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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912.

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Hindernisse, die die Natur diesem großartigen Kulturwerke voraussichtlich entgegenstellt, nicht gar zu groß, so kann damit gerechnet werden, daß etwa 1919 die Verbindung mit dem fernen Osten geschaffen sein wird.

II. Land und Leute. Das Amurgebiet, um dessen Erschließung es sich bei dem Bau der A. handelt, ist ein Gebirgsland. Das Stanowoigebirge bildet die Wasserscheide zwischen dem Stromgebiet des Lena- und des Amurstromes, während die zweite Bergkette, das kleine Chingangebirge, die Wasserscheide zwischen den Flüssen, die in den mittleren Amur und in das Ochotskische Meer fallen, ist, endlich kommt noch als dritte Bergkette das große Chingangebirge in Betracht, das die Wasserscheide zwischen den Flüssen Amasar und Oldoi bildet. Diese Hauptbergzüge, die sich allmählich abflachen, laufen dann aus in die Niederungen der Flußgebiete des Sselemdsha, Tom, Sawitaja, Seja und Bureja, die eine Fläche von 150.000 Quadratwerst umfassen, während die Niederung des mittleren Amur eine Breite von 50-100 Werst aufweist.

Das Klima ist hier streng kontinental, daher der Winter kalt (- 23·26°), der Sommer, der nur 3 Monate dauert, heiß (+ 19·83°), die Durchschnittstemperatur niedrig (- 0·55°). Dazu kommt, daß der südliche Teil des Gebietes im Winter ohne Schnee bleibt, während der mittlere, an den Amurstrom sich anlehnende Teil eine reichliche Schneedecke hat. Obgleich hiernach die klimatischen Verhältnisse keine günstigen, sondern rauhe sind, bedecken doch unermeßliche Waldungen die Gebirge, der Baumwuchs ist allgemein sehr reich und üppig. Von diesen Waldungen, deren entlegenere Teile noch nie ein menschlicher Fuß betreten hat, steht ein verhältnismäßig kleiner Teil, nämlich 30,000.000 Deßjatinen (= 32,775.000 ha) unter Aufsicht der Forstverwaltung. Der Rest bleibt einstweilen sich selbst überlassen, bis die Zeit soweit herangereift ist, daß von der Stammbahn am nördlichen Ufer des Amurstromes Eisenbahnen nach Norden gebaut werden und damit auch dorthin die Kultur allmählich getragen werden kann.

Neben dem Reichtum an Wäldern erzeugt der fruchtbare Boden daselbst Weizen, Sommerroggen, Buchweizen, Gerste und Hirse. Vor allem aber gedeiht Hafer besonders gut und nimmt unter den Feldfrüchten die weitaus erste Stelle ein.

Wenn auch der Ackerbau in den ausgedehnten und fruchtbaren Tälern eine sehr wichtige Rolle für den Erwerb der Bevölkerung spielt, so ist sie doch keineswegs auf den Ackerbau allein angewiesen, denn die Viehzucht ist nicht unbedeutend, wenn man die geringe Einwohnerzahl berücksichtigt.

Endlich aber spielt hier die Tierwelt in den Flüssen, Wäldern und in den Lüften durch ihren Reichtum eine recht erhebliche Rolle, weil die Jagd und der Fischfang den Bewohnern große wirtschaftliche Vorteile bieten, namentlich die Jagd auf die Tiere, deren Fellwerk hoch im Preise steht, wie Zobel, Marder, Bär u. s. w. Ferner wird hier das Elentier, der Hirsch, das Wildschwein, der Gebirgswolf, der Tiger und viele andere Säugetiere, von denen 75 Gattungen bisher gezählt worden sind, gejagt.

Nicht viel weniger wichtig für die Ernährung und den Erwerb der Bevölkerung ist der Fischreichtum der vielen und großen Flüsse.

Es ergibt sich aus allem, daß die Natur hier im Gebiet der künftigen A. in reichem Maße zusammengetragen hat, was wohl geeignet sein könnte, für die Entwicklung des Landes eine gesunde Unterlage zu bilden. Und wenn das jetzt schon so ist, wo die Anzahl der Menschen so außerordentlich sparsam und dünn gesät ist, so ist die Annahme gewiß nicht unberechtigt, daß mit zunehmender Bevölkerung die Bedeutung des Gebietes, der Ertrag der Ernten und der Gewinn aus allem, was sonst die Natur bietet, sich sehr erheblich steigern wird.

Von besonderer Wichtigkeit ist die Frage, ob die angesichts der dünngesäten Bevölkerung unerläßliche Kolonisation glücken wird und ob sie schnell genug durchgeführt werden kann. Voraussetzung hierfür ist gewiß die Eisenbahn und daher auch deren Bau von diesem Standpunkt aus unerläßlich, denn sie wird erst die Möglichkeit bieten, die Ansiedler in größerer Zahl ins Amurgebiet, das wie kein anderer Teil des Reiches gefährdet ist, zu schaffen.

Hierbei wird aber eine Anziehung für den Anfang, wie es scheint, fehlen, nämlich das Gold. Soviel die geologischen Untersuchungen bisher gezeigt haben, ist Gold zunächst im Gebiete der "Kopfstrecke" und der "Weststrecke" als vorhanden festgestellt worden, u. zw. in nächster Nähe der geplanten Bahn. Dagegen ist an der "Mittel-" und "Oststrecke" nur an einer einzigen Stelle Gold gefunden worden, im Flußgebiet des Bidshan und Ssutar. Aber man darf wohl annehmen, daß, da im westlichen Teil der A. fast überall Gold gefunden worden ist, es sich auch hier reichlich finden wird. Es ist offenbar bisher in dieser vom Verkehr noch nicht erschlossenen Gegend nicht gesucht worden.

Hindernisse, die die Natur diesem großartigen Kulturwerke voraussichtlich entgegenstellt, nicht gar zu groß, so kann damit gerechnet werden, daß etwa 1919 die Verbindung mit dem fernen Osten geschaffen sein wird.

II. Land und Leute. Das Amurgebiet, um dessen Erschließung es sich bei dem Bau der A. handelt, ist ein Gebirgsland. Das Stanowoigebirge bildet die Wasserscheide zwischen dem Stromgebiet des Lena- und des Amurstromes, während die zweite Bergkette, das kleine Chingangebirge, die Wasserscheide zwischen den Flüssen, die in den mittleren Amur und in das Ochotskische Meer fallen, ist, endlich kommt noch als dritte Bergkette das große Chingangebirge in Betracht, das die Wasserscheide zwischen den Flüssen Amasar und Oldoi bildet. Diese Hauptbergzüge, die sich allmählich abflachen, laufen dann aus in die Niederungen der Flußgebiete des Sselemdsha, Tom, Sawitaja, Seja und Bureja, die eine Fläche von 150.000 Quadratwerst umfassen, während die Niederung des mittleren Amur eine Breite von 50–100 Werst aufweist.

Das Klima ist hier streng kontinental, daher der Winter kalt (– 23·26°), der Sommer, der nur 3 Monate dauert, heiß (+ 19·83°), die Durchschnittstemperatur niedrig (– 0·55°). Dazu kommt, daß der südliche Teil des Gebietes im Winter ohne Schnee bleibt, während der mittlere, an den Amurstrom sich anlehnende Teil eine reichliche Schneedecke hat. Obgleich hiernach die klimatischen Verhältnisse keine günstigen, sondern rauhe sind, bedecken doch unermeßliche Waldungen die Gebirge, der Baumwuchs ist allgemein sehr reich und üppig. Von diesen Waldungen, deren entlegenere Teile noch nie ein menschlicher Fuß betreten hat, steht ein verhältnismäßig kleiner Teil, nämlich 30,000.000 Deßjatinen (= 32,775.000 ha) unter Aufsicht der Forstverwaltung. Der Rest bleibt einstweilen sich selbst überlassen, bis die Zeit soweit herangereift ist, daß von der Stammbahn am nördlichen Ufer des Amurstromes Eisenbahnen nach Norden gebaut werden und damit auch dorthin die Kultur allmählich getragen werden kann.

Neben dem Reichtum an Wäldern erzeugt der fruchtbare Boden daselbst Weizen, Sommerroggen, Buchweizen, Gerste und Hirse. Vor allem aber gedeiht Hafer besonders gut und nimmt unter den Feldfrüchten die weitaus erste Stelle ein.

Wenn auch der Ackerbau in den ausgedehnten und fruchtbaren Tälern eine sehr wichtige Rolle für den Erwerb der Bevölkerung spielt, so ist sie doch keineswegs auf den Ackerbau allein angewiesen, denn die Viehzucht ist nicht unbedeutend, wenn man die geringe Einwohnerzahl berücksichtigt.

Endlich aber spielt hier die Tierwelt in den Flüssen, Wäldern und in den Lüften durch ihren Reichtum eine recht erhebliche Rolle, weil die Jagd und der Fischfang den Bewohnern große wirtschaftliche Vorteile bieten, namentlich die Jagd auf die Tiere, deren Fellwerk hoch im Preise steht, wie Zobel, Marder, Bär u. s. w. Ferner wird hier das Elentier, der Hirsch, das Wildschwein, der Gebirgswolf, der Tiger und viele andere Säugetiere, von denen 75 Gattungen bisher gezählt worden sind, gejagt.

Nicht viel weniger wichtig für die Ernährung und den Erwerb der Bevölkerung ist der Fischreichtum der vielen und großen Flüsse.

Es ergibt sich aus allem, daß die Natur hier im Gebiet der künftigen A. in reichem Maße zusammengetragen hat, was wohl geeignet sein könnte, für die Entwicklung des Landes eine gesunde Unterlage zu bilden. Und wenn das jetzt schon so ist, wo die Anzahl der Menschen so außerordentlich sparsam und dünn gesät ist, so ist die Annahme gewiß nicht unberechtigt, daß mit zunehmender Bevölkerung die Bedeutung des Gebietes, der Ertrag der Ernten und der Gewinn aus allem, was sonst die Natur bietet, sich sehr erheblich steigern wird.

Von besonderer Wichtigkeit ist die Frage, ob die angesichts der dünngesäten Bevölkerung unerläßliche Kolonisation glücken wird und ob sie schnell genug durchgeführt werden kann. Voraussetzung hierfür ist gewiß die Eisenbahn und daher auch deren Bau von diesem Standpunkt aus unerläßlich, denn sie wird erst die Möglichkeit bieten, die Ansiedler in größerer Zahl ins Amurgebiet, das wie kein anderer Teil des Reiches gefährdet ist, zu schaffen.

Hierbei wird aber eine Anziehung für den Anfang, wie es scheint, fehlen, nämlich das Gold. Soviel die geologischen Untersuchungen bisher gezeigt haben, ist Gold zunächst im Gebiete der „Kopfstrecke“ und der „Weststrecke“ als vorhanden festgestellt worden, u. zw. in nächster Nähe der geplanten Bahn. Dagegen ist an der „Mittel-“ und „Oststrecke“ nur an einer einzigen Stelle Gold gefunden worden, im Flußgebiet des Bidshan und Ssutar. Aber man darf wohl annehmen, daß, da im westlichen Teil der A. fast überall Gold gefunden worden ist, es sich auch hier reichlich finden wird. Es ist offenbar bisher in dieser vom Verkehr noch nicht erschlossenen Gegend nicht gesucht worden.

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[150/0159] Hindernisse, die die Natur diesem großartigen Kulturwerke voraussichtlich entgegenstellt, nicht gar zu groß, so kann damit gerechnet werden, daß etwa 1919 die Verbindung mit dem fernen Osten geschaffen sein wird. II. Land und Leute. Das Amurgebiet, um dessen Erschließung es sich bei dem Bau der A. handelt, ist ein Gebirgsland. Das Stanowoigebirge bildet die Wasserscheide zwischen dem Stromgebiet des Lena- und des Amurstromes, während die zweite Bergkette, das kleine Chingangebirge, die Wasserscheide zwischen den Flüssen, die in den mittleren Amur und in das Ochotskische Meer fallen, ist, endlich kommt noch als dritte Bergkette das große Chingangebirge in Betracht, das die Wasserscheide zwischen den Flüssen Amasar und Oldoi bildet. Diese Hauptbergzüge, die sich allmählich abflachen, laufen dann aus in die Niederungen der Flußgebiete des Sselemdsha, Tom, Sawitaja, Seja und Bureja, die eine Fläche von 150.000 Quadratwerst umfassen, während die Niederung des mittleren Amur eine Breite von 50–100 Werst aufweist. Das Klima ist hier streng kontinental, daher der Winter kalt (– 23·26°), der Sommer, der nur 3 Monate dauert, heiß (+ 19·83°), die Durchschnittstemperatur niedrig (– 0·55°). Dazu kommt, daß der südliche Teil des Gebietes im Winter ohne Schnee bleibt, während der mittlere, an den Amurstrom sich anlehnende Teil eine reichliche Schneedecke hat. Obgleich hiernach die klimatischen Verhältnisse keine günstigen, sondern rauhe sind, bedecken doch unermeßliche Waldungen die Gebirge, der Baumwuchs ist allgemein sehr reich und üppig. Von diesen Waldungen, deren entlegenere Teile noch nie ein menschlicher Fuß betreten hat, steht ein verhältnismäßig kleiner Teil, nämlich 30,000.000 Deßjatinen (= 32,775.000 ha) unter Aufsicht der Forstverwaltung. Der Rest bleibt einstweilen sich selbst überlassen, bis die Zeit soweit herangereift ist, daß von der Stammbahn am nördlichen Ufer des Amurstromes Eisenbahnen nach Norden gebaut werden und damit auch dorthin die Kultur allmählich getragen werden kann. Neben dem Reichtum an Wäldern erzeugt der fruchtbare Boden daselbst Weizen, Sommerroggen, Buchweizen, Gerste und Hirse. Vor allem aber gedeiht Hafer besonders gut und nimmt unter den Feldfrüchten die weitaus erste Stelle ein. Wenn auch der Ackerbau in den ausgedehnten und fruchtbaren Tälern eine sehr wichtige Rolle für den Erwerb der Bevölkerung spielt, so ist sie doch keineswegs auf den Ackerbau allein angewiesen, denn die Viehzucht ist nicht unbedeutend, wenn man die geringe Einwohnerzahl berücksichtigt. Endlich aber spielt hier die Tierwelt in den Flüssen, Wäldern und in den Lüften durch ihren Reichtum eine recht erhebliche Rolle, weil die Jagd und der Fischfang den Bewohnern große wirtschaftliche Vorteile bieten, namentlich die Jagd auf die Tiere, deren Fellwerk hoch im Preise steht, wie Zobel, Marder, Bär u. s. w. Ferner wird hier das Elentier, der Hirsch, das Wildschwein, der Gebirgswolf, der Tiger und viele andere Säugetiere, von denen 75 Gattungen bisher gezählt worden sind, gejagt. Nicht viel weniger wichtig für die Ernährung und den Erwerb der Bevölkerung ist der Fischreichtum der vielen und großen Flüsse. Es ergibt sich aus allem, daß die Natur hier im Gebiet der künftigen A. in reichem Maße zusammengetragen hat, was wohl geeignet sein könnte, für die Entwicklung des Landes eine gesunde Unterlage zu bilden. Und wenn das jetzt schon so ist, wo die Anzahl der Menschen so außerordentlich sparsam und dünn gesät ist, so ist die Annahme gewiß nicht unberechtigt, daß mit zunehmender Bevölkerung die Bedeutung des Gebietes, der Ertrag der Ernten und der Gewinn aus allem, was sonst die Natur bietet, sich sehr erheblich steigern wird. Von besonderer Wichtigkeit ist die Frage, ob die angesichts der dünngesäten Bevölkerung unerläßliche Kolonisation glücken wird und ob sie schnell genug durchgeführt werden kann. Voraussetzung hierfür ist gewiß die Eisenbahn und daher auch deren Bau von diesem Standpunkt aus unerläßlich, denn sie wird erst die Möglichkeit bieten, die Ansiedler in größerer Zahl ins Amurgebiet, das wie kein anderer Teil des Reiches gefährdet ist, zu schaffen. Hierbei wird aber eine Anziehung für den Anfang, wie es scheint, fehlen, nämlich das Gold. Soviel die geologischen Untersuchungen bisher gezeigt haben, ist Gold zunächst im Gebiete der „Kopfstrecke“ und der „Weststrecke“ als vorhanden festgestellt worden, u. zw. in nächster Nähe der geplanten Bahn. Dagegen ist an der „Mittel-“ und „Oststrecke“ nur an einer einzigen Stelle Gold gefunden worden, im Flußgebiet des Bidshan und Ssutar. Aber man darf wohl annehmen, daß, da im westlichen Teil der A. fast überall Gold gefunden worden ist, es sich auch hier reichlich finden wird. Es ist offenbar bisher in dieser vom Verkehr noch nicht erschlossenen Gegend nicht gesucht worden.

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen01_1912/159>, abgerufen am 17.09.2024.