung des Einphasenwechselstroms. Diese erfolgte zunächst bei der Lötschbergbahn und hierauf bei der Gotthardbahn. Die Umgestaltung weiterer Linien für den elektrischen Betrieb dürfte folgen.

Die schweizerischen Lokomotiven sind meistens mit 2 und 3 Treibachsen gebaut; im Mittel kamen im Jahre 1913 auf eine Lokomotive 2·88 Treibachsen. Maschinen mit 4 bis 6 Achsen besitzen die Bundesbahnen (vgl. S. 447) und die Lötschbergbahn. Das mittlere Leergewicht einer Maschine betrug 1914 für Dampflokomotiven 48·7 t, für elektrische Lokomotiven 33·9 t.

Die Personenwagen werden nach dem Interkommunikationssystem mit 2, 3 und 4 Achsen gebaut; diese Bauart ist sogar gesetzlich für die Tageszüge vorgeschrieben.

Von den Personenwagen wurden 26·3% elektrisch, 65·4% mit Dampf geheizt, ferner 82·5% elektrisch, 8·9% mit Gas, 8·6% mit Öl beleuchtet. Unter den Normalbahnen herrscht als kontinuierliche Bremse die automatische Westinghouse z. T. als Zweikammer-Luftdruckbremse vor; bei den elektrischen Schmalspurbahnen und der Rhätischen Bahn findet sich die automatische Vakuumbremse.

II. Geographisches.

Die Schweiz wird im Norden und Süden durch 2 Gebirgszüge begrenzt, durch den Jura einerseits und die Alpen anderseits. Es sind daher in der Richtung des dadurch gebildeten, von Genf nach dem Bodensee verlaufenden Flachlandes eine Reihe paralleler Eisenbahnstränge entstanden, die die Bahnen der schweizerischen Ebene darstellen und durch Querlinien gekreuzt werden, die meistens Gebirgsbahnen sind, sei es, daß sie den Jura, sei es, daß sie die Alpen und ihre Ausläufer durchbrechen. Abgesehen davon besitzt die Schweiz eine Reihe von Touristenbahnen nach den vom Fremdenverkehr bevorzugten, weltbekannten Aussichtspunkten.

Die schweizerischen Bundesbahnen bedienen die ganze Westschweiz, ferner den Berner Jura, das Emmental, das Luzerner Entlebuch und mit der Brünigbahn (s. d.) auch den Kanton Obwalden sowie einen Teil des Berner Oberlandes. Sie vermitteln sämtliche Anschlüsse mit den französischen Bahnen von Bouveret, längs der schweizerischen Westgrenze bis Basel, den westlichen Anschluß an das italienische Bahnnetz in Domodossola.

Sie vermitteln den in Basel sowie an der ganzen Nord- und Ostgrenze ein- und ausgehenden ausländischen Verkehr, ferner den Verkehr an der Südgrenze mit Italien in Chiasso und Luino und bedienen die ganze Zentral-, Nord-, Ost- und Südschweiz.

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[450/0472] ist der Gotthardtunnel (s. d.), bei dessen Herstellung die beim Bau des Mont Cenis-Tunnels gewonnenen Baumethoden und Erfahrungen verwertet wurden. Ihm folgten der längere und schwierigere, als Doppeltunnel ausgeführte Simplontunnel, der Rickentunnel, der Lötschbergtunnel (s. Bern-Lötschberg-Simplon), der Grenchentunnel (s. ebenda), der Hauensteinbasistunnel, der Weißensteintunnel u. a., während der Bau der Jurascheiteltunnel am Hauenstein und bei Neuenburg (s. Jura-Neuchâtelois) vorausgegangen waren (vgl. auch S. 447). Bei den Zufahrtslinien zum Gotthard wurde die Einhaltung der beiden Haupttäler, des Reußtals auf der Nordseite und des Tessintals auf der Südseite, ohne Ausfahrung von Seitentälern und ohne zu starke Erhebung von der Talsohle dadurch ermöglicht, daß an den steileren Talstufen Hebungskurven mit spiralförmigen Kehrtunneln eingeschaltet wurden. Bei den Vorarbeiten wurde von Wetli und anderen schweizerischen Ingenieuren das Verfahren mit Meßtisch und Höhenkurven angewendet. Die Lösung mit Kehrtunneln ersetzte die früher vorgeschlagenen sog. schiefen Ebenen, wodurch der kontinuierliche Betrieb der Reibungsbahn unterbrochen worden wäre, sowie die Spitzkehren. Der Erste, der die Verwendung von Kehrtunneln vorschlug, war der tessinische Kantonsingenieur Lucchini; später haben Gerwig und Hellwag sie selbständig und mit vollem Erfolg durchgeführt. Ähnlich wurde dann bei der Albulabahn und beim Lötschberg vorgegangen. Epochemachend war die Einführung der Zahnstange durch Riggenbach; von der Schweiz aus verbreitete sie sich über ganz Europa, fand namentlich nach den Verbesserungen, die sie durch Strub und die Stufenstange von Abt erhielt, auch in den anderen Weltteilen Eingang und hielt selbst in Amerika, wo sie vorher am Mount Washington Anwendung gefunden, in der vervollkommneten Form ihren neuen Einzug. Sehr bemerkenswert ist die bei der Pilatusbahn zur Ausführung gekommene liegende Doppelleiterstange des Oberst Locher. Endlich hat der Seilbetrieb bei zahlreichen Bergbahnen, öfters in Verbindung mit der Zahnstange, letzterer als Mittel zur Sicherstellung des Betriebs, in neuerer Zeit jedoch meist durch die Zangenbremse ersetzt, Verwendung gefunden; auch der elektrische Betrieb hat bei diesen Bahnen Einzug gehalten, wie auch bei den meisten gemischten Zahn- und Reibungsbahnen. Eine im Jahre 1904 gegründete Studienkommission befaßte sich mit der Einführung des elektrischen Betriebs auf den S. Sie befürwortete die Anwendung des Einphasenwechselstroms. Diese erfolgte zunächst bei der Lötschbergbahn und hierauf bei der Gotthardbahn. Die Umgestaltung weiterer Linien für den elektrischen Betrieb dürfte folgen. Die schweizerischen Lokomotiven sind meistens mit 2 und 3 Treibachsen gebaut; im Mittel kamen im Jahre 1913 auf eine Lokomotive 2·88 Treibachsen. Maschinen mit 4 bis 6 Achsen besitzen die Bundesbahnen (vgl. S. 447) und die Lötschbergbahn. Das mittlere Leergewicht einer Maschine betrug 1914 für Dampflokomotiven 48·7 t, für elektrische Lokomotiven 33·9 t. Die Personenwagen werden nach dem Interkommunikationssystem mit 2, 3 und 4 Achsen gebaut; diese Bauart ist sogar gesetzlich für die Tageszüge vorgeschrieben. Von den Personenwagen wurden 26·3% elektrisch, 65·4% mit Dampf geheizt, ferner 82·5% elektrisch, 8·9% mit Gas, 8·6% mit Öl beleuchtet. Unter den Normalbahnen herrscht als kontinuierliche Bremse die automatische Westinghouse z. T. als Zweikammer-Luftdruckbremse vor; bei den elektrischen Schmalspurbahnen und der Rhätischen Bahn findet sich die automatische Vakuumbremse. II. Geographisches. Die Schweiz wird im Norden und Süden durch 2 Gebirgszüge begrenzt, durch den Jura einerseits und die Alpen anderseits. Es sind daher in der Richtung des dadurch gebildeten, von Genf nach dem Bodensee verlaufenden Flachlandes eine Reihe paralleler Eisenbahnstränge entstanden, die die Bahnen der schweizerischen Ebene darstellen und durch Querlinien gekreuzt werden, die meistens Gebirgsbahnen sind, sei es, daß sie den Jura, sei es, daß sie die Alpen und ihre Ausläufer durchbrechen. Abgesehen davon besitzt die Schweiz eine Reihe von Touristenbahnen nach den vom Fremdenverkehr bevorzugten, weltbekannten Aussichtspunkten. Die schweizerischen Bundesbahnen bedienen die ganze Westschweiz, ferner den Berner Jura, das Emmental, das Luzerner Entlebuch und mit der Brünigbahn (s. d.) auch den Kanton Obwalden sowie einen Teil des Berner Oberlandes. Sie vermitteln sämtliche Anschlüsse mit den französischen Bahnen von Bouveret, längs der schweizerischen Westgrenze bis Basel, den westlichen Anschluß an das italienische Bahnnetz in Domodossola. Sie vermitteln den in Basel sowie an der ganzen Nord- und Ostgrenze ein- und ausgehenden ausländischen Verkehr, ferner den Verkehr an der Südgrenze mit Italien in Chiasso und Luino und bedienen die ganze Zentral-, Nord-, Ost- und Südschweiz.

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen08_1917/472>, abgerufen am 26.11.2024.