Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917.oder weniger scharfe Trennung der Fläche in Rand- und Kernzone sichtbar, ferner örtliche Anhäufungen von Seigerungsprodukten und andere Erscheinungen mehr, die eine wichtige Ergänzung des Bruchbefundes sind und auch als Aufklärung für Einzelnheiten desselben dienen können. Bei dem dermaligen Stand der Stahlerzeugung und des Walzprozesses bilden die genannten Fehler, auch das Auftreten nur einzelner derselben eine Ausnahme. Sie sind fast ausschließlich bei Schienen älterer Lieferungen und auch bei diesen nicht zu häufig anzutreffen. Es muß auch bemerkt werden, daß geringe Verunreinigungen des Schienenstahls, wie sie durch den Ätzversuch sichtbar gemacht werden, als eine Folge des Naturgesetzes der Seigerung nicht ganz zu vermeiden und auch unschädlich sind. In manchen Fällen werden das Bruchgefüge und der Ätzversuch ausreichenden Aufschluß geben, zumeist jedoch die Grundlage bilden, auf der alle weiteren Untersuchungen aufzubauen sind. Dies hat jedoch nicht schablonenhaft zu geschehen, es muß individualisiert und schrittweise vorgegangen werden. Je nach dem Zweck der Untersuchung und dem Gefügebefund werden die weiteren Prüfungen mechanisch-technische, technologische, chemische oder mikrographische sein; sie werden sich auf kleine Materialteile oder auf ganze Schienenstücke erstrecken und in manchen Fällen wird es auch geboten sein, die bei der Übernahme des Materials, das zur Untersuchung vorliegt, vorgeschrieben gewesenen Prüfungen durchzuführen. Dabei wird man, wenn es sich um eine Untersuchung wegen Querbrüchigkeit handelt und der Bruchbefund keinen genügenden Aufschluß gibt, gut tun, ein Schienenstück bei der Lage Kopf unten dem Schlagversuch zu unterwerfen, um festzustellen, welchen Einfluß die an der Fahrfläche hartgefahrene Stahlschichte auf den Widerstand der Schiene übt, und damit aufzuklären, ob der Bruch etwa von dieser Stelle ausgegangen ist. Eine interessante Erscheinung bilden die inneren Querrisse, die zumeist über dem Schienensteg im unteren Kopfteil vorkommen. Sie entstehen während der Walzung der Schienen und sind die Folge eines mangelhaften Schlußverfahrens bei der Stahlbereitung. Während nun solche Mängel in europäischen Ländern nur bei älteren Schienenlieferungen vorkommen, die aus einer Zeit stammen, in der das Schlußverfahren der Stahlbereitung noch wenig ausgebildet war, daher sie als eine Kinderkrankheit im Lauf der Entwicklung der Stahlerzeugung anzusehen sind, scheinen sie in den Vereinigten Staaten von Amerika eine chronische Form angenommen zu haben. Die Schienenfrage ist dort zu einer brennenden geworden (1911/12 in den Vereinigten Staaten 363 Entgleisungen infolge von Schienenbrüchen) und das "Schienenrätsel", die Entstehung von Innenbrüchen des Schienenkopfes, die von manchen Seiten als eine Folge des Eisenbahnbetriebs angesehen wird, hat noch immer keine Lösung gefunden. Dem Vorkommen und der Beschreibung ihres Aussehens nach zu urteilen, sind sie auf ein mangelhaftes Schlußverfahren bei der Stahlbereitung und das von manchen amerikanischen Schienenwerken geübte Kaltwalzen zurückzuführen. Auch verlangt der in Amerika gebräuchliche harte Schienenstahl größere Sorgfalt bei seiner Erzeugung, welche Forderung im Widerspruch steht zu der dort von manchen Schienenwerken ins Riesenhafte gesteigerten Massenerzeugung, die bis zu 4000 t in 24 Stunden erreicht. Auf das Bedürfnis nach besserer Reinigung des Stahls weist die verhältnismäßig häufige Anwendung von Ferrotitan beim Schlußverfahren. Aber auch die in neueren Lieferungsvorschriften der amerikanischen Bahnverwaltungen enthaltenen Bestimmungen, die sich auf die Behandlung des Stahls in der Gußpfanne, beim Guß in die Formen, ferner auf die Behandlung der Blöcke in den Gußgruben, beim Transport in die Tieföfen, in diesen und dann bei ihrer Auswalzung zu Schienen beziehen, lassen das Bemühen erkennen, den Schienenstahl vor den nachteiligen Folgen eines überhasteten Betriebs möglichst zu bewahren. Von nicht geringerem Interesse, wenngleich dermalen nur selten vorkommend, sind lokale Abschreckungen des Schienenstahls, wie sie durch Walzenkühlwasser oder als Folge eines schadhaften Daches, durch das das Regenwasser dringt, entstehen können. Obzwar in solchen Fällen schon das Grobgefüge gewisse Anhaltspunkte gibt und auch ein Versuch mit der Feile das Vorhandensein größerer Härte erkennen läßt, gibt doch die Mikrographie den sichersten Aufschluß, indem sie für vollständige Härtung (Martensit) sowie für eine solche, die durch Nachwärmen gemildert wurde (Troostit, Osmondit, Sorbit), untrügliche Merkmale liefert. Aber auch die chemische Untersuchung, der Prozentsatz an Härtungskohle im Gesamtkohlenstoff kann zur Bestätigung des ersten Befundes herangezogen werden. Ein Großteil der im Eisenbahnbetrieb vorkommenden Schienenbrüche betrifft den Stoß. Sie gehen zumeist von den Bolzenlöchern der Schienen aus und haben, gleichbleibende Verhältnisse vorausgesetzt, annähernd gleiche Lage und Richtung. Obschon nun auch an solchen Stellen Materialfehler den Anlaß zu Schienenbrüchen gegeben haben, so waren sie doch oder weniger scharfe Trennung der Fläche in Rand- und Kernzone sichtbar, ferner örtliche Anhäufungen von Seigerungsprodukten und andere Erscheinungen mehr, die eine wichtige Ergänzung des Bruchbefundes sind und auch als Aufklärung für Einzelnheiten desselben dienen können. Bei dem dermaligen Stand der Stahlerzeugung und des Walzprozesses bilden die genannten Fehler, auch das Auftreten nur einzelner derselben eine Ausnahme. Sie sind fast ausschließlich bei Schienen älterer Lieferungen und auch bei diesen nicht zu häufig anzutreffen. Es muß auch bemerkt werden, daß geringe Verunreinigungen des Schienenstahls, wie sie durch den Ätzversuch sichtbar gemacht werden, als eine Folge des Naturgesetzes der Seigerung nicht ganz zu vermeiden und auch unschädlich sind. In manchen Fällen werden das Bruchgefüge und der Ätzversuch ausreichenden Aufschluß geben, zumeist jedoch die Grundlage bilden, auf der alle weiteren Untersuchungen aufzubauen sind. Dies hat jedoch nicht schablonenhaft zu geschehen, es muß individualisiert und schrittweise vorgegangen werden. Je nach dem Zweck der Untersuchung und dem Gefügebefund werden die weiteren Prüfungen mechanisch-technische, technologische, chemische oder mikrographische sein; sie werden sich auf kleine Materialteile oder auf ganze Schienenstücke erstrecken und in manchen Fällen wird es auch geboten sein, die bei der Übernahme des Materials, das zur Untersuchung vorliegt, vorgeschrieben gewesenen Prüfungen durchzuführen. Dabei wird man, wenn es sich um eine Untersuchung wegen Querbrüchigkeit handelt und der Bruchbefund keinen genügenden Aufschluß gibt, gut tun, ein Schienenstück bei der Lage Kopf unten dem Schlagversuch zu unterwerfen, um festzustellen, welchen Einfluß die an der Fahrfläche hartgefahrene Stahlschichte auf den Widerstand der Schiene übt, und damit aufzuklären, ob der Bruch etwa von dieser Stelle ausgegangen ist. Eine interessante Erscheinung bilden die inneren Querrisse, die zumeist über dem Schienensteg im unteren Kopfteil vorkommen. Sie entstehen während der Walzung der Schienen und sind die Folge eines mangelhaften Schlußverfahrens bei der Stahlbereitung. Während nun solche Mängel in europäischen Ländern nur bei älteren Schienenlieferungen vorkommen, die aus einer Zeit stammen, in der das Schlußverfahren der Stahlbereitung noch wenig ausgebildet war, daher sie als eine Kinderkrankheit im Lauf der Entwicklung der Stahlerzeugung anzusehen sind, scheinen sie in den Vereinigten Staaten von Amerika eine chronische Form angenommen zu haben. Die Schienenfrage ist dort zu einer brennenden geworden (1911/12 in den Vereinigten Staaten 363 Entgleisungen infolge von Schienenbrüchen) und das „Schienenrätsel“, die Entstehung von Innenbrüchen des Schienenkopfes, die von manchen Seiten als eine Folge des Eisenbahnbetriebs angesehen wird, hat noch immer keine Lösung gefunden. Dem Vorkommen und der Beschreibung ihres Aussehens nach zu urteilen, sind sie auf ein mangelhaftes Schlußverfahren bei der Stahlbereitung und das von manchen amerikanischen Schienenwerken geübte Kaltwalzen zurückzuführen. Auch verlangt der in Amerika gebräuchliche harte Schienenstahl größere Sorgfalt bei seiner Erzeugung, welche Forderung im Widerspruch steht zu der dort von manchen Schienenwerken ins Riesenhafte gesteigerten Massenerzeugung, die bis zu 4000 t in 24 Stunden erreicht. Auf das Bedürfnis nach besserer Reinigung des Stahls weist die verhältnismäßig häufige Anwendung von Ferrotitan beim Schlußverfahren. Aber auch die in neueren Lieferungsvorschriften der amerikanischen Bahnverwaltungen enthaltenen Bestimmungen, die sich auf die Behandlung des Stahls in der Gußpfanne, beim Guß in die Formen, ferner auf die Behandlung der Blöcke in den Gußgruben, beim Transport in die Tieföfen, in diesen und dann bei ihrer Auswalzung zu Schienen beziehen, lassen das Bemühen erkennen, den Schienenstahl vor den nachteiligen Folgen eines überhasteten Betriebs möglichst zu bewahren. Von nicht geringerem Interesse, wenngleich dermalen nur selten vorkommend, sind lokale Abschreckungen des Schienenstahls, wie sie durch Walzenkühlwasser oder als Folge eines schadhaften Daches, durch das das Regenwasser dringt, entstehen können. Obzwar in solchen Fällen schon das Grobgefüge gewisse Anhaltspunkte gibt und auch ein Versuch mit der Feile das Vorhandensein größerer Härte erkennen läßt, gibt doch die Mikrographie den sichersten Aufschluß, indem sie für vollständige Härtung (Martensit) sowie für eine solche, die durch Nachwärmen gemildert wurde (Troostit, Osmondit, Sorbit), untrügliche Merkmale liefert. Aber auch die chemische Untersuchung, der Prozentsatz an Härtungskohle im Gesamtkohlenstoff kann zur Bestätigung des ersten Befundes herangezogen werden. Ein Großteil der im Eisenbahnbetrieb vorkommenden Schienenbrüche betrifft den Stoß. Sie gehen zumeist von den Bolzenlöchern der Schienen aus und haben, gleichbleibende Verhältnisse vorausgesetzt, annähernd gleiche Lage und Richtung. Obschon nun auch an solchen Stellen Materialfehler den Anlaß zu Schienenbrüchen gegeben haben, so waren sie doch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="lexiconEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0348" n="330"/> oder weniger scharfe Trennung der Fläche in Rand- und Kernzone sichtbar, ferner örtliche Anhäufungen von Seigerungsprodukten und andere Erscheinungen mehr, die eine wichtige Ergänzung des Bruchbefundes sind und auch als Aufklärung für Einzelnheiten desselben dienen können. Bei dem dermaligen Stand der Stahlerzeugung und des Walzprozesses bilden die genannten Fehler, auch das Auftreten nur einzelner derselben eine Ausnahme. Sie sind fast ausschließlich bei Schienen älterer Lieferungen und auch bei diesen nicht zu häufig anzutreffen. Es muß auch bemerkt werden, daß geringe Verunreinigungen des Schienenstahls, wie sie durch den Ätzversuch sichtbar gemacht werden, als eine Folge des Naturgesetzes der Seigerung nicht ganz zu vermeiden und auch unschädlich sind. In manchen Fällen werden das Bruchgefüge und der Ätzversuch ausreichenden Aufschluß geben, zumeist jedoch die Grundlage bilden, auf der alle weiteren Untersuchungen aufzubauen sind. Dies hat jedoch nicht schablonenhaft zu geschehen, es muß individualisiert und schrittweise vorgegangen werden. Je nach dem Zweck der Untersuchung und dem Gefügebefund werden die weiteren Prüfungen mechanisch-technische, technologische, chemische oder mikrographische sein; sie werden sich auf kleine Materialteile oder auf ganze Schienenstücke erstrecken und in manchen Fällen wird es auch geboten sein, die bei der Übernahme des Materials, das zur Untersuchung vorliegt, vorgeschrieben gewesenen Prüfungen durchzuführen. Dabei wird man, wenn es sich um eine Untersuchung wegen Querbrüchigkeit handelt und der Bruchbefund keinen genügenden Aufschluß gibt, gut tun, ein Schienenstück bei der Lage Kopf unten dem Schlagversuch zu unterwerfen, um festzustellen, welchen Einfluß die an der Fahrfläche hartgefahrene Stahlschichte auf den Widerstand der Schiene übt, und damit aufzuklären, ob der Bruch etwa von dieser Stelle ausgegangen ist.</p><lb/> <p>Eine interessante Erscheinung bilden die inneren Querrisse, die zumeist über dem Schienensteg im unteren Kopfteil vorkommen. Sie entstehen während der Walzung der Schienen und sind die Folge eines mangelhaften Schlußverfahrens bei der Stahlbereitung. 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Auch verlangt der in Amerika gebräuchliche harte Schienenstahl größere Sorgfalt bei seiner Erzeugung, welche Forderung im Widerspruch steht zu der dort von manchen Schienenwerken ins Riesenhafte gesteigerten Massenerzeugung, die bis zu 4000 <hi rendition="#i">t</hi> in 24 Stunden erreicht. Auf das Bedürfnis nach besserer Reinigung des Stahls weist die verhältnismäßig häufige Anwendung von Ferrotitan beim Schlußverfahren. Aber auch die in neueren Lieferungsvorschriften der amerikanischen Bahnverwaltungen enthaltenen Bestimmungen, die sich auf die Behandlung des Stahls in der Gußpfanne, beim Guß in die Formen, ferner auf die Behandlung der Blöcke in den Gußgruben, beim Transport in die Tieföfen, in diesen und dann bei ihrer Auswalzung zu Schienen beziehen, lassen das Bemühen erkennen, den Schienenstahl vor den nachteiligen Folgen eines überhasteten Betriebs möglichst zu bewahren.</p><lb/> <p>Von nicht geringerem Interesse, wenngleich dermalen nur selten vorkommend, sind lokale Abschreckungen des Schienenstahls, wie sie durch Walzenkühlwasser oder als Folge eines schadhaften Daches, durch das das Regenwasser dringt, entstehen können. Obzwar in solchen Fällen schon das Grobgefüge gewisse Anhaltspunkte gibt und auch ein Versuch mit der Feile das Vorhandensein größerer Härte erkennen läßt, gibt doch die Mikrographie den sichersten Aufschluß, indem sie für vollständige Härtung (Martensit) sowie für eine solche, die durch Nachwärmen gemildert wurde (Troostit, Osmondit, Sorbit), untrügliche Merkmale liefert. Aber auch die chemische Untersuchung, der Prozentsatz an Härtungskohle im Gesamtkohlenstoff kann zur Bestätigung des ersten Befundes herangezogen werden.</p><lb/> <p>Ein Großteil der im Eisenbahnbetrieb vorkommenden Schienenbrüche betrifft den Stoß. Sie gehen zumeist von den Bolzenlöchern der Schienen aus und haben, gleichbleibende Verhältnisse vorausgesetzt, annähernd gleiche Lage und Richtung. Obschon nun auch an solchen Stellen Materialfehler den Anlaß zu Schienenbrüchen gegeben haben, so waren sie doch </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [330/0348]
oder weniger scharfe Trennung der Fläche in Rand- und Kernzone sichtbar, ferner örtliche Anhäufungen von Seigerungsprodukten und andere Erscheinungen mehr, die eine wichtige Ergänzung des Bruchbefundes sind und auch als Aufklärung für Einzelnheiten desselben dienen können. Bei dem dermaligen Stand der Stahlerzeugung und des Walzprozesses bilden die genannten Fehler, auch das Auftreten nur einzelner derselben eine Ausnahme. Sie sind fast ausschließlich bei Schienen älterer Lieferungen und auch bei diesen nicht zu häufig anzutreffen. Es muß auch bemerkt werden, daß geringe Verunreinigungen des Schienenstahls, wie sie durch den Ätzversuch sichtbar gemacht werden, als eine Folge des Naturgesetzes der Seigerung nicht ganz zu vermeiden und auch unschädlich sind. In manchen Fällen werden das Bruchgefüge und der Ätzversuch ausreichenden Aufschluß geben, zumeist jedoch die Grundlage bilden, auf der alle weiteren Untersuchungen aufzubauen sind. Dies hat jedoch nicht schablonenhaft zu geschehen, es muß individualisiert und schrittweise vorgegangen werden. Je nach dem Zweck der Untersuchung und dem Gefügebefund werden die weiteren Prüfungen mechanisch-technische, technologische, chemische oder mikrographische sein; sie werden sich auf kleine Materialteile oder auf ganze Schienenstücke erstrecken und in manchen Fällen wird es auch geboten sein, die bei der Übernahme des Materials, das zur Untersuchung vorliegt, vorgeschrieben gewesenen Prüfungen durchzuführen. Dabei wird man, wenn es sich um eine Untersuchung wegen Querbrüchigkeit handelt und der Bruchbefund keinen genügenden Aufschluß gibt, gut tun, ein Schienenstück bei der Lage Kopf unten dem Schlagversuch zu unterwerfen, um festzustellen, welchen Einfluß die an der Fahrfläche hartgefahrene Stahlschichte auf den Widerstand der Schiene übt, und damit aufzuklären, ob der Bruch etwa von dieser Stelle ausgegangen ist.
Eine interessante Erscheinung bilden die inneren Querrisse, die zumeist über dem Schienensteg im unteren Kopfteil vorkommen. Sie entstehen während der Walzung der Schienen und sind die Folge eines mangelhaften Schlußverfahrens bei der Stahlbereitung. Während nun solche Mängel in europäischen Ländern nur bei älteren Schienenlieferungen vorkommen, die aus einer Zeit stammen, in der das Schlußverfahren der Stahlbereitung noch wenig ausgebildet war, daher sie als eine Kinderkrankheit im Lauf der Entwicklung der Stahlerzeugung anzusehen sind, scheinen sie in den Vereinigten Staaten von Amerika eine chronische Form angenommen zu haben. Die Schienenfrage ist dort zu einer brennenden geworden (1911/12 in den Vereinigten Staaten 363 Entgleisungen infolge von Schienenbrüchen) und das „Schienenrätsel“, die Entstehung von Innenbrüchen des Schienenkopfes, die von manchen Seiten als eine Folge des Eisenbahnbetriebs angesehen wird, hat noch immer keine Lösung gefunden. Dem Vorkommen und der Beschreibung ihres Aussehens nach zu urteilen, sind sie auf ein mangelhaftes Schlußverfahren bei der Stahlbereitung und das von manchen amerikanischen Schienenwerken geübte Kaltwalzen zurückzuführen. Auch verlangt der in Amerika gebräuchliche harte Schienenstahl größere Sorgfalt bei seiner Erzeugung, welche Forderung im Widerspruch steht zu der dort von manchen Schienenwerken ins Riesenhafte gesteigerten Massenerzeugung, die bis zu 4000 t in 24 Stunden erreicht. Auf das Bedürfnis nach besserer Reinigung des Stahls weist die verhältnismäßig häufige Anwendung von Ferrotitan beim Schlußverfahren. Aber auch die in neueren Lieferungsvorschriften der amerikanischen Bahnverwaltungen enthaltenen Bestimmungen, die sich auf die Behandlung des Stahls in der Gußpfanne, beim Guß in die Formen, ferner auf die Behandlung der Blöcke in den Gußgruben, beim Transport in die Tieföfen, in diesen und dann bei ihrer Auswalzung zu Schienen beziehen, lassen das Bemühen erkennen, den Schienenstahl vor den nachteiligen Folgen eines überhasteten Betriebs möglichst zu bewahren.
Von nicht geringerem Interesse, wenngleich dermalen nur selten vorkommend, sind lokale Abschreckungen des Schienenstahls, wie sie durch Walzenkühlwasser oder als Folge eines schadhaften Daches, durch das das Regenwasser dringt, entstehen können. Obzwar in solchen Fällen schon das Grobgefüge gewisse Anhaltspunkte gibt und auch ein Versuch mit der Feile das Vorhandensein größerer Härte erkennen läßt, gibt doch die Mikrographie den sichersten Aufschluß, indem sie für vollständige Härtung (Martensit) sowie für eine solche, die durch Nachwärmen gemildert wurde (Troostit, Osmondit, Sorbit), untrügliche Merkmale liefert. Aber auch die chemische Untersuchung, der Prozentsatz an Härtungskohle im Gesamtkohlenstoff kann zur Bestätigung des ersten Befundes herangezogen werden.
Ein Großteil der im Eisenbahnbetrieb vorkommenden Schienenbrüche betrifft den Stoß. Sie gehen zumeist von den Bolzenlöchern der Schienen aus und haben, gleichbleibende Verhältnisse vorausgesetzt, annähernd gleiche Lage und Richtung. Obschon nun auch an solchen Stellen Materialfehler den Anlaß zu Schienenbrüchen gegeben haben, so waren sie doch
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Zitationshilfe: | Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen08_1917/348>, abgerufen am 22.07.2024. |