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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 5. Berlin, Wien, 1914.

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oder so, daß man ihn nur für die weitere Transportstrecke einrechnet und an den nach dem ersten Einheitssatz gebildeten Frachtsatz der Anfangsstrecke anstößt. Also z. B. für die ersten 100 km beträgt der Einheitssatz für das tkm 5 Pf., für mehr als 100 km beträgt der Satz für das tkm 4 Pf., u. zw. entweder so, daß für 101 km 101 x 4 Pf. oder daß 100 x 5 Pf. + 1 x 4 Pf. berechnet werden. Letztere Berechnung, obschon anscheinend verwickelter, ist vorzuziehen, einmal weil die Ermäßigung allmählicher erfolgt und zweitens, weil Schwierigkeiten in tariftechnischer Beziehung vermieden werden. Im ersten Falle erhalten nämlich die Transporte auf 101 km einen billigeren Satz als die auf kürzere Entfernungen (4 x 101 = 404 Pf., während 5 x 100 = 500 Pf. ist). Dann muß entweder die Entfernung über 100 km den höheren Satz für 100 km solange annehmen, bis durch die Multiplikaton mit 4 ein höherer Satz herauskommt, also hier bis 126 km, oder die Entfernung unter 101 km den Satz von 101 km, bis bei der regelrechten Berechnung ein niedriger Satz sich ergibt, also hier bis 80 km herab. Beide Arten der Ausgleichung bringen aber gleiche Frachten für verschiedene Entfernungen, also eine Abweichung von dem Grundsatz, wonach die Transportpreise mit der Entfernung wachsen, und außerdem tariftechnische Schwierigkeiten mit sich, namentlich auch bei Bildung direkter Tarife und bei der Anteilsausscheidung.

Eine derartige Tarifbildung nach Staffeln kann sowohl bei den regelmäßigen als bei den Ausnahmetarifen vorkommen. Sie wird auch als absolut differentielle Tarifbildung bezeichnet, weil hier in demselben Tarif bei verschiedenen Transportlängen verschieden hohe Einheitssätze eingerechnet werden. Dagegen liegt eine relativ differentielle Tarifbildung dann vor, wenn eine ungleichmäßige Tariffestsetzung in zwei verschiedenen Tarifen sich findet, weil sich eine solche dann erst durch Vergleichung der beiden Tarife ergibt. Eine relativ differentielle Tarifbildung kann sich aus Vergleichung zweier regelmäßiger Tarife ergeben, wenn diese zwei unter verschiedener Verwaltung stehenden Eisenbahnen angehören oder auch wenn es sich um einen Lokaltarif und einen direkten oder Verbandtarif handelt, die in bezug auf Klassifikation der Güter oder die Einheitssätze nicht übereinstimmen. Wenn aber beide Tarife innerhalb derselben Eisenbahnverwaltung oder desselben Eisenbahnverbands in Gültigkeit sind, so ist der von dem regelmäßigen Tarif abweichende Tarif ein Differentialtarif im engeren Sinne, gleichbedeutend mit Ausnahmetarif. Solche Ausnahmetarife können aus verschiedenen Gründen eingeführt werden, u. zw.:

a) Aus Wettbewerbsrücksichten. Der Wettbewerb kann sich auf die Beförderungswege erstrecken, also zwei Eisenbahnen gegeneinander oder eine Eisenbahn gegen ein anderes Verkehrsmittel, insbesondere den Wasserweg. In diesen Fällen werden häufig, um den Verkehr nicht zu verlieren oder neuen zu gewinnen, die Tarife in den Mitbewerbsstationen, d. h. den Knotenpunkten der konkurrierenden Verkehrsmittel herabgesetzt; hierdurch entsteht natürlich eine große Zahl von Differentialtarifen. Mindestens aber müssen die längeren und teureren Transportwege, wenn sie Verkehr haben wollen, die Frachtsätze der kürzesten oder billigsten annehmen. Hierdurch ergeben sich verschieden hohe Einheitssätze nicht nur auf den verschiedenen Transportwegen, sondern auch gegenüber den übrigen nicht im Wettbewerb stehenden Stationen in demselben Eisenbahngebiet. Hierher gehören auch die Richtungs- und Saisontarife, die namentlich gegenüber den Wasserstraßen angewendet werden. Unter Richtungstarifen versteht man solche Tarife, die nur in einer Richtung, z. B. flußabwärts, auf einer dem Fluß parallel laufenden Eisenbahn gelten, Saisontarife sind solche, die nur für einen Teil des Jahres, z. B. nur für den Sommer eingeführt sind, weil im Winter der Wasserweg nicht wettbewerbsfähig ist.

Außer diesem Wettbewerb der Transportwege kann aber auch die Konkurrenz der Produktionsgebiete auf einem bestimmten Absatzmarkt zu solchen Ausnahmetarifen führen, z. B. sind ermäßigte Ausnahmetarife für Getreide von Ungarn nach der Schweiz weniger wegen des Wettbewerbs der Transportwege eingeführt, als wegen der Konkurrenz des russischen und amerikanischen Getreides auf dem schweizerischen Markt. Endlich können Konkurrenzen einzelner Stationen, insbesondere Hafenstationen, vorliegen, wobei allerdings der Wettbewerb der an den verschiedenen Häfen beteiligten Transportwege mit in Frage kommt.

b) Abgesehen von den verschiedenen Fällen der Konkurrenz können aber Ausnahmetarife auch aus anderen Gründen zur Einführung gelangen. Insbesondere ist das Bestreben der Eisenbahnen, den Verkehr zu erhöhen, ein Gut auf weitere Entfernung oder nach einem bestimmten Punkt hin transportfähig zu machen, seinen Absatz zu erweitern, oft der Grund hierfür gewesen. Hierher gehören vor allem die Einfuhr- und die Ausfuhrtarife, d. h. ermäßigte

oder so, daß man ihn nur für die weitere Transportstrecke einrechnet und an den nach dem ersten Einheitssatz gebildeten Frachtsatz der Anfangsstrecke anstößt. Also z. B. für die ersten 100 km beträgt der Einheitssatz für das tkm 5 Pf., für mehr als 100 km beträgt der Satz für das tkm 4 Pf., u. zw. entweder so, daß für 101 km 101 × 4 Pf. oder daß 100 × 5 Pf. + 1 × 4 Pf. berechnet werden. Letztere Berechnung, obschon anscheinend verwickelter, ist vorzuziehen, einmal weil die Ermäßigung allmählicher erfolgt und zweitens, weil Schwierigkeiten in tariftechnischer Beziehung vermieden werden. Im ersten Falle erhalten nämlich die Transporte auf 101 km einen billigeren Satz als die auf kürzere Entfernungen (4 × 101 = 404 Pf., während 5 × 100 = 500 Pf. ist). Dann muß entweder die Entfernung über 100 km den höheren Satz für 100 km solange annehmen, bis durch die Multiplikaton mit 4 ein höherer Satz herauskommt, also hier bis 126 km, oder die Entfernung unter 101 km den Satz von 101 km, bis bei der regelrechten Berechnung ein niedriger Satz sich ergibt, also hier bis 80 km herab. Beide Arten der Ausgleichung bringen aber gleiche Frachten für verschiedene Entfernungen, also eine Abweichung von dem Grundsatz, wonach die Transportpreise mit der Entfernung wachsen, und außerdem tariftechnische Schwierigkeiten mit sich, namentlich auch bei Bildung direkter Tarife und bei der Anteilsausscheidung.

Eine derartige Tarifbildung nach Staffeln kann sowohl bei den regelmäßigen als bei den Ausnahmetarifen vorkommen. Sie wird auch als absolut differentielle Tarifbildung bezeichnet, weil hier in demselben Tarif bei verschiedenen Transportlängen verschieden hohe Einheitssätze eingerechnet werden. Dagegen liegt eine relativ differentielle Tarifbildung dann vor, wenn eine ungleichmäßige Tariffestsetzung in zwei verschiedenen Tarifen sich findet, weil sich eine solche dann erst durch Vergleichung der beiden Tarife ergibt. Eine relativ differentielle Tarifbildung kann sich aus Vergleichung zweier regelmäßiger Tarife ergeben, wenn diese zwei unter verschiedener Verwaltung stehenden Eisenbahnen angehören oder auch wenn es sich um einen Lokaltarif und einen direkten oder Verbandtarif handelt, die in bezug auf Klassifikation der Güter oder die Einheitssätze nicht übereinstimmen. Wenn aber beide Tarife innerhalb derselben Eisenbahnverwaltung oder desselben Eisenbahnverbands in Gültigkeit sind, so ist der von dem regelmäßigen Tarif abweichende Tarif ein Differentialtarif im engeren Sinne, gleichbedeutend mit Ausnahmetarif. Solche Ausnahmetarife können aus verschiedenen Gründen eingeführt werden, u. zw.:

a) Aus Wettbewerbsrücksichten. Der Wettbewerb kann sich auf die Beförderungswege erstrecken, also zwei Eisenbahnen gegeneinander oder eine Eisenbahn gegen ein anderes Verkehrsmittel, insbesondere den Wasserweg. In diesen Fällen werden häufig, um den Verkehr nicht zu verlieren oder neuen zu gewinnen, die Tarife in den Mitbewerbsstationen, d. h. den Knotenpunkten der konkurrierenden Verkehrsmittel herabgesetzt; hierdurch entsteht natürlich eine große Zahl von Differentialtarifen. Mindestens aber müssen die längeren und teureren Transportwege, wenn sie Verkehr haben wollen, die Frachtsätze der kürzesten oder billigsten annehmen. Hierdurch ergeben sich verschieden hohe Einheitssätze nicht nur auf den verschiedenen Transportwegen, sondern auch gegenüber den übrigen nicht im Wettbewerb stehenden Stationen in demselben Eisenbahngebiet. Hierher gehören auch die Richtungs- und Saisontarife, die namentlich gegenüber den Wasserstraßen angewendet werden. Unter Richtungstarifen versteht man solche Tarife, die nur in einer Richtung, z. B. flußabwärts, auf einer dem Fluß parallel laufenden Eisenbahn gelten, Saisontarife sind solche, die nur für einen Teil des Jahres, z. B. nur für den Sommer eingeführt sind, weil im Winter der Wasserweg nicht wettbewerbsfähig ist.

Außer diesem Wettbewerb der Transportwege kann aber auch die Konkurrenz der Produktionsgebiete auf einem bestimmten Absatzmarkt zu solchen Ausnahmetarifen führen, z. B. sind ermäßigte Ausnahmetarife für Getreide von Ungarn nach der Schweiz weniger wegen des Wettbewerbs der Transportwege eingeführt, als wegen der Konkurrenz des russischen und amerikanischen Getreides auf dem schweizerischen Markt. Endlich können Konkurrenzen einzelner Stationen, insbesondere Hafenstationen, vorliegen, wobei allerdings der Wettbewerb der an den verschiedenen Häfen beteiligten Transportwege mit in Frage kommt.

b) Abgesehen von den verschiedenen Fällen der Konkurrenz können aber Ausnahmetarife auch aus anderen Gründen zur Einführung gelangen. Insbesondere ist das Bestreben der Eisenbahnen, den Verkehr zu erhöhen, ein Gut auf weitere Entfernung oder nach einem bestimmten Punkt hin transportfähig zu machen, seinen Absatz zu erweitern, oft der Grund hierfür gewesen. Hierher gehören vor allem die Einfuhr- und die Ausfuhrtarife, d. h. ermäßigte

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[470/0482] oder so, daß man ihn nur für die weitere Transportstrecke einrechnet und an den nach dem ersten Einheitssatz gebildeten Frachtsatz der Anfangsstrecke anstößt. Also z. B. für die ersten 100 km beträgt der Einheitssatz für das tkm 5 Pf., für mehr als 100 km beträgt der Satz für das tkm 4 Pf., u. zw. entweder so, daß für 101 km 101 × 4 Pf. oder daß 100 × 5 Pf. + 1 × 4 Pf. berechnet werden. Letztere Berechnung, obschon anscheinend verwickelter, ist vorzuziehen, einmal weil die Ermäßigung allmählicher erfolgt und zweitens, weil Schwierigkeiten in tariftechnischer Beziehung vermieden werden. Im ersten Falle erhalten nämlich die Transporte auf 101 km einen billigeren Satz als die auf kürzere Entfernungen (4 × 101 = 404 Pf., während 5 × 100 = 500 Pf. ist). Dann muß entweder die Entfernung über 100 km den höheren Satz für 100 km solange annehmen, bis durch die Multiplikaton mit 4 ein höherer Satz herauskommt, also hier bis 126 km, oder die Entfernung unter 101 km den Satz von 101 km, bis bei der regelrechten Berechnung ein niedriger Satz sich ergibt, also hier bis 80 km herab. Beide Arten der Ausgleichung bringen aber gleiche Frachten für verschiedene Entfernungen, also eine Abweichung von dem Grundsatz, wonach die Transportpreise mit der Entfernung wachsen, und außerdem tariftechnische Schwierigkeiten mit sich, namentlich auch bei Bildung direkter Tarife und bei der Anteilsausscheidung. Eine derartige Tarifbildung nach Staffeln kann sowohl bei den regelmäßigen als bei den Ausnahmetarifen vorkommen. Sie wird auch als absolut differentielle Tarifbildung bezeichnet, weil hier in demselben Tarif bei verschiedenen Transportlängen verschieden hohe Einheitssätze eingerechnet werden. Dagegen liegt eine relativ differentielle Tarifbildung dann vor, wenn eine ungleichmäßige Tariffestsetzung in zwei verschiedenen Tarifen sich findet, weil sich eine solche dann erst durch Vergleichung der beiden Tarife ergibt. Eine relativ differentielle Tarifbildung kann sich aus Vergleichung zweier regelmäßiger Tarife ergeben, wenn diese zwei unter verschiedener Verwaltung stehenden Eisenbahnen angehören oder auch wenn es sich um einen Lokaltarif und einen direkten oder Verbandtarif handelt, die in bezug auf Klassifikation der Güter oder die Einheitssätze nicht übereinstimmen. Wenn aber beide Tarife innerhalb derselben Eisenbahnverwaltung oder desselben Eisenbahnverbands in Gültigkeit sind, so ist der von dem regelmäßigen Tarif abweichende Tarif ein Differentialtarif im engeren Sinne, gleichbedeutend mit Ausnahmetarif. Solche Ausnahmetarife können aus verschiedenen Gründen eingeführt werden, u. zw.: a) Aus Wettbewerbsrücksichten. Der Wettbewerb kann sich auf die Beförderungswege erstrecken, also zwei Eisenbahnen gegeneinander oder eine Eisenbahn gegen ein anderes Verkehrsmittel, insbesondere den Wasserweg. In diesen Fällen werden häufig, um den Verkehr nicht zu verlieren oder neuen zu gewinnen, die Tarife in den Mitbewerbsstationen, d. h. den Knotenpunkten der konkurrierenden Verkehrsmittel herabgesetzt; hierdurch entsteht natürlich eine große Zahl von Differentialtarifen. Mindestens aber müssen die längeren und teureren Transportwege, wenn sie Verkehr haben wollen, die Frachtsätze der kürzesten oder billigsten annehmen. Hierdurch ergeben sich verschieden hohe Einheitssätze nicht nur auf den verschiedenen Transportwegen, sondern auch gegenüber den übrigen nicht im Wettbewerb stehenden Stationen in demselben Eisenbahngebiet. Hierher gehören auch die Richtungs- und Saisontarife, die namentlich gegenüber den Wasserstraßen angewendet werden. Unter Richtungstarifen versteht man solche Tarife, die nur in einer Richtung, z. B. flußabwärts, auf einer dem Fluß parallel laufenden Eisenbahn gelten, Saisontarife sind solche, die nur für einen Teil des Jahres, z. B. nur für den Sommer eingeführt sind, weil im Winter der Wasserweg nicht wettbewerbsfähig ist. Außer diesem Wettbewerb der Transportwege kann aber auch die Konkurrenz der Produktionsgebiete auf einem bestimmten Absatzmarkt zu solchen Ausnahmetarifen führen, z. B. sind ermäßigte Ausnahmetarife für Getreide von Ungarn nach der Schweiz weniger wegen des Wettbewerbs der Transportwege eingeführt, als wegen der Konkurrenz des russischen und amerikanischen Getreides auf dem schweizerischen Markt. Endlich können Konkurrenzen einzelner Stationen, insbesondere Hafenstationen, vorliegen, wobei allerdings der Wettbewerb der an den verschiedenen Häfen beteiligten Transportwege mit in Frage kommt. b) Abgesehen von den verschiedenen Fällen der Konkurrenz können aber Ausnahmetarife auch aus anderen Gründen zur Einführung gelangen. Insbesondere ist das Bestreben der Eisenbahnen, den Verkehr zu erhöhen, ein Gut auf weitere Entfernung oder nach einem bestimmten Punkt hin transportfähig zu machen, seinen Absatz zu erweitern, oft der Grund hierfür gewesen. Hierher gehören vor allem die Einfuhr- und die Ausfuhrtarife, d. h. ermäßigte

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 5. Berlin, Wien, 1914, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen05_1914/482>, abgerufen am 22.07.2024.