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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917.

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am häufigsten mit sich bringt. Allgemein bekannt sind die Quetschungen und Wunden der Finger und Hand, wie sie durch Einklemmen bei Fenster und Tür vorkommen; besonders gefährlich sind in dieser Beziehung die schweren, nach beiden Seiten zu öffnenden Türflügel. Ziemlich selten sind Verstauchungen des Handgelenks beim Öffnen schwer gehender Wagentüren, häufig Schnittwunden durch Fenster- und Lampenglassplitter, Quetschungen durch herabfallende Gepäckstücke, Zerrungen der Sprung- und Kniegelenke durch Abgleiten vom Trittbrett oder unvorsichtiges Abspringen u. s. w.

Schwerer einzuschätzen sind die Schädigungen, die durch Eingeklemmtwerden zwischen den Buffern entstehen und verschiedene Körperteile betreffen können. Bei Pressungen von Brust und Bauch kann sich (auch ohne sichtbare äußere Verletzung und ohne Läsion innerer Organe) ein eigentümliches Symptomenbild entwickeln, das unter dem Namen der Druckstauung oder Stauungsblutung (Perthes1, Braun2) bekannt ist. Infolge Zusammenpressens der Brust- und Bauchhöhle kommt es zu schweren Stauungen des (nach dem Herz gerichteten) venösen Blutstroms, der in rückläufiger Welle zur Überdehnung und Ruptur der kleinen Gefäße in den höher gelegenen Körperabschnitten führt. Brust, Hals, Nacken und Gesicht sind blauschwarz verfärbt, gedunsen und mit punktförmigen dunkelroten Blutaustritten bedeckt, die sich auch in der Schleimhaut des Mundes, der Nase und der Bindehaut des Auges vorfinden. Bei stärkerer und länger andauernder Kompression kann unmittelbarer Tod die Folge sein, andernfalls tritt oft überraschend schnell vollständige Wiederherstellung ein. Die gleichen Erscheinungen können durch Verschüttung, Einklemmungen aller Art, Quetschung im Menschengedränge hervorgerufen werden. Bei der ersten Hilfe ist auf erhöhte Lagerung des Oberkörpers und freie Atmung zu achten; sollte künstliche Atmung notwendig werden, so muß sie mit größter Vorsicht ausgeführt werden.

Eine spezifische Verletzung bietet das Überfahrenwerden, wobei ganze Gliedmaßen zwischen Radkante und Schiene förmlich abgeschnitten werden können. Diese schweren Verletzungen gehen in der Regel nur mit geringen Blutungen einher, weil sich die Fetzen der zerquetschten Gefäßhäute in die Lichtung hineinrollen und miteinander verflechten, so daß die Blutung unter gleichzeitiger Zusammenziehung der Gefäßmuskelhaut sowie Gerinnselbildung zum Stehen kommt. Bei länger dauernden Transporten ist jedoch immerhin Vorsicht geboten, da durch Kräftigerwerden der in der ersten Betäubung abgeschwächten Herztätigkeit doch wieder Blut aussickern kann; je nach der getroffenen Örtlichkeit empfiehlt sich dann vorbeugend ein Druckverband oder die zentrale Umschnürung.

Die schwersten Verletzungen werden durch Zusammenstöße und Entgleisungen gesetzt. Es kann sich dabei um eng begrenzte, tiefreichende und wichtige Gebilde, durchtrennende Stich- und Rißwunden durch Holz- und Metallsplitter handeln, um schwere offene Knochenbrüche und Verrenkungen, wie ausgedehnte Zerreißungen und Zermalmungen ganzer Körperabschnitte. Beim Lokomotivpersonal sind umfängliche Verbrühungen durch heißen Dampf keineswegs selten und noch furchtbarer sind die Verbrennungen, wenn die Wagentrümmer durch Entzünden des ausströmenden Gases in Brand geraten; besonders wichtig ist in derartigen Fällen das Vorhandensein von großen Verbandstücken, in die man rasch den Rumpf oder ganze Extremitäten einschlagen kann.

1. Der provisorische Wundverband hat folgende Aufgaben zu erfüllen: er darf die Wunde (durch die Beschaffenheit seines Materials) nicht selbst infizieren und sie überhaupt in keiner Weise schädigen; er muß sie vor jeder Verunreinigung von außen schützen und er soll der definitiven Versorgung durch den Facharzt in keiner Weise vorgreifen. All diesen Anforderungen entspricht einzig und allein das aseptische1 Verfahren, das darin besteht, daß alles, was mit der Wunde in Berührung kommt, vorher durch länger dauernde Einwirkung höherer Temperaturen keimfrei gemacht wird. Das in jeder Hinsicht beste Material zum Wundverband ist die weiße hydrophile Gaze2; sie kann durch 1/2stündiges Erhitzen auf 100° C leicht keimfrei gemacht werden, saugt gut auf und schmiegt sich weich an. Bedeckt man die Wunde mit einem derartigen sterilen, trockenen Mullstück, so kann sie dadurch niemals infiziert werden, und jede wie immer geartete sonstige Schädigung fällt weg; sorgfältige Befestigung der deckenden Gaze verhindert jede weitere Entblößung der Wunde und damit eine Infektion von außen und die Wunde wie ihre Umgebung werden in keiner Weise verändert. Selbstverständliche Voraussetzung ist dabei, daß die Wunde mit keinem in chirurgischem Sinn unreinen, d. h. nicht sterilen Gegenstand (Finger, Instrument) berührt wird.

Da ein Abschneiden der Gazestücke von größeren Ballen unzulässig ist, weil der Stoff dabei leicht infiziert werden kann, so muß der sterile Mull in Form von fertigen Einzelverbänden, deren Dimensionen den einzelnen Körperteilen anzupassen sind, vorrätig gehalten werden. Die Gazestücke müssen (zur Packung) so zusammengelegt sein, daß man sie entfalten und anlegen kann, ohne ihre innere Fläche, die auf die Wunde gelegt wird, irgendwie zu berühren. Derartige Einzelverbände gibt es heute in großer Zahl, ihr Vorbild war meist das Militärverbandpäckchen; am bekanntesten im Eisenbahn-Rettungsdienst sind die Untermöhlenschen Schnellverbände und Blumes Fingerling.

1 Dt. Ztschr. f. Chir. 1899, Bd. L, S. 436.
2 Ebenda, Bd. LI, S. 599.
1 a als Zeichen der Verneinung, septisch faulend, also: nicht fäulniserregend, keimfrei, steril.
2 v. Eiselsberg, Grundzüge und Vorschläge zur Vereinheitlichung des ersten Wundverbandes. Wr. kl. Wschr. 1913, Nr. 23.

am häufigsten mit sich bringt. Allgemein bekannt sind die Quetschungen und Wunden der Finger und Hand, wie sie durch Einklemmen bei Fenster und Tür vorkommen; besonders gefährlich sind in dieser Beziehung die schweren, nach beiden Seiten zu öffnenden Türflügel. Ziemlich selten sind Verstauchungen des Handgelenks beim Öffnen schwer gehender Wagentüren, häufig Schnittwunden durch Fenster- und Lampenglassplitter, Quetschungen durch herabfallende Gepäckstücke, Zerrungen der Sprung- und Kniegelenke durch Abgleiten vom Trittbrett oder unvorsichtiges Abspringen u. s. w.

Schwerer einzuschätzen sind die Schädigungen, die durch Eingeklemmtwerden zwischen den Buffern entstehen und verschiedene Körperteile betreffen können. Bei Pressungen von Brust und Bauch kann sich (auch ohne sichtbare äußere Verletzung und ohne Läsion innerer Organe) ein eigentümliches Symptomenbild entwickeln, das unter dem Namen der Druckstauung oder Stauungsblutung (Perthes1, Braun2) bekannt ist. Infolge Zusammenpressens der Brust- und Bauchhöhle kommt es zu schweren Stauungen des (nach dem Herz gerichteten) venösen Blutstroms, der in rückläufiger Welle zur Überdehnung und Ruptur der kleinen Gefäße in den höher gelegenen Körperabschnitten führt. Brust, Hals, Nacken und Gesicht sind blauschwarz verfärbt, gedunsen und mit punktförmigen dunkelroten Blutaustritten bedeckt, die sich auch in der Schleimhaut des Mundes, der Nase und der Bindehaut des Auges vorfinden. Bei stärkerer und länger andauernder Kompression kann unmittelbarer Tod die Folge sein, andernfalls tritt oft überraschend schnell vollständige Wiederherstellung ein. Die gleichen Erscheinungen können durch Verschüttung, Einklemmungen aller Art, Quetschung im Menschengedränge hervorgerufen werden. Bei der ersten Hilfe ist auf erhöhte Lagerung des Oberkörpers und freie Atmung zu achten; sollte künstliche Atmung notwendig werden, so muß sie mit größter Vorsicht ausgeführt werden.

Eine spezifische Verletzung bietet das Überfahrenwerden, wobei ganze Gliedmaßen zwischen Radkante und Schiene förmlich abgeschnitten werden können. Diese schweren Verletzungen gehen in der Regel nur mit geringen Blutungen einher, weil sich die Fetzen der zerquetschten Gefäßhäute in die Lichtung hineinrollen und miteinander verflechten, so daß die Blutung unter gleichzeitiger Zusammenziehung der Gefäßmuskelhaut sowie Gerinnselbildung zum Stehen kommt. Bei länger dauernden Transporten ist jedoch immerhin Vorsicht geboten, da durch Kräftigerwerden der in der ersten Betäubung abgeschwächten Herztätigkeit doch wieder Blut aussickern kann; je nach der getroffenen Örtlichkeit empfiehlt sich dann vorbeugend ein Druckverband oder die zentrale Umschnürung.

Die schwersten Verletzungen werden durch Zusammenstöße und Entgleisungen gesetzt. Es kann sich dabei um eng begrenzte, tiefreichende und wichtige Gebilde, durchtrennende Stich- und Rißwunden durch Holz- und Metallsplitter handeln, um schwere offene Knochenbrüche und Verrenkungen, wie ausgedehnte Zerreißungen und Zermalmungen ganzer Körperabschnitte. Beim Lokomotivpersonal sind umfängliche Verbrühungen durch heißen Dampf keineswegs selten und noch furchtbarer sind die Verbrennungen, wenn die Wagentrümmer durch Entzünden des ausströmenden Gases in Brand geraten; besonders wichtig ist in derartigen Fällen das Vorhandensein von großen Verbandstücken, in die man rasch den Rumpf oder ganze Extremitäten einschlagen kann.

1. Der provisorische Wundverband hat folgende Aufgaben zu erfüllen: er darf die Wunde (durch die Beschaffenheit seines Materials) nicht selbst infizieren und sie überhaupt in keiner Weise schädigen; er muß sie vor jeder Verunreinigung von außen schützen und er soll der definitiven Versorgung durch den Facharzt in keiner Weise vorgreifen. All diesen Anforderungen entspricht einzig und allein das aseptische1 Verfahren, das darin besteht, daß alles, was mit der Wunde in Berührung kommt, vorher durch länger dauernde Einwirkung höherer Temperaturen keimfrei gemacht wird. Das in jeder Hinsicht beste Material zum Wundverband ist die weiße hydrophile Gaze2; sie kann durch 1/2stündiges Erhitzen auf 100° C leicht keimfrei gemacht werden, saugt gut auf und schmiegt sich weich an. Bedeckt man die Wunde mit einem derartigen sterilen, trockenen Mullstück, so kann sie dadurch niemals infiziert werden, und jede wie immer geartete sonstige Schädigung fällt weg; sorgfältige Befestigung der deckenden Gaze verhindert jede weitere Entblößung der Wunde und damit eine Infektion von außen und die Wunde wie ihre Umgebung werden in keiner Weise verändert. Selbstverständliche Voraussetzung ist dabei, daß die Wunde mit keinem in chirurgischem Sinn unreinen, d. h. nicht sterilen Gegenstand (Finger, Instrument) berührt wird.

Da ein Abschneiden der Gazestücke von größeren Ballen unzulässig ist, weil der Stoff dabei leicht infiziert werden kann, so muß der sterile Mull in Form von fertigen Einzelverbänden, deren Dimensionen den einzelnen Körperteilen anzupassen sind, vorrätig gehalten werden. Die Gazestücke müssen (zur Packung) so zusammengelegt sein, daß man sie entfalten und anlegen kann, ohne ihre innere Fläche, die auf die Wunde gelegt wird, irgendwie zu berühren. Derartige Einzelverbände gibt es heute in großer Zahl, ihr Vorbild war meist das Militärverbandpäckchen; am bekanntesten im Eisenbahn-Rettungsdienst sind die Untermöhlenschen Schnellverbände und Blumes Fingerling.

1 Dt. Ztschr. f. Chir. 1899, Bd. L, S. 436.
2 Ebenda, Bd. LI, S. 599.
1 α als Zeichen der Verneinung, septisch faulend, also: nicht fäulniserregend, keimfrei, steril.
2 v. Eiselsberg, Grundzüge und Vorschläge zur Vereinheitlichung des ersten Wundverbandes. Wr. kl. Wschr. 1913, Nr. 23.
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[199/0213] am häufigsten mit sich bringt. Allgemein bekannt sind die Quetschungen und Wunden der Finger und Hand, wie sie durch Einklemmen bei Fenster und Tür vorkommen; besonders gefährlich sind in dieser Beziehung die schweren, nach beiden Seiten zu öffnenden Türflügel. Ziemlich selten sind Verstauchungen des Handgelenks beim Öffnen schwer gehender Wagentüren, häufig Schnittwunden durch Fenster- und Lampenglassplitter, Quetschungen durch herabfallende Gepäckstücke, Zerrungen der Sprung- und Kniegelenke durch Abgleiten vom Trittbrett oder unvorsichtiges Abspringen u. s. w. Schwerer einzuschätzen sind die Schädigungen, die durch Eingeklemmtwerden zwischen den Buffern entstehen und verschiedene Körperteile betreffen können. Bei Pressungen von Brust und Bauch kann sich (auch ohne sichtbare äußere Verletzung und ohne Läsion innerer Organe) ein eigentümliches Symptomenbild entwickeln, das unter dem Namen der Druckstauung oder Stauungsblutung (Perthes 1, Braun 2) bekannt ist. Infolge Zusammenpressens der Brust- und Bauchhöhle kommt es zu schweren Stauungen des (nach dem Herz gerichteten) venösen Blutstroms, der in rückläufiger Welle zur Überdehnung und Ruptur der kleinen Gefäße in den höher gelegenen Körperabschnitten führt. Brust, Hals, Nacken und Gesicht sind blauschwarz verfärbt, gedunsen und mit punktförmigen dunkelroten Blutaustritten bedeckt, die sich auch in der Schleimhaut des Mundes, der Nase und der Bindehaut des Auges vorfinden. Bei stärkerer und länger andauernder Kompression kann unmittelbarer Tod die Folge sein, andernfalls tritt oft überraschend schnell vollständige Wiederherstellung ein. Die gleichen Erscheinungen können durch Verschüttung, Einklemmungen aller Art, Quetschung im Menschengedränge hervorgerufen werden. Bei der ersten Hilfe ist auf erhöhte Lagerung des Oberkörpers und freie Atmung zu achten; sollte künstliche Atmung notwendig werden, so muß sie mit größter Vorsicht ausgeführt werden. Eine spezifische Verletzung bietet das Überfahrenwerden, wobei ganze Gliedmaßen zwischen Radkante und Schiene förmlich abgeschnitten werden können. Diese schweren Verletzungen gehen in der Regel nur mit geringen Blutungen einher, weil sich die Fetzen der zerquetschten Gefäßhäute in die Lichtung hineinrollen und miteinander verflechten, so daß die Blutung unter gleichzeitiger Zusammenziehung der Gefäßmuskelhaut sowie Gerinnselbildung zum Stehen kommt. Bei länger dauernden Transporten ist jedoch immerhin Vorsicht geboten, da durch Kräftigerwerden der in der ersten Betäubung abgeschwächten Herztätigkeit doch wieder Blut aussickern kann; je nach der getroffenen Örtlichkeit empfiehlt sich dann vorbeugend ein Druckverband oder die zentrale Umschnürung. Die schwersten Verletzungen werden durch Zusammenstöße und Entgleisungen gesetzt. Es kann sich dabei um eng begrenzte, tiefreichende und wichtige Gebilde, durchtrennende Stich- und Rißwunden durch Holz- und Metallsplitter handeln, um schwere offene Knochenbrüche und Verrenkungen, wie ausgedehnte Zerreißungen und Zermalmungen ganzer Körperabschnitte. Beim Lokomotivpersonal sind umfängliche Verbrühungen durch heißen Dampf keineswegs selten und noch furchtbarer sind die Verbrennungen, wenn die Wagentrümmer durch Entzünden des ausströmenden Gases in Brand geraten; besonders wichtig ist in derartigen Fällen das Vorhandensein von großen Verbandstücken, in die man rasch den Rumpf oder ganze Extremitäten einschlagen kann. 1. Der provisorische Wundverband hat folgende Aufgaben zu erfüllen: er darf die Wunde (durch die Beschaffenheit seines Materials) nicht selbst infizieren und sie überhaupt in keiner Weise schädigen; er muß sie vor jeder Verunreinigung von außen schützen und er soll der definitiven Versorgung durch den Facharzt in keiner Weise vorgreifen. All diesen Anforderungen entspricht einzig und allein das aseptische 1 Verfahren, das darin besteht, daß alles, was mit der Wunde in Berührung kommt, vorher durch länger dauernde Einwirkung höherer Temperaturen keimfrei gemacht wird. Das in jeder Hinsicht beste Material zum Wundverband ist die weiße hydrophile Gaze 2; sie kann durch 1/2stündiges Erhitzen auf 100° C leicht keimfrei gemacht werden, saugt gut auf und schmiegt sich weich an. Bedeckt man die Wunde mit einem derartigen sterilen, trockenen Mullstück, so kann sie dadurch niemals infiziert werden, und jede wie immer geartete sonstige Schädigung fällt weg; sorgfältige Befestigung der deckenden Gaze verhindert jede weitere Entblößung der Wunde und damit eine Infektion von außen und die Wunde wie ihre Umgebung werden in keiner Weise verändert. Selbstverständliche Voraussetzung ist dabei, daß die Wunde mit keinem in chirurgischem Sinn unreinen, d. h. nicht sterilen Gegenstand (Finger, Instrument) berührt wird. Da ein Abschneiden der Gazestücke von größeren Ballen unzulässig ist, weil der Stoff dabei leicht infiziert werden kann, so muß der sterile Mull in Form von fertigen Einzelverbänden, deren Dimensionen den einzelnen Körperteilen anzupassen sind, vorrätig gehalten werden. Die Gazestücke müssen (zur Packung) so zusammengelegt sein, daß man sie entfalten und anlegen kann, ohne ihre innere Fläche, die auf die Wunde gelegt wird, irgendwie zu berühren. Derartige Einzelverbände gibt es heute in großer Zahl, ihr Vorbild war meist das Militärverbandpäckchen; am bekanntesten im Eisenbahn-Rettungsdienst sind die Untermöhlenschen Schnellverbände und Blumes Fingerling. 1 Dt. Ztschr. f. Chir. 1899, Bd. L, S. 436. 2 Ebenda, Bd. LI, S. 599. 1 α als Zeichen der Verneinung, septisch faulend, also: nicht fäulniserregend, keimfrei, steril. 2 v. Eiselsberg, Grundzüge und Vorschläge zur Vereinheitlichung des ersten Wundverbandes. Wr. kl. Wschr. 1913, Nr. 23.

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen08_1917/213>, abgerufen am 02.10.2024.