Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 7. Berlin, Wien, 1915.des Steinmaterials am Ortpfeiler vom künstlerischen Gesichtspunkt aus sehr wünschenswert. Zu ähnlichen Mißgriffen wie bei den Brücken gab die Ausbildung der Tunnelportale Veranlassung. Hier wie dort nahm man sich mittelalterliche Burgtore zum Vorbild, nur daß sie hier noch sinnwidriger wirkten. Aber neben der Sinnwidrigkeit hat solche Architektur auch ästhetische Unmöglichkeiten an sich. Die zierlichen unruhigen Formen der Zinnen, Schießscharten und Wehrtürmchen bilden einen unerträglichen Gegensatz zu den großen Linien der Tunnelöffnung und den einfach-ruhigen Flächen der anschließenden Bergböschungen. Hier ist der Beton ohne Zweifel ein technisch und künstlerisch sehr geeignetes Material. Vermöge der Eigenart seiner Herstellungsweise gestattet er eine flächige Gliederung der glatten Mauern und eine einfach-große Profilierung der Gesimse und Umrahmungen; Eigenschaften, die für eine gute Wirkung solcher Architekturen unbedingt erforderlich, aber in anderem Material nur mit wesentlich größeren Kosten zu erreichen sind. 3. Betriebsmittel. Als neuestes Gebiet hat sich die Kunst im Eisenbahnbau auch die Betriebsmittel erobert. Obwohl seit jeher die künstlerischen Mängel beim Bau der Eisenbahnwagen besonders an deren innerer Einrichtung vielfach berechtigten Anstoß erregten, betrachtete man dieses Gebiet lange Zeit hindurch als ausschließliche Domäne des Maschinen- und Wagenbauers. Erst mit dem Fortschreiten des Kunstgewerbes wurde man sich bewußt, daß ebenso gut wie die Kammern eines Arbeiters oder die Kabinen des kleinsten Alpenseedampfers auch die Abteile eines internationalen Eisenbahnzugs eine künstlerische Gestaltung erfordern. Diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen, ist seit einigen Jahren das eifrige Bestreben der Eisenbahnverwaltungen. So hat z. B. die württembergische Verwaltung vor kurzem nach den Entwürfen des bekannten Stuttgarter Künstlers Rochga einen Musterwagen ausführen lassen, der auf der Kölner Werkbundausstellung im Jahre 1914 zu sehen war. In diesem Musterwaggon hat ein auserlesener Geschmack die Farben der Wände und Decken, der Stoffbezüge und der Beschläge sowie alle sonstigen Einzelheiten so zusammengestimmt, daß ein harmonischer Gesamteindruck entstand; dabei ist keine Verschwendung mit Raum oder Material getrieben und den Forderungen des praktischen Gebrauches sorgfältig Rechnung getragen. Bei der 1914 eröffneten elektrischen Bahn Wien-Preßburg wurde zum erstenmal in Österreich die architektonische Ausgestaltung der Wagen einem fachkundigen Künstler anvertraut. Die Bauformen der Innen- und Außenverkleidung, Farbenzusammenstellung, die Formgebung der Sitze, Wahl der Holzsorten rühren von dem Architekten Otto Wagner her. Die Träger der Betriebskraft, die Lokomotiven, unterliegen naturgemäß weniger der künstlerischen Formung. Trotzdem ist nicht zu verkennen, daß auch im Lokomotivbau der moderne Geschmack mit seiner Vorliebe für das konstruktiv Wahre und Großzügige Eingang gefunden hat. Die neuesten Schnellzuglokomotiven sind eigentlich nicht schön zu nennen: das unverhältnismäßig hohe Radgestell und die infolgedessen kurz gewordenen Schlote stehen in keinem guten Verhältnis zu den mächtigen Abmessungen des Kessels. Trotzdem nötigen sie vermöge ihrer monumentalen Gesamtdimensionen sowie verschiedener Einzelheiten auch dem Ästhetiker Achtung ab. 4. Sonstige Anlagen. Was die Signalmasten, Lampenmasten, Wasserkranen, Aufschriftenständer u. dgl. betrifft, die mit dem Betrieb in unmittelbarem Zusammenhang stehen, so ist die Überzeugung heute wohl allgemein, daß diese Anlagen, um gut zu wirken, so schlicht wie möglich ausgebildet werden sollten, daß für sie weder die Architektur korinthischer Säulen, noch das naturalistische Geranke eines Baumstamms sich eignen. Vielmehr müssen glatte Schäfte mit möglichst wenig Gliederung, sowie entsprechende Anordnung der Gesamtlinie gewählt werden. Da solche Formen dem Eisenbeton besonders liegen, ist dessen häufige Verwendung hierfür und Bevorzugung gegenüber dem spröderen Material des Eisens erklärlich. Fuchs. Kuhfänger, s. Bahnräumer u. Lokomotive. Kunz, Karl Theodor, geb. zu Dresden 1791, gestorben 1863 daselbst, widmete sich zunächst dem Militärdienst, nahm aber 1828 als Hauptmann der Artillerie den Abschied und wurde kgl. sächsischer Wasserbaudirektor. In dieser Stellung entwarf er, nachdem er 1833 und 1834 in England eingehende Studien über das Eisenbahnwesen gemacht hatte, die Pläne für die Linie Leipzig-Dresden. Sein Entwurf wurde mit nur geringen Abänderungen angenommen und man übertrug ihm die Bauleitung. Nach Fertigstellung des Baues der Leipzig-Dresdener Bahn übernahm K. die Leitung des Baues der Leipzig-Hofer Linie und wurde 1844 zur Oberleitung des Eisenbahnwesens im Königreich Sachsen in das Finanzministerium berufen. des Steinmaterials am Ortpfeiler vom künstlerischen Gesichtspunkt aus sehr wünschenswert. Zu ähnlichen Mißgriffen wie bei den Brücken gab die Ausbildung der Tunnelportale Veranlassung. Hier wie dort nahm man sich mittelalterliche Burgtore zum Vorbild, nur daß sie hier noch sinnwidriger wirkten. Aber neben der Sinnwidrigkeit hat solche Architektur auch ästhetische Unmöglichkeiten an sich. Die zierlichen unruhigen Formen der Zinnen, Schießscharten und Wehrtürmchen bilden einen unerträglichen Gegensatz zu den großen Linien der Tunnelöffnung und den einfach-ruhigen Flächen der anschließenden Bergböschungen. Hier ist der Beton ohne Zweifel ein technisch und künstlerisch sehr geeignetes Material. Vermöge der Eigenart seiner Herstellungsweise gestattet er eine flächige Gliederung der glatten Mauern und eine einfach-große Profilierung der Gesimse und Umrahmungen; Eigenschaften, die für eine gute Wirkung solcher Architekturen unbedingt erforderlich, aber in anderem Material nur mit wesentlich größeren Kosten zu erreichen sind. 3. Betriebsmittel. Als neuestes Gebiet hat sich die Kunst im Eisenbahnbau auch die Betriebsmittel erobert. Obwohl seit jeher die künstlerischen Mängel beim Bau der Eisenbahnwagen besonders an deren innerer Einrichtung vielfach berechtigten Anstoß erregten, betrachtete man dieses Gebiet lange Zeit hindurch als ausschließliche Domäne des Maschinen- und Wagenbauers. Erst mit dem Fortschreiten des Kunstgewerbes wurde man sich bewußt, daß ebenso gut wie die Kammern eines Arbeiters oder die Kabinen des kleinsten Alpenseedampfers auch die Abteile eines internationalen Eisenbahnzugs eine künstlerische Gestaltung erfordern. Diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen, ist seit einigen Jahren das eifrige Bestreben der Eisenbahnverwaltungen. So hat z. B. die württembergische Verwaltung vor kurzem nach den Entwürfen des bekannten Stuttgarter Künstlers Rochga einen Musterwagen ausführen lassen, der auf der Kölner Werkbundausstellung im Jahre 1914 zu sehen war. In diesem Musterwaggon hat ein auserlesener Geschmack die Farben der Wände und Decken, der Stoffbezüge und der Beschläge sowie alle sonstigen Einzelheiten so zusammengestimmt, daß ein harmonischer Gesamteindruck entstand; dabei ist keine Verschwendung mit Raum oder Material getrieben und den Forderungen des praktischen Gebrauches sorgfältig Rechnung getragen. Bei der 1914 eröffneten elektrischen Bahn Wien-Preßburg wurde zum erstenmal in Österreich die architektonische Ausgestaltung der Wagen einem fachkundigen Künstler anvertraut. Die Bauformen der Innen- und Außenverkleidung, Farbenzusammenstellung, die Formgebung der Sitze, Wahl der Holzsorten rühren von dem Architekten Otto Wagner her. Die Träger der Betriebskraft, die Lokomotiven, unterliegen naturgemäß weniger der künstlerischen Formung. Trotzdem ist nicht zu verkennen, daß auch im Lokomotivbau der moderne Geschmack mit seiner Vorliebe für das konstruktiv Wahre und Großzügige Eingang gefunden hat. Die neuesten Schnellzuglokomotiven sind eigentlich nicht schön zu nennen: das unverhältnismäßig hohe Radgestell und die infolgedessen kurz gewordenen Schlote stehen in keinem guten Verhältnis zu den mächtigen Abmessungen des Kessels. Trotzdem nötigen sie vermöge ihrer monumentalen Gesamtdimensionen sowie verschiedener Einzelheiten auch dem Ästhetiker Achtung ab. 4. Sonstige Anlagen. Was die Signalmasten, Lampenmasten, Wasserkranen, Aufschriftenständer u. dgl. betrifft, die mit dem Betrieb in unmittelbarem Zusammenhang stehen, so ist die Überzeugung heute wohl allgemein, daß diese Anlagen, um gut zu wirken, so schlicht wie möglich ausgebildet werden sollten, daß für sie weder die Architektur korinthischer Säulen, noch das naturalistische Geranke eines Baumstamms sich eignen. Vielmehr müssen glatte Schäfte mit möglichst wenig Gliederung, sowie entsprechende Anordnung der Gesamtlinie gewählt werden. Da solche Formen dem Eisenbeton besonders liegen, ist dessen häufige Verwendung hierfür und Bevorzugung gegenüber dem spröderen Material des Eisens erklärlich. Fuchs. Kuhfänger, s. Bahnräumer u. Lokomotive. Kunz, Karl Theodor, geb. zu Dresden 1791, gestorben 1863 daselbst, widmete sich zunächst dem Militärdienst, nahm aber 1828 als Hauptmann der Artillerie den Abschied und wurde kgl. sächsischer Wasserbaudirektor. In dieser Stellung entwarf er, nachdem er 1833 und 1834 in England eingehende Studien über das Eisenbahnwesen gemacht hatte, die Pläne für die Linie Leipzig-Dresden. Sein Entwurf wurde mit nur geringen Abänderungen angenommen und man übertrug ihm die Bauleitung. Nach Fertigstellung des Baues der Leipzig-Dresdener Bahn übernahm K. die Leitung des Baues der Leipzig-Hofer Linie und wurde 1844 zur Oberleitung des Eisenbahnwesens im Königreich Sachsen in das Finanzministerium berufen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="lexiconEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0024" n="16"/> des Steinmaterials am Ortpfeiler vom künstlerischen Gesichtspunkt aus sehr wünschenswert.</p><lb/> <p>Zu ähnlichen Mißgriffen wie bei den Brücken gab die Ausbildung der <hi rendition="#g">Tunnelportale</hi> Veranlassung. Hier wie dort nahm man sich mittelalterliche Burgtore zum Vorbild, nur daß sie hier noch sinnwidriger wirkten. Aber neben der Sinnwidrigkeit hat solche Architektur auch ästhetische Unmöglichkeiten an sich. Die zierlichen unruhigen Formen der Zinnen, Schießscharten und Wehrtürmchen bilden einen unerträglichen Gegensatz zu den großen Linien der Tunnelöffnung und den einfach-ruhigen Flächen der anschließenden Bergböschungen. Hier ist der Beton ohne Zweifel ein technisch und künstlerisch sehr geeignetes Material. Vermöge der Eigenart seiner Herstellungsweise gestattet er eine flächige Gliederung der glatten Mauern und eine einfach-große Profilierung der Gesimse und Umrahmungen; Eigenschaften, die für eine gute Wirkung solcher Architekturen unbedingt erforderlich, aber in anderem Material nur mit wesentlich größeren Kosten zu erreichen sind.</p><lb/> <p rendition="#c">3<hi rendition="#g">. Betriebsmittel</hi>.</p><lb/> <p>Als neuestes Gebiet hat sich die Kunst im Eisenbahnbau auch die <hi rendition="#g">Betriebsmittel</hi> erobert. Obwohl seit jeher die künstlerischen Mängel beim Bau der Eisenbahnwagen besonders an deren innerer Einrichtung vielfach berechtigten Anstoß erregten, betrachtete man dieses Gebiet lange Zeit hindurch als ausschließliche Domäne des Maschinen- und Wagenbauers. Erst mit dem Fortschreiten des Kunstgewerbes wurde man sich bewußt, daß ebenso gut wie die Kammern eines Arbeiters oder die Kabinen des kleinsten Alpenseedampfers auch die Abteile eines internationalen Eisenbahnzugs eine künstlerische Gestaltung erfordern. Diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen, ist seit einigen Jahren das eifrige Bestreben der Eisenbahnverwaltungen. So hat z. B. die württembergische Verwaltung vor kurzem nach den Entwürfen des bekannten Stuttgarter Künstlers Rochga einen Musterwagen ausführen lassen, der auf der Kölner Werkbundausstellung im Jahre 1914 zu sehen war. In diesem Musterwaggon hat ein auserlesener Geschmack die Farben der Wände und Decken, der Stoffbezüge und der Beschläge sowie alle sonstigen Einzelheiten so zusammengestimmt, daß ein harmonischer Gesamteindruck entstand; dabei ist keine Verschwendung mit Raum oder Material getrieben und den Forderungen des praktischen Gebrauches sorgfältig Rechnung getragen. Bei der 1914 eröffneten elektrischen Bahn Wien-Preßburg wurde zum erstenmal in Österreich die architektonische Ausgestaltung der Wagen einem fachkundigen Künstler anvertraut. Die Bauformen der Innen- und Außenverkleidung, Farbenzusammenstellung, die Formgebung der Sitze, Wahl der Holzsorten rühren von dem Architekten Otto Wagner her.</p><lb/> <p>Die Träger der Betriebskraft, die <hi rendition="#g">Lokomotiven</hi>, unterliegen naturgemäß weniger der künstlerischen Formung. Trotzdem ist nicht zu verkennen, daß auch im Lokomotivbau der moderne Geschmack mit seiner Vorliebe für das konstruktiv Wahre und Großzügige Eingang gefunden hat. Die neuesten Schnellzuglokomotiven sind eigentlich nicht schön zu nennen: das unverhältnismäßig hohe Radgestell und die infolgedessen kurz gewordenen Schlote stehen in keinem guten Verhältnis zu den mächtigen Abmessungen des Kessels. 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Nach Fertigstellung des Baues der Leipzig-Dresdener Bahn übernahm K. die Leitung des Baues der Leipzig-Hofer Linie und wurde 1844 zur Oberleitung des Eisenbahnwesens im Königreich Sachsen in das Finanzministerium berufen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0024]
des Steinmaterials am Ortpfeiler vom künstlerischen Gesichtspunkt aus sehr wünschenswert.
Zu ähnlichen Mißgriffen wie bei den Brücken gab die Ausbildung der Tunnelportale Veranlassung. Hier wie dort nahm man sich mittelalterliche Burgtore zum Vorbild, nur daß sie hier noch sinnwidriger wirkten. Aber neben der Sinnwidrigkeit hat solche Architektur auch ästhetische Unmöglichkeiten an sich. Die zierlichen unruhigen Formen der Zinnen, Schießscharten und Wehrtürmchen bilden einen unerträglichen Gegensatz zu den großen Linien der Tunnelöffnung und den einfach-ruhigen Flächen der anschließenden Bergböschungen. Hier ist der Beton ohne Zweifel ein technisch und künstlerisch sehr geeignetes Material. Vermöge der Eigenart seiner Herstellungsweise gestattet er eine flächige Gliederung der glatten Mauern und eine einfach-große Profilierung der Gesimse und Umrahmungen; Eigenschaften, die für eine gute Wirkung solcher Architekturen unbedingt erforderlich, aber in anderem Material nur mit wesentlich größeren Kosten zu erreichen sind.
3. Betriebsmittel.
Als neuestes Gebiet hat sich die Kunst im Eisenbahnbau auch die Betriebsmittel erobert. Obwohl seit jeher die künstlerischen Mängel beim Bau der Eisenbahnwagen besonders an deren innerer Einrichtung vielfach berechtigten Anstoß erregten, betrachtete man dieses Gebiet lange Zeit hindurch als ausschließliche Domäne des Maschinen- und Wagenbauers. Erst mit dem Fortschreiten des Kunstgewerbes wurde man sich bewußt, daß ebenso gut wie die Kammern eines Arbeiters oder die Kabinen des kleinsten Alpenseedampfers auch die Abteile eines internationalen Eisenbahnzugs eine künstlerische Gestaltung erfordern. Diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen, ist seit einigen Jahren das eifrige Bestreben der Eisenbahnverwaltungen. So hat z. B. die württembergische Verwaltung vor kurzem nach den Entwürfen des bekannten Stuttgarter Künstlers Rochga einen Musterwagen ausführen lassen, der auf der Kölner Werkbundausstellung im Jahre 1914 zu sehen war. In diesem Musterwaggon hat ein auserlesener Geschmack die Farben der Wände und Decken, der Stoffbezüge und der Beschläge sowie alle sonstigen Einzelheiten so zusammengestimmt, daß ein harmonischer Gesamteindruck entstand; dabei ist keine Verschwendung mit Raum oder Material getrieben und den Forderungen des praktischen Gebrauches sorgfältig Rechnung getragen. Bei der 1914 eröffneten elektrischen Bahn Wien-Preßburg wurde zum erstenmal in Österreich die architektonische Ausgestaltung der Wagen einem fachkundigen Künstler anvertraut. Die Bauformen der Innen- und Außenverkleidung, Farbenzusammenstellung, die Formgebung der Sitze, Wahl der Holzsorten rühren von dem Architekten Otto Wagner her.
Die Träger der Betriebskraft, die Lokomotiven, unterliegen naturgemäß weniger der künstlerischen Formung. Trotzdem ist nicht zu verkennen, daß auch im Lokomotivbau der moderne Geschmack mit seiner Vorliebe für das konstruktiv Wahre und Großzügige Eingang gefunden hat. Die neuesten Schnellzuglokomotiven sind eigentlich nicht schön zu nennen: das unverhältnismäßig hohe Radgestell und die infolgedessen kurz gewordenen Schlote stehen in keinem guten Verhältnis zu den mächtigen Abmessungen des Kessels. Trotzdem nötigen sie vermöge ihrer monumentalen Gesamtdimensionen sowie verschiedener Einzelheiten auch dem Ästhetiker Achtung ab.
4. Sonstige Anlagen.
Was die Signalmasten, Lampenmasten, Wasserkranen, Aufschriftenständer u. dgl. betrifft, die mit dem Betrieb in unmittelbarem Zusammenhang stehen, so ist die Überzeugung heute wohl allgemein, daß diese Anlagen, um gut zu wirken, so schlicht wie möglich ausgebildet werden sollten, daß für sie weder die Architektur korinthischer Säulen, noch das naturalistische Geranke eines Baumstamms sich eignen. Vielmehr müssen glatte Schäfte mit möglichst wenig Gliederung, sowie entsprechende Anordnung der Gesamtlinie gewählt werden. Da solche Formen dem Eisenbeton besonders liegen, ist dessen häufige Verwendung hierfür und Bevorzugung gegenüber dem spröderen Material des Eisens erklärlich.
Fuchs.
Kuhfänger, s. Bahnräumer u. Lokomotive.
Kunz, Karl Theodor, geb. zu Dresden 1791, gestorben 1863 daselbst, widmete sich zunächst dem Militärdienst, nahm aber 1828 als Hauptmann der Artillerie den Abschied und wurde kgl. sächsischer Wasserbaudirektor. In dieser Stellung entwarf er, nachdem er 1833 und 1834 in England eingehende Studien über das Eisenbahnwesen gemacht hatte, die Pläne für die Linie Leipzig-Dresden. Sein Entwurf wurde mit nur geringen Abänderungen angenommen und man übertrug ihm die Bauleitung. Nach Fertigstellung des Baues der Leipzig-Dresdener Bahn übernahm K. die Leitung des Baues der Leipzig-Hofer Linie und wurde 1844 zur Oberleitung des Eisenbahnwesens im Königreich Sachsen in das Finanzministerium berufen.
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Zitationshilfe: | Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 7. Berlin, Wien, 1915, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen07_1915/24>, abgerufen am 05.07.2024. |