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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912.

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Im gleichen Werke, Kap. XIX (Personentarif), sagt Präsident v. Stieler, es gelte für eine größere Anzahl deutscher Verwaltungen als ausgemacht, daß die Einnahmen aus dem Personenverkehr dessen Selbstkosten nicht decken. Allerdings sei die rechnerische Verteilung der Gesamtkosten auf Personen- und Güterverkehr ganz unmöglich. Es würde aber auch nichts nützen, wenn man die Kosten des Personenverkehrs genau berechnen könnte, denn es wäre sehr zweifelhaft, ob die danach sich ergebenden Tarifsätze überhaupt durchführbar wären, ob alsdann nicht ein großer Verkehrsrückgang eintreten würde. Mit diesem Rückgange würden sich aber die Kosten der einzelnen Verkehrsleistung wieder erhöhen, die Tarife müßten, wenn die Selbstkostenrechnung maßgebend wäre, noch weiter gesteigert werden. Dieser Weg sei daher nicht gangbar. Im übrigen müßten die Staatseisenbahnverwaltungen den Personenverkehr aus allgemein volkswirtschaftlichen Gründen auch dann beibehalten, wenn er die Kosten nicht decken würde.

Es wäre gewagt, die Deckung der Selbstkosten durch Erhöhung der Tarife erreichen zu wollen, allein ebenso gewagt, in der Hoffnung auf große Verkehrszunahmen dasselbe Ziel einfach durch Herabsetzung der Tarife erreichen zu wollen. In dieser Hinsicht hätten Dänemark und Ungarn schlimme Erfahrungen gemacht und sich deshalb zu einer Umkehr auf dem Wege der Tarifherabsetzung entschließen müssen.

Wenn es aber nicht möglich sei, die Selbstkosten genau zu berechnen, so wüßte man doch, daß die Kosten mit der Ausstattung der Wagen, mit dem auf einen Sitzplatz durchschnittlich treffenden Aufwand, mit der Schnelligkeit der Beförderung wachsen, und daß deshalb die Tarife für die höheren Wagenklassen, für die schnell fahrenden Züge höher sein dürfen. Die Unterschiede dürften aber nicht zu groß sein, weil der Hauptvorteil des Eisenbahntransportes, die schnelle und sichere Beförderung, in allen Klassen desselben Zuges gleichmäßig geboten werde.

In Kap. XXII (Güter- und Tiertarif) des gleichen Werkes führt Geheimer Regierungsrat Laury zur Selbstkostenfrage aus, daß die Selbstkosten die Grenze nach unten bilden, hinter der die Tarife regelmäßig nicht zurückbleiben dürfen, wenn der Betrieb wirtschaftlich bleiben soll; die Grenze nach oben bildet der Wert, den die Verkehrsleistung für die Interessenten hat. Zu den Selbstkosten gehören Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals, ferner die Betriebskosten. Zu den festen Selbstkosten seien Verzinsung und Tilgung, ferner erfahrungsgemäß etwa die Hälfte der Betriebskosten zu rechnen. Die veränderlichen Selbstkosten steigen und fallen mit der Größe des Verkehrs, sind also für die Leistungseinheit (tkm) gleich. Dagegen sei der auf die Leistungseinheit entfallende Anteil der festen Selbstkosten um so kleiner, je größer der Verkehr ist. Diese Abnahme der Selbstkosten mit der Größe des Verkehrs (Preisgesetz des Verkehrs) gelte auch für die gesamten Selbstkosten, weil die festen Selbstkosten wesentlich größer sind als die veränderlichen. Daher bestehe nicht nur eine Abhängigkeit des Frachtsatzes von den Selbstkosten, sondern auch umgekehrt der Selbstkosten von einem Frachtsatze, der Verkehrszuwachs schaffe. Da sich hiernach die Selbstkosten mit der Größe des Verkehrs ändern, auch für jede Bahn und jede Linie verschieden sind, da sie sich auch gar nicht genau berechnen lassen, bilden sie eine zu schwankende und zu unsichere Grundlage. Man könne ihnen deshalb einen Einfluß auf die Tarifbildung im allgemeinen nicht einräumen.

G. Übersicht der B. der Bahnen verschiedener Staaten von 1900 bis 1909. Die Tabellen Seite 302-305 ermöglichen einen Vergleich der B. der Bahnen einer Reihe von Staaten.

Heubach.


Betriebseröffnung (opening of a line; ouverture de l'exploitation d'un chemin de fer; attivazione dell'esercizio), die Einführung des öffentlichen Verkehrs auf einer Bahnstrecke. Diese kann sich auf den Personen- und Güterverkehr oder auf beide gemeinsam erstrecken. Die B. kommt nicht nur bei neuausgebauten Bahnstrecken in Frage, sondern auch bei neuen zweiten oder weiteren Gleisen und bei der Anlage von neuen und weiteren Stationen an bereits in Betrieb befindlichen Bahnstrecken.

Unabhängig von der Eröffnung einer Bahn für den öffentlichen Verkehr ist die Einführung des Arbeitszugbetriebes (s. Arbeitszug) auf der neuen Bahnstrecke. Dieser wird im allgemeinen auf Eisenbahnneubaustrecken zur Erleichterung der Anfuhr von Baustoffen vor der Einführung des öffentlichen Verkehrs eingeleitet. Bei der Einführung des Arbeitszugbetriebes unterscheidet man zwischen dem Arbeitszugbetrieb des Unternehmers mittels Rollwagen und dem Arbeitszugbetrieb auf dem endgültigen Oberbau eines Teiles der neuen Bahnstrecke. Die Befugnis zum Befahren der Neubaustrecke liegt meist schon in der Baugenehmigung, erfordert aber in der Regel noch die besondere Genehmigung der staatlichen Behörden und verpflichtet den Unternehmer zur Einrichtung umfassender Vorsichtsmaßregeln, berechtigt ihn aber nicht, beim Baue nicht beschäftigten Personen die Mitfahrt zu gestatten.

Die Einführung des öffentlichen Verkehrs auf neuen Eisenbahnstrecken, auf zweiten und weiteren Gleisen sowie auf neuen und erweiterten Stationen kann in Ländern, deren Eisenbahnen unter Aufsicht der Staatsgewalt stehen, nur nach erteilter Genehmigung der Aufsichtsbehörde erfolgen, gleichgültig, ob es sich um Haupt-, Neben- oder Kleinbahnen, Staats- oder Privatbahnen handelt (s. Abnahme der Bahn). Die Genehmigung zur B. ist an die Erfüllung einer Reihe von Bedingungen geknüpft, um die Sicherheit und Regelmäßigkeit des Betriebs nach dem Zeitpunkt der B. sicherzustellen.

Unabhängig von der Prüfung und Abnahme einer Bahnlinie durch die Staatsbehörde wird auch die Bahnverwaltung selbst im eigenen Interesse vor der B. eine genaue eisenbahntechnische Prüfung vornehmen, um festzustellen,

Im gleichen Werke, Kap. XIX (Personentarif), sagt Präsident v. Stieler, es gelte für eine größere Anzahl deutscher Verwaltungen als ausgemacht, daß die Einnahmen aus dem Personenverkehr dessen Selbstkosten nicht decken. Allerdings sei die rechnerische Verteilung der Gesamtkosten auf Personen- und Güterverkehr ganz unmöglich. Es würde aber auch nichts nützen, wenn man die Kosten des Personenverkehrs genau berechnen könnte, denn es wäre sehr zweifelhaft, ob die danach sich ergebenden Tarifsätze überhaupt durchführbar wären, ob alsdann nicht ein großer Verkehrsrückgang eintreten würde. Mit diesem Rückgange würden sich aber die Kosten der einzelnen Verkehrsleistung wieder erhöhen, die Tarife müßten, wenn die Selbstkostenrechnung maßgebend wäre, noch weiter gesteigert werden. Dieser Weg sei daher nicht gangbar. Im übrigen müßten die Staatseisenbahnverwaltungen den Personenverkehr aus allgemein volkswirtschaftlichen Gründen auch dann beibehalten, wenn er die Kosten nicht decken würde.

Es wäre gewagt, die Deckung der Selbstkosten durch Erhöhung der Tarife erreichen zu wollen, allein ebenso gewagt, in der Hoffnung auf große Verkehrszunahmen dasselbe Ziel einfach durch Herabsetzung der Tarife erreichen zu wollen. In dieser Hinsicht hätten Dänemark und Ungarn schlimme Erfahrungen gemacht und sich deshalb zu einer Umkehr auf dem Wege der Tarifherabsetzung entschließen müssen.

Wenn es aber nicht möglich sei, die Selbstkosten genau zu berechnen, so wüßte man doch, daß die Kosten mit der Ausstattung der Wagen, mit dem auf einen Sitzplatz durchschnittlich treffenden Aufwand, mit der Schnelligkeit der Beförderung wachsen, und daß deshalb die Tarife für die höheren Wagenklassen, für die schnell fahrenden Züge höher sein dürfen. Die Unterschiede dürften aber nicht zu groß sein, weil der Hauptvorteil des Eisenbahntransportes, die schnelle und sichere Beförderung, in allen Klassen desselben Zuges gleichmäßig geboten werde.

In Kap. XXII (Güter- und Tiertarif) des gleichen Werkes führt Geheimer Regierungsrat Laury zur Selbstkostenfrage aus, daß die Selbstkosten die Grenze nach unten bilden, hinter der die Tarife regelmäßig nicht zurückbleiben dürfen, wenn der Betrieb wirtschaftlich bleiben soll; die Grenze nach oben bildet der Wert, den die Verkehrsleistung für die Interessenten hat. Zu den Selbstkosten gehören Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals, ferner die Betriebskosten. Zu den festen Selbstkosten seien Verzinsung und Tilgung, ferner erfahrungsgemäß etwa die Hälfte der Betriebskosten zu rechnen. Die veränderlichen Selbstkosten steigen und fallen mit der Größe des Verkehrs, sind also für die Leistungseinheit (tkm) gleich. Dagegen sei der auf die Leistungseinheit entfallende Anteil der festen Selbstkosten um so kleiner, je größer der Verkehr ist. Diese Abnahme der Selbstkosten mit der Größe des Verkehrs (Preisgesetz des Verkehrs) gelte auch für die gesamten Selbstkosten, weil die festen Selbstkosten wesentlich größer sind als die veränderlichen. Daher bestehe nicht nur eine Abhängigkeit des Frachtsatzes von den Selbstkosten, sondern auch umgekehrt der Selbstkosten von einem Frachtsatze, der Verkehrszuwachs schaffe. Da sich hiernach die Selbstkosten mit der Größe des Verkehrs ändern, auch für jede Bahn und jede Linie verschieden sind, da sie sich auch gar nicht genau berechnen lassen, bilden sie eine zu schwankende und zu unsichere Grundlage. Man könne ihnen deshalb einen Einfluß auf die Tarifbildung im allgemeinen nicht einräumen.

G. Übersicht der B. der Bahnen verschiedener Staaten von 1900 bis 1909. Die Tabellen Seite 302–305 ermöglichen einen Vergleich der B. der Bahnen einer Reihe von Staaten.

Heubach.


Betriebseröffnung (opening of a line; ouverture de l'exploitation d'un chemin de fer; attivazione dell'esercizio), die Einführung des öffentlichen Verkehrs auf einer Bahnstrecke. Diese kann sich auf den Personen- und Güterverkehr oder auf beide gemeinsam erstrecken. Die B. kommt nicht nur bei neuausgebauten Bahnstrecken in Frage, sondern auch bei neuen zweiten oder weiteren Gleisen und bei der Anlage von neuen und weiteren Stationen an bereits in Betrieb befindlichen Bahnstrecken.

Unabhängig von der Eröffnung einer Bahn für den öffentlichen Verkehr ist die Einführung des Arbeitszugbetriebes (s. Arbeitszug) auf der neuen Bahnstrecke. Dieser wird im allgemeinen auf Eisenbahnneubaustrecken zur Erleichterung der Anfuhr von Baustoffen vor der Einführung des öffentlichen Verkehrs eingeleitet. Bei der Einführung des Arbeitszugbetriebes unterscheidet man zwischen dem Arbeitszugbetrieb des Unternehmers mittels Rollwagen und dem Arbeitszugbetrieb auf dem endgültigen Oberbau eines Teiles der neuen Bahnstrecke. Die Befugnis zum Befahren der Neubaustrecke liegt meist schon in der Baugenehmigung, erfordert aber in der Regel noch die besondere Genehmigung der staatlichen Behörden und verpflichtet den Unternehmer zur Einrichtung umfassender Vorsichtsmaßregeln, berechtigt ihn aber nicht, beim Baue nicht beschäftigten Personen die Mitfahrt zu gestatten.

Die Einführung des öffentlichen Verkehrs auf neuen Eisenbahnstrecken, auf zweiten und weiteren Gleisen sowie auf neuen und erweiterten Stationen kann in Ländern, deren Eisenbahnen unter Aufsicht der Staatsgewalt stehen, nur nach erteilter Genehmigung der Aufsichtsbehörde erfolgen, gleichgültig, ob es sich um Haupt-, Neben- oder Kleinbahnen, Staats- oder Privatbahnen handelt (s. Abnahme der Bahn). Die Genehmigung zur B. ist an die Erfüllung einer Reihe von Bedingungen geknüpft, um die Sicherheit und Regelmäßigkeit des Betriebs nach dem Zeitpunkt der B. sicherzustellen.

Unabhängig von der Prüfung und Abnahme einer Bahnlinie durch die Staatsbehörde wird auch die Bahnverwaltung selbst im eigenen Interesse vor der B. eine genaue eisenbahntechnische Prüfung vornehmen, um festzustellen,

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[306/0316] Im gleichen Werke, Kap. XIX (Personentarif), sagt Präsident v. Stieler, es gelte für eine größere Anzahl deutscher Verwaltungen als ausgemacht, daß die Einnahmen aus dem Personenverkehr dessen Selbstkosten nicht decken. Allerdings sei die rechnerische Verteilung der Gesamtkosten auf Personen- und Güterverkehr ganz unmöglich. Es würde aber auch nichts nützen, wenn man die Kosten des Personenverkehrs genau berechnen könnte, denn es wäre sehr zweifelhaft, ob die danach sich ergebenden Tarifsätze überhaupt durchführbar wären, ob alsdann nicht ein großer Verkehrsrückgang eintreten würde. Mit diesem Rückgange würden sich aber die Kosten der einzelnen Verkehrsleistung wieder erhöhen, die Tarife müßten, wenn die Selbstkostenrechnung maßgebend wäre, noch weiter gesteigert werden. Dieser Weg sei daher nicht gangbar. Im übrigen müßten die Staatseisenbahnverwaltungen den Personenverkehr aus allgemein volkswirtschaftlichen Gründen auch dann beibehalten, wenn er die Kosten nicht decken würde. Es wäre gewagt, die Deckung der Selbstkosten durch Erhöhung der Tarife erreichen zu wollen, allein ebenso gewagt, in der Hoffnung auf große Verkehrszunahmen dasselbe Ziel einfach durch Herabsetzung der Tarife erreichen zu wollen. In dieser Hinsicht hätten Dänemark und Ungarn schlimme Erfahrungen gemacht und sich deshalb zu einer Umkehr auf dem Wege der Tarifherabsetzung entschließen müssen. Wenn es aber nicht möglich sei, die Selbstkosten genau zu berechnen, so wüßte man doch, daß die Kosten mit der Ausstattung der Wagen, mit dem auf einen Sitzplatz durchschnittlich treffenden Aufwand, mit der Schnelligkeit der Beförderung wachsen, und daß deshalb die Tarife für die höheren Wagenklassen, für die schnell fahrenden Züge höher sein dürfen. Die Unterschiede dürften aber nicht zu groß sein, weil der Hauptvorteil des Eisenbahntransportes, die schnelle und sichere Beförderung, in allen Klassen desselben Zuges gleichmäßig geboten werde. In Kap. XXII (Güter- und Tiertarif) des gleichen Werkes führt Geheimer Regierungsrat Laury zur Selbstkostenfrage aus, daß die Selbstkosten die Grenze nach unten bilden, hinter der die Tarife regelmäßig nicht zurückbleiben dürfen, wenn der Betrieb wirtschaftlich bleiben soll; die Grenze nach oben bildet der Wert, den die Verkehrsleistung für die Interessenten hat. Zu den Selbstkosten gehören Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals, ferner die Betriebskosten. Zu den festen Selbstkosten seien Verzinsung und Tilgung, ferner erfahrungsgemäß etwa die Hälfte der Betriebskosten zu rechnen. Die veränderlichen Selbstkosten steigen und fallen mit der Größe des Verkehrs, sind also für die Leistungseinheit (tkm) gleich. Dagegen sei der auf die Leistungseinheit entfallende Anteil der festen Selbstkosten um so kleiner, je größer der Verkehr ist. Diese Abnahme der Selbstkosten mit der Größe des Verkehrs (Preisgesetz des Verkehrs) gelte auch für die gesamten Selbstkosten, weil die festen Selbstkosten wesentlich größer sind als die veränderlichen. Daher bestehe nicht nur eine Abhängigkeit des Frachtsatzes von den Selbstkosten, sondern auch umgekehrt der Selbstkosten von einem Frachtsatze, der Verkehrszuwachs schaffe. Da sich hiernach die Selbstkosten mit der Größe des Verkehrs ändern, auch für jede Bahn und jede Linie verschieden sind, da sie sich auch gar nicht genau berechnen lassen, bilden sie eine zu schwankende und zu unsichere Grundlage. Man könne ihnen deshalb einen Einfluß auf die Tarifbildung im allgemeinen nicht einräumen. G. Übersicht der B. der Bahnen verschiedener Staaten von 1900 bis 1909. Die Tabellen Seite 302–305 ermöglichen einen Vergleich der B. der Bahnen einer Reihe von Staaten. Heubach. Betriebseröffnung (opening of a line; ouverture de l'exploitation d'un chemin de fer; attivazione dell'esercizio), die Einführung des öffentlichen Verkehrs auf einer Bahnstrecke. Diese kann sich auf den Personen- und Güterverkehr oder auf beide gemeinsam erstrecken. Die B. kommt nicht nur bei neuausgebauten Bahnstrecken in Frage, sondern auch bei neuen zweiten oder weiteren Gleisen und bei der Anlage von neuen und weiteren Stationen an bereits in Betrieb befindlichen Bahnstrecken. Unabhängig von der Eröffnung einer Bahn für den öffentlichen Verkehr ist die Einführung des Arbeitszugbetriebes (s. Arbeitszug) auf der neuen Bahnstrecke. Dieser wird im allgemeinen auf Eisenbahnneubaustrecken zur Erleichterung der Anfuhr von Baustoffen vor der Einführung des öffentlichen Verkehrs eingeleitet. Bei der Einführung des Arbeitszugbetriebes unterscheidet man zwischen dem Arbeitszugbetrieb des Unternehmers mittels Rollwagen und dem Arbeitszugbetrieb auf dem endgültigen Oberbau eines Teiles der neuen Bahnstrecke. Die Befugnis zum Befahren der Neubaustrecke liegt meist schon in der Baugenehmigung, erfordert aber in der Regel noch die besondere Genehmigung der staatlichen Behörden und verpflichtet den Unternehmer zur Einrichtung umfassender Vorsichtsmaßregeln, berechtigt ihn aber nicht, beim Baue nicht beschäftigten Personen die Mitfahrt zu gestatten. Die Einführung des öffentlichen Verkehrs auf neuen Eisenbahnstrecken, auf zweiten und weiteren Gleisen sowie auf neuen und erweiterten Stationen kann in Ländern, deren Eisenbahnen unter Aufsicht der Staatsgewalt stehen, nur nach erteilter Genehmigung der Aufsichtsbehörde erfolgen, gleichgültig, ob es sich um Haupt-, Neben- oder Kleinbahnen, Staats- oder Privatbahnen handelt (s. Abnahme der Bahn). Die Genehmigung zur B. ist an die Erfüllung einer Reihe von Bedingungen geknüpft, um die Sicherheit und Regelmäßigkeit des Betriebs nach dem Zeitpunkt der B. sicherzustellen. Unabhängig von der Prüfung und Abnahme einer Bahnlinie durch die Staatsbehörde wird auch die Bahnverwaltung selbst im eigenen Interesse vor der B. eine genaue eisenbahntechnische Prüfung vornehmen, um festzustellen,

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen02_1912/316>, abgerufen am 16.07.2024.