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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912.

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Chile (16 km), Mexiko (16·6 km) und Brasilien (9·8 km) erhebliche Längen an Eisenbahnen auf. Die mittel- und südamerikanischen Staaten stehen in der Entwicklung des Eisenbahnbaues den nördlichen Staaten gegenüber zurück, ein Umstand, der durch die gesamte Entwicklung der Kultur, die klimatischen und die Bodenverhältnisse der Länder genügend erklärt wird.

In keinem Teile A.s begegnet der Eisenbahnbau heute noch unüberwindlichen Schwierigkeiten, und die Technik hat sich der Lösung der ihr auf diesem Gebiet zufallenden Aufgaben durchaus gewachsen gezeigt; sie hat es vor allem verstanden, die zur Erschließung gänzlich unkultivierter Landesteile bestimmten, aus politischen und wirtschaftlichen Gründen notwendig gewordenen großen Überlandbahnen zwischen dem Atlantischen und Stillen Ozean unter Aufwendung verhältnismäßig bescheidener Geldmittel und in überraschend kurzer Frist fertig zu stellen. Obgleich einzelne dieser Bahnen hohe Gebirgskämme überschreiten, weisen sie z. B. nur wenige und nicht ungewöhnlich lange Tunnel auf. In Südamerika befinden sich die höchstgelegenen Eisenbahnen der Welt. Die Bahn von Lima nach Oroya führt am Ostabhang der Kordilleren hinauf und ihr höchster Punkt liegt 4760 m ü. M., also fast in gleicher Höhe wie der Montblanc. Ihre Länge beträgt 208 km. Ihr Erbauer ist der amerikanische Ingenieur Meiggs. Noch höher liegt die Antofagasta-Bahn von Antofagasta in Chile nach Oruro in Bolivien deren eine Zweigbahn eine Höhe von 4820 m ersteigt.

Eine ganz eigenartige Aufgabe hatte sich der am 8. März 1887 verstorbene Ingenieur James B. Eads in der Anlage einer Schiffseisenbahn über den Isthmus von Tehuantepek gestellt, deren Plan nach dem Tode von Eads nicht weiter verfolgt worden ist.

Beim Bau der Eisenbahnen hat man sich tunlichst den Bodenverhältnissen angepaßt, und erheblich weniger, als in anderen Ländern auf Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der Anlagen Bedacht genommen. Schon die Spurweite der Hauptbahnen wechselte vom Anfang an und ist noch heute, selbst in den Vereinigten Staaten, eine verschiedene. Die sog. Normal-(Voll)spur ist auf den amerikanischen Bahnen die gleiche wie auf denen der übrigen Länder (4 Fuß 81/2 Zoll englisch = 1·435 m). Außerdem finden sich Spurweiten von 1·678, 1·525, 1·474, 1·449, 1·068, 0·915, 0·763 m; in Canada eine Spurweite von 1·678 m. In Brasilien hat die große Mehrzahl der Bahnen eine Spurweite von 1 m, doch findet sich auch dort die breite Spur von 1·65 m und Spuren von 1·40, 1·20, 0·95 m. Auf der Grand Trunk Railway in Canada wurde im Jahre 1873 an einem Tag die Breitspur in die Vollspur umgewandelt. Eine ähnliche technische Leistung ist die Umwandlung der Spur der südlichen Bahnen der Vereinigten Staaten von 1·525 m auf eine der Vollspur fast gleiche Spurweite (4 Fuß 9 Zoll statt 4 Fuß 81/2 Zoll). Diese Arbeit wurde in der Zeit vom 31. Mai bis 2. Juni 1886 auf 18.500 km Eisenbahnen durchgeführt. Auf der Eriebahn liegen drei Schienen. Sie hat neben der Breitspur von 1·830 m auch die Vollspur von 1·435 m.

Das herrschende Eisenbahnsystem A.s ist das der Privatbahnen. In den Vereinigten Staaten besteht dies ausschließlich, in den mittel- und südamerikanischen Staaten, vornehmlich in Brasilien, in Chili und in Argentinien sind viele Bahnen auch im Eigentum und der Verwaltung des Staates, in Britisch-Nordamerika sind einige Staatsbahnen vorhanden und die größeren Privatbahnen sind von der Regierung stark unterstützt worden. In Mexiko hat sich die Regierung durch Erwerb der Mehrheit der Aktien auf einigen der großen Bahnen Einfluß auf die Verwaltung gesichert. Die Privatbahnen werden meist von Aktiengesellschaften betrieben; sie sind von den Regierungen durch Schenkung von Ländereien, Gewährung von Geldbeträgen, Zinsbürgschaften, Übernahme von Aktien und Obligationen vielfach, insbesondere da unterstützt worden, wo nennenswerte Erträge für die ersten Betriebsjahre nicht zu erwarten waren.

Die Anlagekosten der amerikanischen Bahnen sind untereinander sehr verschieden. Durchschnittlich sind sie niedriger als in Europa, was hauptsächlich seinen Grund darin hat, daß der Erwerb von Grund und Boden bei zahlreichen amerikanischen Bahnen gar keine oder nur unbedeutende Kosten verursacht, und daß viele Eisenbahnen einfacher und ohne Luxus gebaut und dürftiger mit Betriebsmitteln ausgestattet sind. Die Anlagekosten der Vereinigten Staaten werden (im Jahre 1909) auf 192·718 M. für das Kilometer angegeben; für die canadischen betrugen sie 145·233 M., für die argentinischen 145.636 M.

Die Mittel zum Bau der Bahnen sind nicht allein in Amerika aufgebracht. Der hohe Zinsfuß, den die noch dazu mehrfach staatlich garantierten amerikanischen Prioritäten früher gewährten, und die beträchtlichen Dividenden, die zeitweise von einzelnen Bahnen herausgewirtschaftet wurden, haben deutsche, französische und englische Kapitalisten bestimmt, ihre Gelder in amerikanischen Eisenbahnpapieren anzulegen. Das deutsche Kapital hat

Chile (16 km), Mexiko (16·6 km) und Brasilien (9·8 km) erhebliche Längen an Eisenbahnen auf. Die mittel- und südamerikanischen Staaten stehen in der Entwicklung des Eisenbahnbaues den nördlichen Staaten gegenüber zurück, ein Umstand, der durch die gesamte Entwicklung der Kultur, die klimatischen und die Bodenverhältnisse der Länder genügend erklärt wird.

In keinem Teile A.s begegnet der Eisenbahnbau heute noch unüberwindlichen Schwierigkeiten, und die Technik hat sich der Lösung der ihr auf diesem Gebiet zufallenden Aufgaben durchaus gewachsen gezeigt; sie hat es vor allem verstanden, die zur Erschließung gänzlich unkultivierter Landesteile bestimmten, aus politischen und wirtschaftlichen Gründen notwendig gewordenen großen Überlandbahnen zwischen dem Atlantischen und Stillen Ozean unter Aufwendung verhältnismäßig bescheidener Geldmittel und in überraschend kurzer Frist fertig zu stellen. Obgleich einzelne dieser Bahnen hohe Gebirgskämme überschreiten, weisen sie z. B. nur wenige und nicht ungewöhnlich lange Tunnel auf. In Südamerika befinden sich die höchstgelegenen Eisenbahnen der Welt. Die Bahn von Lima nach Oroya führt am Ostabhang der Kordilleren hinauf und ihr höchster Punkt liegt 4760 m ü. M., also fast in gleicher Höhe wie der Montblanc. Ihre Länge beträgt 208 km. Ihr Erbauer ist der amerikanische Ingenieur Meiggs. Noch höher liegt die Antofagasta-Bahn von Antofagasta in Chile nach Oruro in Bolivien deren eine Zweigbahn eine Höhe von 4820 m ersteigt.

Eine ganz eigenartige Aufgabe hatte sich der am 8. März 1887 verstorbene Ingenieur James B. Eads in der Anlage einer Schiffseisenbahn über den Isthmus von Tehuantepek gestellt, deren Plan nach dem Tode von Eads nicht weiter verfolgt worden ist.

Beim Bau der Eisenbahnen hat man sich tunlichst den Bodenverhältnissen angepaßt, und erheblich weniger, als in anderen Ländern auf Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der Anlagen Bedacht genommen. Schon die Spurweite der Hauptbahnen wechselte vom Anfang an und ist noch heute, selbst in den Vereinigten Staaten, eine verschiedene. Die sog. Normal-(Voll)spur ist auf den amerikanischen Bahnen die gleiche wie auf denen der übrigen Länder (4 Fuß 81/2 Zoll englisch = 1·435 m). Außerdem finden sich Spurweiten von 1·678, 1·525, 1·474, 1·449, 1·068, 0·915, 0·763 m; in Canada eine Spurweite von 1·678 m. In Brasilien hat die große Mehrzahl der Bahnen eine Spurweite von 1 m, doch findet sich auch dort die breite Spur von 1·65 m und Spuren von 1·40, 1·20, 0·95 m. Auf der Grand Trunk Railway in Canada wurde im Jahre 1873 an einem Tag die Breitspur in die Vollspur umgewandelt. Eine ähnliche technische Leistung ist die Umwandlung der Spur der südlichen Bahnen der Vereinigten Staaten von 1·525 m auf eine der Vollspur fast gleiche Spurweite (4 Fuß 9 Zoll statt 4 Fuß 81/2 Zoll). Diese Arbeit wurde in der Zeit vom 31. Mai bis 2. Juni 1886 auf 18.500 km Eisenbahnen durchgeführt. Auf der Eriebahn liegen drei Schienen. Sie hat neben der Breitspur von 1·830 m auch die Vollspur von 1·435 m.

Das herrschende Eisenbahnsystem A.s ist das der Privatbahnen. In den Vereinigten Staaten besteht dies ausschließlich, in den mittel- und südamerikanischen Staaten, vornehmlich in Brasilien, in Chili und in Argentinien sind viele Bahnen auch im Eigentum und der Verwaltung des Staates, in Britisch-Nordamerika sind einige Staatsbahnen vorhanden und die größeren Privatbahnen sind von der Regierung stark unterstützt worden. In Mexiko hat sich die Regierung durch Erwerb der Mehrheit der Aktien auf einigen der großen Bahnen Einfluß auf die Verwaltung gesichert. Die Privatbahnen werden meist von Aktiengesellschaften betrieben; sie sind von den Regierungen durch Schenkung von Ländereien, Gewährung von Geldbeträgen, Zinsbürgschaften, Übernahme von Aktien und Obligationen vielfach, insbesondere da unterstützt worden, wo nennenswerte Erträge für die ersten Betriebsjahre nicht zu erwarten waren.

Die Anlagekosten der amerikanischen Bahnen sind untereinander sehr verschieden. Durchschnittlich sind sie niedriger als in Europa, was hauptsächlich seinen Grund darin hat, daß der Erwerb von Grund und Boden bei zahlreichen amerikanischen Bahnen gar keine oder nur unbedeutende Kosten verursacht, und daß viele Eisenbahnen einfacher und ohne Luxus gebaut und dürftiger mit Betriebsmitteln ausgestattet sind. Die Anlagekosten der Vereinigten Staaten werden (im Jahre 1909) auf 192·718 M. für das Kilometer angegeben; für die canadischen betrugen sie 145·233 M., für die argentinischen 145.636 M.

Die Mittel zum Bau der Bahnen sind nicht allein in Amerika aufgebracht. Der hohe Zinsfuß, den die noch dazu mehrfach staatlich garantierten amerikanischen Prioritäten früher gewährten, und die beträchtlichen Dividenden, die zeitweise von einzelnen Bahnen herausgewirtschaftet wurden, haben deutsche, französische und englische Kapitalisten bestimmt, ihre Gelder in amerikanischen Eisenbahnpapieren anzulegen. Das deutsche Kapital hat

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[146/0155] Chile (16 km), Mexiko (16·6 km) und Brasilien (9·8 km) erhebliche Längen an Eisenbahnen auf. Die mittel- und südamerikanischen Staaten stehen in der Entwicklung des Eisenbahnbaues den nördlichen Staaten gegenüber zurück, ein Umstand, der durch die gesamte Entwicklung der Kultur, die klimatischen und die Bodenverhältnisse der Länder genügend erklärt wird. In keinem Teile A.s begegnet der Eisenbahnbau heute noch unüberwindlichen Schwierigkeiten, und die Technik hat sich der Lösung der ihr auf diesem Gebiet zufallenden Aufgaben durchaus gewachsen gezeigt; sie hat es vor allem verstanden, die zur Erschließung gänzlich unkultivierter Landesteile bestimmten, aus politischen und wirtschaftlichen Gründen notwendig gewordenen großen Überlandbahnen zwischen dem Atlantischen und Stillen Ozean unter Aufwendung verhältnismäßig bescheidener Geldmittel und in überraschend kurzer Frist fertig zu stellen. Obgleich einzelne dieser Bahnen hohe Gebirgskämme überschreiten, weisen sie z. B. nur wenige und nicht ungewöhnlich lange Tunnel auf. In Südamerika befinden sich die höchstgelegenen Eisenbahnen der Welt. Die Bahn von Lima nach Oroya führt am Ostabhang der Kordilleren hinauf und ihr höchster Punkt liegt 4760 m ü. M., also fast in gleicher Höhe wie der Montblanc. Ihre Länge beträgt 208 km. Ihr Erbauer ist der amerikanische Ingenieur Meiggs. Noch höher liegt die Antofagasta-Bahn von Antofagasta in Chile nach Oruro in Bolivien deren eine Zweigbahn eine Höhe von 4820 m ersteigt. Eine ganz eigenartige Aufgabe hatte sich der am 8. März 1887 verstorbene Ingenieur James B. Eads in der Anlage einer Schiffseisenbahn über den Isthmus von Tehuantepek gestellt, deren Plan nach dem Tode von Eads nicht weiter verfolgt worden ist. Beim Bau der Eisenbahnen hat man sich tunlichst den Bodenverhältnissen angepaßt, und erheblich weniger, als in anderen Ländern auf Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der Anlagen Bedacht genommen. Schon die Spurweite der Hauptbahnen wechselte vom Anfang an und ist noch heute, selbst in den Vereinigten Staaten, eine verschiedene. Die sog. Normal-(Voll)spur ist auf den amerikanischen Bahnen die gleiche wie auf denen der übrigen Länder (4 Fuß 81/2 Zoll englisch = 1·435 m). Außerdem finden sich Spurweiten von 1·678, 1·525, 1·474, 1·449, 1·068, 0·915, 0·763 m; in Canada eine Spurweite von 1·678 m. In Brasilien hat die große Mehrzahl der Bahnen eine Spurweite von 1 m, doch findet sich auch dort die breite Spur von 1·65 m und Spuren von 1·40, 1·20, 0·95 m. Auf der Grand Trunk Railway in Canada wurde im Jahre 1873 an einem Tag die Breitspur in die Vollspur umgewandelt. Eine ähnliche technische Leistung ist die Umwandlung der Spur der südlichen Bahnen der Vereinigten Staaten von 1·525 m auf eine der Vollspur fast gleiche Spurweite (4 Fuß 9 Zoll statt 4 Fuß 81/2 Zoll). Diese Arbeit wurde in der Zeit vom 31. Mai bis 2. Juni 1886 auf 18.500 km Eisenbahnen durchgeführt. Auf der Eriebahn liegen drei Schienen. Sie hat neben der Breitspur von 1·830 m auch die Vollspur von 1·435 m. Das herrschende Eisenbahnsystem A.s ist das der Privatbahnen. In den Vereinigten Staaten besteht dies ausschließlich, in den mittel- und südamerikanischen Staaten, vornehmlich in Brasilien, in Chili und in Argentinien sind viele Bahnen auch im Eigentum und der Verwaltung des Staates, in Britisch-Nordamerika sind einige Staatsbahnen vorhanden und die größeren Privatbahnen sind von der Regierung stark unterstützt worden. In Mexiko hat sich die Regierung durch Erwerb der Mehrheit der Aktien auf einigen der großen Bahnen Einfluß auf die Verwaltung gesichert. Die Privatbahnen werden meist von Aktiengesellschaften betrieben; sie sind von den Regierungen durch Schenkung von Ländereien, Gewährung von Geldbeträgen, Zinsbürgschaften, Übernahme von Aktien und Obligationen vielfach, insbesondere da unterstützt worden, wo nennenswerte Erträge für die ersten Betriebsjahre nicht zu erwarten waren. Die Anlagekosten der amerikanischen Bahnen sind untereinander sehr verschieden. Durchschnittlich sind sie niedriger als in Europa, was hauptsächlich seinen Grund darin hat, daß der Erwerb von Grund und Boden bei zahlreichen amerikanischen Bahnen gar keine oder nur unbedeutende Kosten verursacht, und daß viele Eisenbahnen einfacher und ohne Luxus gebaut und dürftiger mit Betriebsmitteln ausgestattet sind. Die Anlagekosten der Vereinigten Staaten werden (im Jahre 1909) auf 192·718 M. für das Kilometer angegeben; für die canadischen betrugen sie 145·233 M., für die argentinischen 145.636 M. Die Mittel zum Bau der Bahnen sind nicht allein in Amerika aufgebracht. Der hohe Zinsfuß, den die noch dazu mehrfach staatlich garantierten amerikanischen Prioritäten früher gewährten, und die beträchtlichen Dividenden, die zeitweise von einzelnen Bahnen herausgewirtschaftet wurden, haben deutsche, französische und englische Kapitalisten bestimmt, ihre Gelder in amerikanischen Eisenbahnpapieren anzulegen. Das deutsche Kapital hat

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen01_1912/155>, abgerufen am 14.08.2024.