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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 4. Berlin, Wien, 1913.

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Es mußte also danach getrachtet werden, der mißbräuchlichen Ausnutzung des tatsächlichen Monopols der Eisenbahnen durch gesetzgeberische Maßnahmen Schranken zu ziehen.

So finden sich schon in den älteren englischen Eisenbahnkonzessionen die Grundsätze der möglichsten Schonung des Privateigentums, der gleichmäßigen Behandlung der Verkehrsinteressenten, der Einhaltung fester Höchstgrenzen für die Beförderungspreise ausgesprochen; auch ist nach wiederholten Anläufen die Beaufsichtigung der Bahnen, namentlich in sicherheitspolizeilicher Hinsicht, durch das Handelsamt gesetzlich geregelt worden. Desgleichen wurde den Bahnen die Beförderungspflicht für die Post, das Militär und vereinzelt auch die Polizeiorgane auferlegt. In Nordamerika sind nach einer langen Periode schrankenloser Ungebundenheit sowohl von den Einzelstaaten als von der Bundesregierung Aufsichtsbehörden mit zum Teil weitgehenden Befugnissen eingesetzt und scharfe Verbots- und Strafgesetze erlassen worden, die die dem Gemeinwohl schädlichen Mißbräuche im zwischenstaatlichen Verkehr (interstate commerce) hintanhalten sollen.

Man kann hier von einer in der Hauptsache repressiven staatlichen Überwachung der Bahnen sprechen.

Einen anderen Weg, nämlich den der präventiven Überwachung, hat die E. des Privatsystems in den Staaten des europäischen Festlands eingeschlagen, in denen zumeist durch die gesetzliche Regelung des Eisenbahnkonzessionswesens feste Grundlagen geschaffen worden sind, um die Verpflichtungen der Privatbahnen gegenüber dem Staate und dem Publikum schon im ersten Anfang der Unternehmungen in bestimmter und unbestreitbarer Form festzustellen. Diese Methode hat in Frankreich, wo die erwähnten Obliegenheiten durch technisch durchgebildete Konzessionsbestimmungen und Pflichtenhefte (cahiers des charges) genau festgesetzt und durch ein hochentwickeltes System der Staatsaufsicht überwacht werden, eine besonders hohe Ausbildung erlangt. Allgemein gebräuchlich ist in den festländischen Eisenbahngesetzen und Konzessionsurkunden die Beschränkung der Konzession auf eine bestimmte Zeitdauer, der Vorbehalt des Heimfalls- und Einlösungsrechtes, die Genehmigung der Bauprojekte und Rollmaterialpläne, die Festsetzung von Höchstgrenzen für die einzuhebenden Tarife, die Verpflichtung zum Post- und Militärtransport sowie zu Leistungen für andere Zweige des öffentlichen Dienstes, die technisch-administrative Überwachung durch fachliche Organe und Behörden, die Beaufsichtigung der Kreditgebarung, der Vorbehalt der Genehmigung von Emissionen, die Androhung der Konzessionsentziehung oder der Zwangsverwaltung für den Fall der wiederholten Konzessionsverletzung. So bestehen mannigfache Schutzwehren, mit denen das staatliche Aufsichtsrecht die ihm anvertrauten öffentlichen Interessen umgibt, um deren Wahrung zu sichern. Die Privatbahnverwaltung erscheint dabei an vielen Punkten von der Einflußnahme der Staatsaufsicht durchsetzt und erlangt dadurch den Charakter eines im Auftrage und in Vertretung der Staatsgewalt tätigen Mandatars, dem die Ausübung des Bahnbetriebes nach Art einer öffentlichen Funktion vom Staate übertragen ist. So gelangt man zu dem von Sax aufgestellten Begriffe der delegierten öffentlichen Unternehmung, als welche sich wohlgeordnete Privatbahnen, zumal bei materieller Beteiligung des Staates an ihrem Erträgnisse darstellen. In der Regel haben jedoch Gesetzgebung und Staatsaufsicht nicht vermocht, die dem Privatbahnsystem seiner Natur nach anhaftenden Mängel zu heben. Diese Mängel treten besonders nachteilig da in die Erscheinung, wo der Staat infolge minder entwickelter wirtschaftlicher und Verkehrsverhältnisse den Bau von Eisenbahnen durch Zuwendung von finanziellen Unterstützungen an die Privatgesellschaften gefördert hat.

Die meistverbreitete Form derartiger finanzieller Unterstützung ist die Staatsgarantie, eine Methode staatlicher Förderung des Eisenbahnwesens, die namentlich in Frankreich eine hohe Ausbildung erlangt und dem Lande nützliche Dienste geleistet hat. Anderwärts hat sie, nicht immer geschickt angewendet, den Staat mit sehr erheblichen finanziellen Opfern belastet und dazu beigetragen, das Ansehen des Privatbahnsystems zu schädigen.

Im allgemeinen sind als Mängel des Privatbahnsystems folgende anzuführen:

1. Ungleichmäßigkeit bei Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse der einzelnen Landesteile durch den Bau neuer Linien zur Ergänzung des Bahnnetzes.

Die Privatgesellschaften suchen vorwiegend nur ertragreiche Linien auszubauen. Die ertraglosen Linien bleiben unausgeführt, sofern sie nicht durch besondere finanzielle Zuwendungen den Gesellschaften annehmbar gemacht werden. Das Zustandekommen neuer Bahnen wird oft durch den Einfluß der bestehenden erschwert.

Es mußte also danach getrachtet werden, der mißbräuchlichen Ausnutzung des tatsächlichen Monopols der Eisenbahnen durch gesetzgeberische Maßnahmen Schranken zu ziehen.

So finden sich schon in den älteren englischen Eisenbahnkonzessionen die Grundsätze der möglichsten Schonung des Privateigentums, der gleichmäßigen Behandlung der Verkehrsinteressenten, der Einhaltung fester Höchstgrenzen für die Beförderungspreise ausgesprochen; auch ist nach wiederholten Anläufen die Beaufsichtigung der Bahnen, namentlich in sicherheitspolizeilicher Hinsicht, durch das Handelsamt gesetzlich geregelt worden. Desgleichen wurde den Bahnen die Beförderungspflicht für die Post, das Militär und vereinzelt auch die Polizeiorgane auferlegt. In Nordamerika sind nach einer langen Periode schrankenloser Ungebundenheit sowohl von den Einzelstaaten als von der Bundesregierung Aufsichtsbehörden mit zum Teil weitgehenden Befugnissen eingesetzt und scharfe Verbots- und Strafgesetze erlassen worden, die die dem Gemeinwohl schädlichen Mißbräuche im zwischenstaatlichen Verkehr (interstate commerce) hintanhalten sollen.

Man kann hier von einer in der Hauptsache repressiven staatlichen Überwachung der Bahnen sprechen.

Einen anderen Weg, nämlich den der präventiven Überwachung, hat die E. des Privatsystems in den Staaten des europäischen Festlands eingeschlagen, in denen zumeist durch die gesetzliche Regelung des Eisenbahnkonzessionswesens feste Grundlagen geschaffen worden sind, um die Verpflichtungen der Privatbahnen gegenüber dem Staate und dem Publikum schon im ersten Anfang der Unternehmungen in bestimmter und unbestreitbarer Form festzustellen. Diese Methode hat in Frankreich, wo die erwähnten Obliegenheiten durch technisch durchgebildete Konzessionsbestimmungen und Pflichtenhefte (cahiers des charges) genau festgesetzt und durch ein hochentwickeltes System der Staatsaufsicht überwacht werden, eine besonders hohe Ausbildung erlangt. Allgemein gebräuchlich ist in den festländischen Eisenbahngesetzen und Konzessionsurkunden die Beschränkung der Konzession auf eine bestimmte Zeitdauer, der Vorbehalt des Heimfalls- und Einlösungsrechtes, die Genehmigung der Bauprojekte und Rollmaterialpläne, die Festsetzung von Höchstgrenzen für die einzuhebenden Tarife, die Verpflichtung zum Post- und Militärtransport sowie zu Leistungen für andere Zweige des öffentlichen Dienstes, die technisch-administrative Überwachung durch fachliche Organe und Behörden, die Beaufsichtigung der Kreditgebarung, der Vorbehalt der Genehmigung von Emissionen, die Androhung der Konzessionsentziehung oder der Zwangsverwaltung für den Fall der wiederholten Konzessionsverletzung. So bestehen mannigfache Schutzwehren, mit denen das staatliche Aufsichtsrecht die ihm anvertrauten öffentlichen Interessen umgibt, um deren Wahrung zu sichern. Die Privatbahnverwaltung erscheint dabei an vielen Punkten von der Einflußnahme der Staatsaufsicht durchsetzt und erlangt dadurch den Charakter eines im Auftrage und in Vertretung der Staatsgewalt tätigen Mandatars, dem die Ausübung des Bahnbetriebes nach Art einer öffentlichen Funktion vom Staate übertragen ist. So gelangt man zu dem von Sax aufgestellten Begriffe der delegierten öffentlichen Unternehmung, als welche sich wohlgeordnete Privatbahnen, zumal bei materieller Beteiligung des Staates an ihrem Erträgnisse darstellen. In der Regel haben jedoch Gesetzgebung und Staatsaufsicht nicht vermocht, die dem Privatbahnsystem seiner Natur nach anhaftenden Mängel zu heben. Diese Mängel treten besonders nachteilig da in die Erscheinung, wo der Staat infolge minder entwickelter wirtschaftlicher und Verkehrsverhältnisse den Bau von Eisenbahnen durch Zuwendung von finanziellen Unterstützungen an die Privatgesellschaften gefördert hat.

Die meistverbreitete Form derartiger finanzieller Unterstützung ist die Staatsgarantie, eine Methode staatlicher Förderung des Eisenbahnwesens, die namentlich in Frankreich eine hohe Ausbildung erlangt und dem Lande nützliche Dienste geleistet hat. Anderwärts hat sie, nicht immer geschickt angewendet, den Staat mit sehr erheblichen finanziellen Opfern belastet und dazu beigetragen, das Ansehen des Privatbahnsystems zu schädigen.

Im allgemeinen sind als Mängel des Privatbahnsystems folgende anzuführen:

1. Ungleichmäßigkeit bei Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse der einzelnen Landesteile durch den Bau neuer Linien zur Ergänzung des Bahnnetzes.

Die Privatgesellschaften suchen vorwiegend nur ertragreiche Linien auszubauen. Die ertraglosen Linien bleiben unausgeführt, sofern sie nicht durch besondere finanzielle Zuwendungen den Gesellschaften annehmbar gemacht werden. Das Zustandekommen neuer Bahnen wird oft durch den Einfluß der bestehenden erschwert.

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[96/0105] Es mußte also danach getrachtet werden, der mißbräuchlichen Ausnutzung des tatsächlichen Monopols der Eisenbahnen durch gesetzgeberische Maßnahmen Schranken zu ziehen. So finden sich schon in den älteren englischen Eisenbahnkonzessionen die Grundsätze der möglichsten Schonung des Privateigentums, der gleichmäßigen Behandlung der Verkehrsinteressenten, der Einhaltung fester Höchstgrenzen für die Beförderungspreise ausgesprochen; auch ist nach wiederholten Anläufen die Beaufsichtigung der Bahnen, namentlich in sicherheitspolizeilicher Hinsicht, durch das Handelsamt gesetzlich geregelt worden. Desgleichen wurde den Bahnen die Beförderungspflicht für die Post, das Militär und vereinzelt auch die Polizeiorgane auferlegt. In Nordamerika sind nach einer langen Periode schrankenloser Ungebundenheit sowohl von den Einzelstaaten als von der Bundesregierung Aufsichtsbehörden mit zum Teil weitgehenden Befugnissen eingesetzt und scharfe Verbots- und Strafgesetze erlassen worden, die die dem Gemeinwohl schädlichen Mißbräuche im zwischenstaatlichen Verkehr (interstate commerce) hintanhalten sollen. Man kann hier von einer in der Hauptsache repressiven staatlichen Überwachung der Bahnen sprechen. Einen anderen Weg, nämlich den der präventiven Überwachung, hat die E. des Privatsystems in den Staaten des europäischen Festlands eingeschlagen, in denen zumeist durch die gesetzliche Regelung des Eisenbahnkonzessionswesens feste Grundlagen geschaffen worden sind, um die Verpflichtungen der Privatbahnen gegenüber dem Staate und dem Publikum schon im ersten Anfang der Unternehmungen in bestimmter und unbestreitbarer Form festzustellen. Diese Methode hat in Frankreich, wo die erwähnten Obliegenheiten durch technisch durchgebildete Konzessionsbestimmungen und Pflichtenhefte (cahiers des charges) genau festgesetzt und durch ein hochentwickeltes System der Staatsaufsicht überwacht werden, eine besonders hohe Ausbildung erlangt. Allgemein gebräuchlich ist in den festländischen Eisenbahngesetzen und Konzessionsurkunden die Beschränkung der Konzession auf eine bestimmte Zeitdauer, der Vorbehalt des Heimfalls- und Einlösungsrechtes, die Genehmigung der Bauprojekte und Rollmaterialpläne, die Festsetzung von Höchstgrenzen für die einzuhebenden Tarife, die Verpflichtung zum Post- und Militärtransport sowie zu Leistungen für andere Zweige des öffentlichen Dienstes, die technisch-administrative Überwachung durch fachliche Organe und Behörden, die Beaufsichtigung der Kreditgebarung, der Vorbehalt der Genehmigung von Emissionen, die Androhung der Konzessionsentziehung oder der Zwangsverwaltung für den Fall der wiederholten Konzessionsverletzung. So bestehen mannigfache Schutzwehren, mit denen das staatliche Aufsichtsrecht die ihm anvertrauten öffentlichen Interessen umgibt, um deren Wahrung zu sichern. Die Privatbahnverwaltung erscheint dabei an vielen Punkten von der Einflußnahme der Staatsaufsicht durchsetzt und erlangt dadurch den Charakter eines im Auftrage und in Vertretung der Staatsgewalt tätigen Mandatars, dem die Ausübung des Bahnbetriebes nach Art einer öffentlichen Funktion vom Staate übertragen ist. So gelangt man zu dem von Sax aufgestellten Begriffe der delegierten öffentlichen Unternehmung, als welche sich wohlgeordnete Privatbahnen, zumal bei materieller Beteiligung des Staates an ihrem Erträgnisse darstellen. In der Regel haben jedoch Gesetzgebung und Staatsaufsicht nicht vermocht, die dem Privatbahnsystem seiner Natur nach anhaftenden Mängel zu heben. Diese Mängel treten besonders nachteilig da in die Erscheinung, wo der Staat infolge minder entwickelter wirtschaftlicher und Verkehrsverhältnisse den Bau von Eisenbahnen durch Zuwendung von finanziellen Unterstützungen an die Privatgesellschaften gefördert hat. Die meistverbreitete Form derartiger finanzieller Unterstützung ist die Staatsgarantie, eine Methode staatlicher Förderung des Eisenbahnwesens, die namentlich in Frankreich eine hohe Ausbildung erlangt und dem Lande nützliche Dienste geleistet hat. Anderwärts hat sie, nicht immer geschickt angewendet, den Staat mit sehr erheblichen finanziellen Opfern belastet und dazu beigetragen, das Ansehen des Privatbahnsystems zu schädigen. Im allgemeinen sind als Mängel des Privatbahnsystems folgende anzuführen: 1. Ungleichmäßigkeit bei Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse der einzelnen Landesteile durch den Bau neuer Linien zur Ergänzung des Bahnnetzes. Die Privatgesellschaften suchen vorwiegend nur ertragreiche Linien auszubauen. Die ertraglosen Linien bleiben unausgeführt, sofern sie nicht durch besondere finanzielle Zuwendungen den Gesellschaften annehmbar gemacht werden. Das Zustandekommen neuer Bahnen wird oft durch den Einfluß der bestehenden erschwert.

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 4. Berlin, Wien, 1913, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen04_1913/105>, abgerufen am 23.11.2024.