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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 5. Berlin, Wien, 1914.

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der Lage ist, über einen gewissen Punkt hinaus die Tarife zu ermäßigen, und weshalb sie ferner Tarifermäßigungen in der Regel nicht allgemein eintreten läßt, für alle Entfernungen und Verkehrsbeziehungen, oder für alle Klassen oder für ganze Klassen des Tarifs, sondern womöglich immer nur für weitere Entfernungen, für einzelne Verkehrsbeziehungen, einzelne Artikel, ja einzelne Frachtgeber. Um aber dies zu können, muß die privatwirtschaftliche Eisenbahnverwaltung die Tarife individualistisch gestalten, d. h. nicht nach großen gleichmäßigen Durchschnitten und mit wenig Tarifklassen, sondern mit einer möglichst großen Zahl von Tarifklassen und Ausnahmetarifen; ja unter Umständen wird sie dazu übergehen, für jede einzelne Verkehrsbeziehung und jede größere Beförderungsleistung einen besonderen Preis festzustellen.

Der Einfluß der Selbstkosten auf die Tarifbildung ist nur ein beschränkter. Die Anlage- und Betriebskosten der Eisenbahnen sind bekanntlich sehr verschieden, sie unterscheiden sich bisweilen um das Doppelte und mehr, je nachdem z. B. die Eisenbahnlinie im Gebirge oder in der Ebene liegt, die Steigungsverhältnisse günstig oder ungünstig sind. Diese Verschiedenheit der Anlage- und Betriebskosten führt natürlich eine entsprechende Verschiedenheit der Selbstkosten herbei, u. zw. sowohl der festen als der veränderlichen; wenn also die Selbstkosten für die Tarifbildung allein maßgebend wären, müßte auch die Tarifgestaltung entsprechend verschieden sein. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Die Selbstkosten sind allein nicht maßgebend für die Tarifbildung, sie bilden vielmehr, wie erwähnt, nur die Grenze nach unten, unter die im allgemeinen nicht herabgegangen werden darf. Demgemäß hat die Verschiedenheit in den Anlage- und Betriebskosten der Bahnen allerdings die Folge, daß diese Grenze nach unten eine verschiedene bei den einzelnen Bahnen ist. Denn unter die Betriebskosten mit den Tarifen zu gehen, würde für jede Beförderungseinheit einen bestimmten Minderertrag gegenüber den baren Auslagen darstellen, und wenn solche Fälle auch ausnahmsweise vorkommen, so sind dies doch Anomalien. Allerdings wird man unter Umständen bis auf die veränderlichen Betriebskosten herabgehen können, wenn nämlich die festen Betriebskosten durch die betreffenden Sendungen keine Vermehrung erfahren. Noch häufiger sind die Fälle, bei denen man bei bestimmten Transporten sich mit der Deckung der Betriebskosten begnügt, auf eine Verzinsung des Anlagekapitals aber verzichtet, weil die betreffenden Sendungen, wenn man die Tarife höher festsetzen wollte, überhaupt nicht gehen würden. In der Regel wird indes durch die Tarifgestaltung außer der Deckung der Betriebskosten eine Verzinsung des Anlagekapitals erstrebt und herbeigeführt, es werden also trotz der verschiedenen Selbstkosten nicht mit Notwendigkeit auch die Tarife verschieden sein, sondern diese Verzinsung wird bei gleichen Tarifen für Linien mit verschieden hohen Anlage- und Betriebskosten verschieden hoch sein. Wenn hiernach einmal schon keine Notwendigkeit vorliegt, wegen der verschieden hohen Selbstkosten verschieden hohe Tarife einzuführen, so ist zweitens auch die Möglichkeit, die verschiedene Höhe der Selbstkosten in den Tarifen entsprechend zum Ausdruck zu bringen, zu verneinen. Denn nicht nur jedes einzelne Eisenbahnnetz und fast jede Eisenbahnlinie hat verschieden hohe Anlage- und Betriebskosten, sondern auch innerhalb einzelner Linien sind diese oft sehr verschieden, je nachdem die Linie stellenweise große Kunstbauten (Tunnel, Brücken) und starke Steigungen hat oder ohne solche in der Ebene läuft. Wollte man also folgerichtig handeln, so müßte man für jedes km oder wenigstens zwischen je zwei Stationen die Selbstkosten und demnächst die Tarife verschieden berechnen, ja man müßte bei Steigungen verschiedene Tarifansätze anwenden, je nachdem das Gut aufwärts oder abwärts befördert werden würde. Da es aber einfach unmöglich ist oder doch zu den größten Unzuträglichkeiten führen würde, die Tarife nach den Selbstkosten jeder Strecke verschieden festzusetzen, so sieht man hiervon ab und ermittelt durchschnittliche Selbstkosten für eine ganze Linie oder ein ganzes Eisenbahnnetz. Will man aber hiernach die Tarife bestimmen, so kann man mit demselben Recht auch Durchschnittsselbstkosten für ein ganzes Land ermitteln; hiermit ist die Berücksichtigung verschiedener Anlage- und Betriebskosten bei der Tarifbildung überhaupt beseitigt.

Hierauf drängen aber auch noch andere Umstände hin, einmal die Wettbewerbsverhältnisse in den Knotenpunkten, die sich bei jedem dichteren Eisenbahnnetz in großer Zahl ergeben und zur Annahme der Tarife des billigsten Eisenbahnwegs auch für die anderen Linien mit höheren Selbstkosten führen, und dann die Notwendigkeit einer gleichmäßigen Gestaltung der Tarife für ganze Netze oder Länder.

Infolgedessen sind nur ausnahmsweise bei ganz besonderen Verschiedenheiten der Anlage- und Betriebskosten diese Veranlassung

der Lage ist, über einen gewissen Punkt hinaus die Tarife zu ermäßigen, und weshalb sie ferner Tarifermäßigungen in der Regel nicht allgemein eintreten läßt, für alle Entfernungen und Verkehrsbeziehungen, oder für alle Klassen oder für ganze Klassen des Tarifs, sondern womöglich immer nur für weitere Entfernungen, für einzelne Verkehrsbeziehungen, einzelne Artikel, ja einzelne Frachtgeber. Um aber dies zu können, muß die privatwirtschaftliche Eisenbahnverwaltung die Tarife individualistisch gestalten, d. h. nicht nach großen gleichmäßigen Durchschnitten und mit wenig Tarifklassen, sondern mit einer möglichst großen Zahl von Tarifklassen und Ausnahmetarifen; ja unter Umständen wird sie dazu übergehen, für jede einzelne Verkehrsbeziehung und jede größere Beförderungsleistung einen besonderen Preis festzustellen.

Der Einfluß der Selbstkosten auf die Tarifbildung ist nur ein beschränkter. Die Anlage- und Betriebskosten der Eisenbahnen sind bekanntlich sehr verschieden, sie unterscheiden sich bisweilen um das Doppelte und mehr, je nachdem z. B. die Eisenbahnlinie im Gebirge oder in der Ebene liegt, die Steigungsverhältnisse günstig oder ungünstig sind. Diese Verschiedenheit der Anlage- und Betriebskosten führt natürlich eine entsprechende Verschiedenheit der Selbstkosten herbei, u. zw. sowohl der festen als der veränderlichen; wenn also die Selbstkosten für die Tarifbildung allein maßgebend wären, müßte auch die Tarifgestaltung entsprechend verschieden sein. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Die Selbstkosten sind allein nicht maßgebend für die Tarifbildung, sie bilden vielmehr, wie erwähnt, nur die Grenze nach unten, unter die im allgemeinen nicht herabgegangen werden darf. Demgemäß hat die Verschiedenheit in den Anlage- und Betriebskosten der Bahnen allerdings die Folge, daß diese Grenze nach unten eine verschiedene bei den einzelnen Bahnen ist. Denn unter die Betriebskosten mit den Tarifen zu gehen, würde für jede Beförderungseinheit einen bestimmten Minderertrag gegenüber den baren Auslagen darstellen, und wenn solche Fälle auch ausnahmsweise vorkommen, so sind dies doch Anomalien. Allerdings wird man unter Umständen bis auf die veränderlichen Betriebskosten herabgehen können, wenn nämlich die festen Betriebskosten durch die betreffenden Sendungen keine Vermehrung erfahren. Noch häufiger sind die Fälle, bei denen man bei bestimmten Transporten sich mit der Deckung der Betriebskosten begnügt, auf eine Verzinsung des Anlagekapitals aber verzichtet, weil die betreffenden Sendungen, wenn man die Tarife höher festsetzen wollte, überhaupt nicht gehen würden. In der Regel wird indes durch die Tarifgestaltung außer der Deckung der Betriebskosten eine Verzinsung des Anlagekapitals erstrebt und herbeigeführt, es werden also trotz der verschiedenen Selbstkosten nicht mit Notwendigkeit auch die Tarife verschieden sein, sondern diese Verzinsung wird bei gleichen Tarifen für Linien mit verschieden hohen Anlage- und Betriebskosten verschieden hoch sein. Wenn hiernach einmal schon keine Notwendigkeit vorliegt, wegen der verschieden hohen Selbstkosten verschieden hohe Tarife einzuführen, so ist zweitens auch die Möglichkeit, die verschiedene Höhe der Selbstkosten in den Tarifen entsprechend zum Ausdruck zu bringen, zu verneinen. Denn nicht nur jedes einzelne Eisenbahnnetz und fast jede Eisenbahnlinie hat verschieden hohe Anlage- und Betriebskosten, sondern auch innerhalb einzelner Linien sind diese oft sehr verschieden, je nachdem die Linie stellenweise große Kunstbauten (Tunnel, Brücken) und starke Steigungen hat oder ohne solche in der Ebene läuft. Wollte man also folgerichtig handeln, so müßte man für jedes km oder wenigstens zwischen je zwei Stationen die Selbstkosten und demnächst die Tarife verschieden berechnen, ja man müßte bei Steigungen verschiedene Tarifansätze anwenden, je nachdem das Gut aufwärts oder abwärts befördert werden würde. Da es aber einfach unmöglich ist oder doch zu den größten Unzuträglichkeiten führen würde, die Tarife nach den Selbstkosten jeder Strecke verschieden festzusetzen, so sieht man hiervon ab und ermittelt durchschnittliche Selbstkosten für eine ganze Linie oder ein ganzes Eisenbahnnetz. Will man aber hiernach die Tarife bestimmen, so kann man mit demselben Recht auch Durchschnittsselbstkosten für ein ganzes Land ermitteln; hiermit ist die Berücksichtigung verschiedener Anlage- und Betriebskosten bei der Tarifbildung überhaupt beseitigt.

Hierauf drängen aber auch noch andere Umstände hin, einmal die Wettbewerbsverhältnisse in den Knotenpunkten, die sich bei jedem dichteren Eisenbahnnetz in großer Zahl ergeben und zur Annahme der Tarife des billigsten Eisenbahnwegs auch für die anderen Linien mit höheren Selbstkosten führen, und dann die Notwendigkeit einer gleichmäßigen Gestaltung der Tarife für ganze Netze oder Länder.

Infolgedessen sind nur ausnahmsweise bei ganz besonderen Verschiedenheiten der Anlage- und Betriebskosten diese Veranlassung

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[458/0470] der Lage ist, über einen gewissen Punkt hinaus die Tarife zu ermäßigen, und weshalb sie ferner Tarifermäßigungen in der Regel nicht allgemein eintreten läßt, für alle Entfernungen und Verkehrsbeziehungen, oder für alle Klassen oder für ganze Klassen des Tarifs, sondern womöglich immer nur für weitere Entfernungen, für einzelne Verkehrsbeziehungen, einzelne Artikel, ja einzelne Frachtgeber. Um aber dies zu können, muß die privatwirtschaftliche Eisenbahnverwaltung die Tarife individualistisch gestalten, d. h. nicht nach großen gleichmäßigen Durchschnitten und mit wenig Tarifklassen, sondern mit einer möglichst großen Zahl von Tarifklassen und Ausnahmetarifen; ja unter Umständen wird sie dazu übergehen, für jede einzelne Verkehrsbeziehung und jede größere Beförderungsleistung einen besonderen Preis festzustellen. Der Einfluß der Selbstkosten auf die Tarifbildung ist nur ein beschränkter. Die Anlage- und Betriebskosten der Eisenbahnen sind bekanntlich sehr verschieden, sie unterscheiden sich bisweilen um das Doppelte und mehr, je nachdem z. B. die Eisenbahnlinie im Gebirge oder in der Ebene liegt, die Steigungsverhältnisse günstig oder ungünstig sind. Diese Verschiedenheit der Anlage- und Betriebskosten führt natürlich eine entsprechende Verschiedenheit der Selbstkosten herbei, u. zw. sowohl der festen als der veränderlichen; wenn also die Selbstkosten für die Tarifbildung allein maßgebend wären, müßte auch die Tarifgestaltung entsprechend verschieden sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Selbstkosten sind allein nicht maßgebend für die Tarifbildung, sie bilden vielmehr, wie erwähnt, nur die Grenze nach unten, unter die im allgemeinen nicht herabgegangen werden darf. Demgemäß hat die Verschiedenheit in den Anlage- und Betriebskosten der Bahnen allerdings die Folge, daß diese Grenze nach unten eine verschiedene bei den einzelnen Bahnen ist. Denn unter die Betriebskosten mit den Tarifen zu gehen, würde für jede Beförderungseinheit einen bestimmten Minderertrag gegenüber den baren Auslagen darstellen, und wenn solche Fälle auch ausnahmsweise vorkommen, so sind dies doch Anomalien. Allerdings wird man unter Umständen bis auf die veränderlichen Betriebskosten herabgehen können, wenn nämlich die festen Betriebskosten durch die betreffenden Sendungen keine Vermehrung erfahren. Noch häufiger sind die Fälle, bei denen man bei bestimmten Transporten sich mit der Deckung der Betriebskosten begnügt, auf eine Verzinsung des Anlagekapitals aber verzichtet, weil die betreffenden Sendungen, wenn man die Tarife höher festsetzen wollte, überhaupt nicht gehen würden. In der Regel wird indes durch die Tarifgestaltung außer der Deckung der Betriebskosten eine Verzinsung des Anlagekapitals erstrebt und herbeigeführt, es werden also trotz der verschiedenen Selbstkosten nicht mit Notwendigkeit auch die Tarife verschieden sein, sondern diese Verzinsung wird bei gleichen Tarifen für Linien mit verschieden hohen Anlage- und Betriebskosten verschieden hoch sein. Wenn hiernach einmal schon keine Notwendigkeit vorliegt, wegen der verschieden hohen Selbstkosten verschieden hohe Tarife einzuführen, so ist zweitens auch die Möglichkeit, die verschiedene Höhe der Selbstkosten in den Tarifen entsprechend zum Ausdruck zu bringen, zu verneinen. Denn nicht nur jedes einzelne Eisenbahnnetz und fast jede Eisenbahnlinie hat verschieden hohe Anlage- und Betriebskosten, sondern auch innerhalb einzelner Linien sind diese oft sehr verschieden, je nachdem die Linie stellenweise große Kunstbauten (Tunnel, Brücken) und starke Steigungen hat oder ohne solche in der Ebene läuft. Wollte man also folgerichtig handeln, so müßte man für jedes km oder wenigstens zwischen je zwei Stationen die Selbstkosten und demnächst die Tarife verschieden berechnen, ja man müßte bei Steigungen verschiedene Tarifansätze anwenden, je nachdem das Gut aufwärts oder abwärts befördert werden würde. Da es aber einfach unmöglich ist oder doch zu den größten Unzuträglichkeiten führen würde, die Tarife nach den Selbstkosten jeder Strecke verschieden festzusetzen, so sieht man hiervon ab und ermittelt durchschnittliche Selbstkosten für eine ganze Linie oder ein ganzes Eisenbahnnetz. Will man aber hiernach die Tarife bestimmen, so kann man mit demselben Recht auch Durchschnittsselbstkosten für ein ganzes Land ermitteln; hiermit ist die Berücksichtigung verschiedener Anlage- und Betriebskosten bei der Tarifbildung überhaupt beseitigt. Hierauf drängen aber auch noch andere Umstände hin, einmal die Wettbewerbsverhältnisse in den Knotenpunkten, die sich bei jedem dichteren Eisenbahnnetz in großer Zahl ergeben und zur Annahme der Tarife des billigsten Eisenbahnwegs auch für die anderen Linien mit höheren Selbstkosten führen, und dann die Notwendigkeit einer gleichmäßigen Gestaltung der Tarife für ganze Netze oder Länder. Infolgedessen sind nur ausnahmsweise bei ganz besonderen Verschiedenheiten der Anlage- und Betriebskosten diese Veranlassung

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 5. Berlin, Wien, 1914, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen05_1914/470>, abgerufen am 22.07.2024.