Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 4. Berlin, Wien, 1913.nicht die Rede zu sein (vgl. hierüber Frahm, Das englische Eisenbahnwesen. Berlin 1911, S. 27 u. ff.). Das in London bestehende Institute of Railway Economics ist eine selbständige Anstalt, die mit den Eisenbahngesellschaften nur dadurch in Beziehung steht, daß mehrere Direktoren als "Patrons" daran beteiligt sind. Die dort gehaltenen Kurse über Eisenbahnwissenschaften sind jedermann zugänglich. Auch in Frankreich haben die Eisenbahnverwaltungen bisher im allgemeinen an der Auffassung festgehalten, daß die Eisenbahnangestellten ihre Ausbildung im Dienst und durch den Dienst erhalten sollen. Eigentliche Eisenbahnfachschulen sind daher nicht vorhanden, nur haben einzelne Gemeinde- und Privatschulen in ihren Lehrplan Fächer aufgenommen, die den Schülern, die sich zu Verkehrsbeamten und für den technischen Dienst vorbereiten wollen, eine für ihren künftigen Beruf geeignete Grundlage gewähren sollen. Abgesehen von den höheren Beamten, die in der Mehrzahl aus den staatlich geprüften Ingenieuren (Ingenieurs de l'Etat) hervorgehen, müssen alle Eisenbahner von der Pike auf dienen und ihre Befähigung zu höheren Stellungen nach und nach durch Prüfungen dartun, die bei den Direktionen der Eisenbahngesellschaften abzulegen sind. Die Vorbereitung auf diese Prüfungen wird ihnen durch Vorträge und praktische Kurse, die von den vorgesetzten Dienststellen gehalten werden, erleichtert. 3. E. für den unteren Dienst. Es besteht wohl nicht in allen Ländern eine so scharf begrenzte Unterscheidung zwischen dem mittleren und dem unteren Eisenbahndienst, wie sie z. B. die deutschen Eisenbahnen kennen. Wenn man zu den Angestellten des unteren Eisenbahndienstes diejenigen Personen rechnet, die eine mehr praktische, handwerksmäßige, ohne besondere theoretische Vorkenntnisse zu erlernende Tätigkeit ausüben, so kann man im allgemeinen sagen, daß für solche Angestellte eine neben der praktischen Einführung hergehende oder ihr vorangehende Sonderausbildung nicht gefordert wird. Die Volksschulbildung wird als Voraussetzung für den Eintritt in solche Dienststellen gewöhnlich als ausreichend angesehen. In den Ländern, wo das Volksschulwesen in Blüte steht, bedarf es also kaum einer Mitwirkung der Eisenbahnen zur Heranbildung ihres Nachwuchses für den unteren Dienst Indessen ist in einzelnen Ländern auch seitens der Eisenbahnverwaltungen manches geschehen - durch Gründung oder Unterstützung von Volksschulen -, um den Söhnen von Eisenbahnbediensteten Gelegenheit zu geben, sich in der Nähe des Dienstortes ihres Vaters die zum Eintritt in den unteren Eisenbahndienst erforderliche Bildung anzueignen. So haben z. B. die spanischen und portugiesischen Eisenbahnen mehrere Volksschulen (u. a. die von der spanischen Nordbahn eingerichtete Volksschule für Eisenbahnersöhne in Valladolid, oder die in Entrocamento [Portugal]) gegründet oder unterstützt. Zu erwähnen sind auch die von der Gotthardbahngesellschaft im italienischen Kanton Tessin gegründeten deutschen Schulen für Söhne deutschsprachiger Angestellten in Biasca, Bellinzona, Airolo, Chiasso. Sie sind jetzt von den Bundesbahnen übernommen worden. In Frankreich erteilen die Eisenbahngesellschaften vielfach ihren Angestellten Stipendien, um ihnen zu ermöglichen, sich eine bessere Schulbildung behufs späteren Eintritts in den Eisenbahndienst anzueignen. Im Russischen Reiche haben die Eisenbahnverwaltungen infolge der großen Entfernungen und der dadurch bedingten schwierigen Einschulungsverhältnisse schon frühzeitig das Bedürfnis empfunden, zur Heranbildung des unteren Eisenbahnpersonals Schulen zu gründen. Die erste war die der Orel-Griasi-Bahn in Eletz aus dem Jahre 1867. Dann folgte die Gründung einer großen Zahl ähnlicher Schulen, die sich bald über das weitverzweigte russische Eisenbahnnetz erstreckten und große Bedeutung gewannen. Durch Gesetz vom 7. Juni 1886 wurden alle diese Schulen zu Staatsanstalten erhoben und dem Minister der Verkehrswege unterstellt, der sie in drei Bezirke geteilt hat und durch drei Inspektoren überwachen läßt. Die Organisation ist bei allen Schulen gleichförmig geregelt. Die Leitung hat ein vom Bezirksinspektor vorzuschlagender und vom Minister zu ernennender Direktor, dem eine Anzahl Lehrer, von denen wenigstens einer ein Ingenieur ist, zur Seite stehen. Die Schulen haben fünf Jahrgänge; die ersten drei Jahre sind dem theoretischen Schulunterricht, die beiden letzten der praktischen Ausbildung für den Eisenbahndienst gewidmet. Nach Absolvierung der 5 Jahrgänge erhalten die Schüler ein Diplom, das ihnen ein Vorzugsrecht für die Anstellung bei den Eisenbahnverwaltungen gewährt. Söhne von Eisenbahnbediensteten werden vorzugsweise als Schüler angenommen; das Schulgeld ist gering (10 Rubel für jedes Jahr), der Rest der Kosten wird im wesentlichen nicht die Rede zu sein (vgl. hierüber Frahm, Das englische Eisenbahnwesen. Berlin 1911, S. 27 u. ff.). Das in London bestehende Institute of Railway Economics ist eine selbständige Anstalt, die mit den Eisenbahngesellschaften nur dadurch in Beziehung steht, daß mehrere Direktoren als „Patrons“ daran beteiligt sind. Die dort gehaltenen Kurse über Eisenbahnwissenschaften sind jedermann zugänglich. Auch in Frankreich haben die Eisenbahnverwaltungen bisher im allgemeinen an der Auffassung festgehalten, daß die Eisenbahnangestellten ihre Ausbildung im Dienst und durch den Dienst erhalten sollen. Eigentliche Eisenbahnfachschulen sind daher nicht vorhanden, nur haben einzelne Gemeinde- und Privatschulen in ihren Lehrplan Fächer aufgenommen, die den Schülern, die sich zu Verkehrsbeamten und für den technischen Dienst vorbereiten wollen, eine für ihren künftigen Beruf geeignete Grundlage gewähren sollen. Abgesehen von den höheren Beamten, die in der Mehrzahl aus den staatlich geprüften Ingenieuren (Ingénieurs de l'Etat) hervorgehen, müssen alle Eisenbahner von der Pike auf dienen und ihre Befähigung zu höheren Stellungen nach und nach durch Prüfungen dartun, die bei den Direktionen der Eisenbahngesellschaften abzulegen sind. Die Vorbereitung auf diese Prüfungen wird ihnen durch Vorträge und praktische Kurse, die von den vorgesetzten Dienststellen gehalten werden, erleichtert. 3. E. für den unteren Dienst. Es besteht wohl nicht in allen Ländern eine so scharf begrenzte Unterscheidung zwischen dem mittleren und dem unteren Eisenbahndienst, wie sie z. B. die deutschen Eisenbahnen kennen. Wenn man zu den Angestellten des unteren Eisenbahndienstes diejenigen Personen rechnet, die eine mehr praktische, handwerksmäßige, ohne besondere theoretische Vorkenntnisse zu erlernende Tätigkeit ausüben, so kann man im allgemeinen sagen, daß für solche Angestellte eine neben der praktischen Einführung hergehende oder ihr vorangehende Sonderausbildung nicht gefordert wird. Die Volksschulbildung wird als Voraussetzung für den Eintritt in solche Dienststellen gewöhnlich als ausreichend angesehen. In den Ländern, wo das Volksschulwesen in Blüte steht, bedarf es also kaum einer Mitwirkung der Eisenbahnen zur Heranbildung ihres Nachwuchses für den unteren Dienst Indessen ist in einzelnen Ländern auch seitens der Eisenbahnverwaltungen manches geschehen – durch Gründung oder Unterstützung von Volksschulen –, um den Söhnen von Eisenbahnbediensteten Gelegenheit zu geben, sich in der Nähe des Dienstortes ihres Vaters die zum Eintritt in den unteren Eisenbahndienst erforderliche Bildung anzueignen. So haben z. B. die spanischen und portugiesischen Eisenbahnen mehrere Volksschulen (u. a. die von der spanischen Nordbahn eingerichtete Volksschule für Eisenbahnersöhne in Valladolid, oder die in Entrocamento [Portugal]) gegründet oder unterstützt. Zu erwähnen sind auch die von der Gotthardbahngesellschaft im italienischen Kanton Tessin gegründeten deutschen Schulen für Söhne deutschsprachiger Angestellten in Biasca, Bellinzona, Airolo, Chiasso. Sie sind jetzt von den Bundesbahnen übernommen worden. In Frankreich erteilen die Eisenbahngesellschaften vielfach ihren Angestellten Stipendien, um ihnen zu ermöglichen, sich eine bessere Schulbildung behufs späteren Eintritts in den Eisenbahndienst anzueignen. Im Russischen Reiche haben die Eisenbahnverwaltungen infolge der großen Entfernungen und der dadurch bedingten schwierigen Einschulungsverhältnisse schon frühzeitig das Bedürfnis empfunden, zur Heranbildung des unteren Eisenbahnpersonals Schulen zu gründen. Die erste war die der Orel-Griasi-Bahn in Eletz aus dem Jahre 1867. Dann folgte die Gründung einer großen Zahl ähnlicher Schulen, die sich bald über das weitverzweigte russische Eisenbahnnetz erstreckten und große Bedeutung gewannen. Durch Gesetz vom 7. Juni 1886 wurden alle diese Schulen zu Staatsanstalten erhoben und dem Minister der Verkehrswege unterstellt, der sie in drei Bezirke geteilt hat und durch drei Inspektoren überwachen läßt. Die Organisation ist bei allen Schulen gleichförmig geregelt. Die Leitung hat ein vom Bezirksinspektor vorzuschlagender und vom Minister zu ernennender Direktor, dem eine Anzahl Lehrer, von denen wenigstens einer ein Ingenieur ist, zur Seite stehen. Die Schulen haben fünf Jahrgänge; die ersten drei Jahre sind dem theoretischen Schulunterricht, die beiden letzten der praktischen Ausbildung für den Eisenbahndienst gewidmet. Nach Absolvierung der 5 Jahrgänge erhalten die Schüler ein Diplom, das ihnen ein Vorzugsrecht für die Anstellung bei den Eisenbahnverwaltungen gewährt. Söhne von Eisenbahnbediensteten werden vorzugsweise als Schüler angenommen; das Schulgeld ist gering (10 Rubel für jedes Jahr), der Rest der Kosten wird im wesentlichen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="lexiconEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0138" n="129"/> nicht die Rede zu sein (vgl. hierüber <hi rendition="#g">Frahm</hi>, Das englische Eisenbahnwesen. Berlin 1911, S. 27 u. ff.). 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Juni 1886 wurden alle diese Schulen zu Staatsanstalten erhoben und dem Minister der Verkehrswege unterstellt, der sie in drei Bezirke geteilt hat und durch drei Inspektoren überwachen läßt. Die Organisation ist bei allen Schulen gleichförmig geregelt. Die Leitung hat ein vom Bezirksinspektor vorzuschlagender und vom Minister zu ernennender Direktor, dem eine Anzahl Lehrer, von denen wenigstens einer ein Ingenieur ist, zur Seite stehen. Die Schulen haben fünf Jahrgänge; die ersten drei Jahre sind dem theoretischen Schulunterricht, die beiden letzten der praktischen Ausbildung für den Eisenbahndienst gewidmet. Nach Absolvierung der 5 Jahrgänge erhalten die Schüler ein Diplom, das ihnen ein Vorzugsrecht für die Anstellung bei den Eisenbahnverwaltungen gewährt. Söhne von Eisenbahnbediensteten werden vorzugsweise als Schüler angenommen; das Schulgeld ist gering (10 Rubel für jedes Jahr), der Rest der Kosten wird im wesentlichen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [129/0138]
nicht die Rede zu sein (vgl. hierüber Frahm, Das englische Eisenbahnwesen. Berlin 1911, S. 27 u. ff.). Das in London bestehende Institute of Railway Economics ist eine selbständige Anstalt, die mit den Eisenbahngesellschaften nur dadurch in Beziehung steht, daß mehrere Direktoren als „Patrons“ daran beteiligt sind. Die dort gehaltenen Kurse über Eisenbahnwissenschaften sind jedermann zugänglich.
Auch in Frankreich haben die Eisenbahnverwaltungen bisher im allgemeinen an der Auffassung festgehalten, daß die Eisenbahnangestellten ihre Ausbildung im Dienst und durch den Dienst erhalten sollen. Eigentliche Eisenbahnfachschulen sind daher nicht vorhanden, nur haben einzelne Gemeinde- und Privatschulen in ihren Lehrplan Fächer aufgenommen, die den Schülern, die sich zu Verkehrsbeamten und für den technischen Dienst vorbereiten wollen, eine für ihren künftigen Beruf geeignete Grundlage gewähren sollen.
Abgesehen von den höheren Beamten, die in der Mehrzahl aus den staatlich geprüften Ingenieuren (Ingénieurs de l'Etat) hervorgehen, müssen alle Eisenbahner von der Pike auf dienen und ihre Befähigung zu höheren Stellungen nach und nach durch Prüfungen dartun, die bei den Direktionen der Eisenbahngesellschaften abzulegen sind. Die Vorbereitung auf diese Prüfungen wird ihnen durch Vorträge und praktische Kurse, die von den vorgesetzten Dienststellen gehalten werden, erleichtert.
3. E. für den unteren Dienst. Es besteht wohl nicht in allen Ländern eine so scharf begrenzte Unterscheidung zwischen dem mittleren und dem unteren Eisenbahndienst, wie sie z. B. die deutschen Eisenbahnen kennen. Wenn man zu den Angestellten des unteren Eisenbahndienstes diejenigen Personen rechnet, die eine mehr praktische, handwerksmäßige, ohne besondere theoretische Vorkenntnisse zu erlernende Tätigkeit ausüben, so kann man im allgemeinen sagen, daß für solche Angestellte eine neben der praktischen Einführung hergehende oder ihr vorangehende Sonderausbildung nicht gefordert wird.
Die Volksschulbildung wird als Voraussetzung für den Eintritt in solche Dienststellen gewöhnlich als ausreichend angesehen. In den Ländern, wo das Volksschulwesen in Blüte steht, bedarf es also kaum einer Mitwirkung der Eisenbahnen zur Heranbildung ihres Nachwuchses für den unteren Dienst Indessen ist in einzelnen Ländern auch seitens der Eisenbahnverwaltungen manches geschehen – durch Gründung oder Unterstützung von Volksschulen –, um den Söhnen von Eisenbahnbediensteten Gelegenheit zu geben, sich in der Nähe des Dienstortes ihres Vaters die zum Eintritt in den unteren Eisenbahndienst erforderliche Bildung anzueignen. So haben z. B. die spanischen und portugiesischen Eisenbahnen mehrere Volksschulen (u. a. die von der spanischen Nordbahn eingerichtete Volksschule für Eisenbahnersöhne in Valladolid, oder die in Entrocamento [Portugal]) gegründet oder unterstützt. Zu erwähnen sind auch die von der Gotthardbahngesellschaft im italienischen Kanton Tessin gegründeten deutschen Schulen für Söhne deutschsprachiger Angestellten in Biasca, Bellinzona, Airolo, Chiasso. Sie sind jetzt von den Bundesbahnen übernommen worden.
In Frankreich erteilen die Eisenbahngesellschaften vielfach ihren Angestellten Stipendien, um ihnen zu ermöglichen, sich eine bessere Schulbildung behufs späteren Eintritts in den Eisenbahndienst anzueignen.
Im Russischen Reiche haben die Eisenbahnverwaltungen infolge der großen Entfernungen und der dadurch bedingten schwierigen Einschulungsverhältnisse schon frühzeitig das Bedürfnis empfunden, zur Heranbildung des unteren Eisenbahnpersonals Schulen zu gründen. Die erste war die der Orel-Griasi-Bahn in Eletz aus dem Jahre 1867. Dann folgte die Gründung einer großen Zahl ähnlicher Schulen, die sich bald über das weitverzweigte russische Eisenbahnnetz erstreckten und große Bedeutung gewannen. Durch Gesetz vom 7. Juni 1886 wurden alle diese Schulen zu Staatsanstalten erhoben und dem Minister der Verkehrswege unterstellt, der sie in drei Bezirke geteilt hat und durch drei Inspektoren überwachen läßt. Die Organisation ist bei allen Schulen gleichförmig geregelt. Die Leitung hat ein vom Bezirksinspektor vorzuschlagender und vom Minister zu ernennender Direktor, dem eine Anzahl Lehrer, von denen wenigstens einer ein Ingenieur ist, zur Seite stehen. Die Schulen haben fünf Jahrgänge; die ersten drei Jahre sind dem theoretischen Schulunterricht, die beiden letzten der praktischen Ausbildung für den Eisenbahndienst gewidmet. Nach Absolvierung der 5 Jahrgänge erhalten die Schüler ein Diplom, das ihnen ein Vorzugsrecht für die Anstellung bei den Eisenbahnverwaltungen gewährt. Söhne von Eisenbahnbediensteten werden vorzugsweise als Schüler angenommen; das Schulgeld ist gering (10 Rubel für jedes Jahr), der Rest der Kosten wird im wesentlichen
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Zitationshilfe: | Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 4. Berlin, Wien, 1913, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen04_1913/138>, abgerufen am 16.02.2025. |