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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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Flüssigkeiten einer so langwierigen Operation bedient hätten, und
obendrein der denkbar unpraktischsten! Denn wer wird als
Messgefäss ein kleines enghalsiges Fläschchen nehmen, das nur
vermittelst eines Hebers zu füllen ist? Und überdies, wäre es
nicht ebenso leicht und viel einfacher gewesen, den Kubikinhalt
der Amphora selbst zu bestimmen? Ich denke, es bedarf nur
eines einfachen Hinweises, dass nicht eine Abmessung, sondern ein
Ölhandel dargestellt ist. Rechts sitzt der Kauflustige, links der
Verkäufer, der eine Probe des feilgehaltenen Öles in ein kleineres
Fläschchen umfüllt, damit jener die Qualität prüfen könne. Unter-
dessen hat der Käufer einen Stock ergriffen, wie sie zum Ab-
schlagen der Oliven dienen und in jedem Ölgarten herumliegen2),
und neckt damit den Hund des Ölhändlers, während er ihn zu-
gleich mit der vorgestreckten linken Hand an sich zu locken
scheint. Das Stossgebet des Verkäufers aber heisst nichts
anderes als: "Lieber Vater Zeus, lass mich ein gutes Geschäft
machen".

Auf der Rückseite hat sich die Scene gewaltig verändert.
Der Verkäufer ist aufgesprungen, hat den Stock ergriffen, mit dem
auf der Vorderseite der Käufer gespielt hat, und gestikuliert leb-
haft mit der rechten Hand; auch sein Hund ist nicht mehr zu-
traulich, sondern bellt mit erhobenem Kopf den Käufer an. Dieser
sitzt da, den Blick auf seine vor ihm stehende Amphora gerichtet,
während die des Verkäufers verschwunden ist, und scheint mit
erhobenen Fingern zu zählen und zu rechnen. Es ist deutlich,
dass sich ein Streit zwischen den Männern erhoben hat, bei dem
sich der Verkäufer leidenschaftlich, der Käufer kühl und besonnen
benimmt. Die Kontroverse können wir aus den erhobenen Fingern
des Käufers und aus den dem Verkäufer beigeschriebenen Worten
erraten: ede men ede pleon; parabebaken, deren Sinn ziemlich
derselbe bleibt, mag man nun an parabebaken festhalten oder

2) Sie heissen Raktriai und sind durch ihre Länge und das zugespitzte
Ende leicht von den gewöhnlichen Spazierstöcken der Athener zu unter-
scheiden. Poll. VII 146. X 130. vgl. Stephani C. R. 1872 S. 16. Den Gebrauch
veranschaulichen Darstellungen, wie Micali Mon. per servire etc. XCII.
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Flüssigkeiten einer so langwierigen Operation bedient hätten, und
obendrein der denkbar unpraktischsten! Denn wer wird als
Meſsgefäſs ein kleines enghalsiges Fläschchen nehmen, das nur
vermittelst eines Hebers zu füllen ist? Und überdies, wäre es
nicht ebenso leicht und viel einfacher gewesen, den Kubikinhalt
der Amphora selbst zu bestimmen? Ich denke, es bedarf nur
eines einfachen Hinweises, daſs nicht eine Abmessung, sondern ein
Ölhandel dargestellt ist. Rechts sitzt der Kauflustige, links der
Verkäufer, der eine Probe des feilgehaltenen Öles in ein kleineres
Fläschchen umfüllt, damit jener die Qualität prüfen könne. Unter-
dessen hat der Käufer einen Stock ergriffen, wie sie zum Ab-
schlagen der Oliven dienen und in jedem Ölgarten herumliegen2),
und neckt damit den Hund des Ölhändlers, während er ihn zu-
gleich mit der vorgestreckten linken Hand an sich zu locken
scheint. Das Stoſsgebet des Verkäufers aber heiſst nichts
anderes als: „Lieber Vater Zeus, laſs mich ein gutes Geschäft
machen“.

Auf der Rückseite hat sich die Scene gewaltig verändert.
Der Verkäufer ist aufgesprungen, hat den Stock ergriffen, mit dem
auf der Vorderseite der Käufer gespielt hat, und gestikuliert leb-
haft mit der rechten Hand; auch sein Hund ist nicht mehr zu-
traulich, sondern bellt mit erhobenem Kopf den Käufer an. Dieser
sitzt da, den Blick auf seine vor ihm stehende Amphora gerichtet,
während die des Verkäufers verschwunden ist, und scheint mit
erhobenen Fingern zu zählen und zu rechnen. Es ist deutlich,
daſs sich ein Streit zwischen den Männern erhoben hat, bei dem
sich der Verkäufer leidenschaftlich, der Käufer kühl und besonnen
benimmt. Die Kontroverse können wir aus den erhobenen Fingern
des Käufers und aus den dem Verkäufer beigeschriebenen Worten
erraten: ἤδη μὲν ἤδη πλέον· παραβέβακεν, deren Sinn ziemlich
derselbe bleibt, mag man nun an παραβέβακεν festhalten oder

2) Sie heiſsen ῥάκτριαι und sind durch ihre Länge und das zugespitzte
Ende leicht von den gewöhnlichen Spazierstöcken der Athener zu unter-
scheiden. Poll. VII 146. X 130. vgl. Stephani C. R. 1872 S. 16. Den Gebrauch
veranschaulichen Darstellungen, wie Micali Mon. per servire etc. XCII.
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[83/0097] Flüssigkeiten einer so langwierigen Operation bedient hätten, und obendrein der denkbar unpraktischsten! Denn wer wird als Meſsgefäſs ein kleines enghalsiges Fläschchen nehmen, das nur vermittelst eines Hebers zu füllen ist? Und überdies, wäre es nicht ebenso leicht und viel einfacher gewesen, den Kubikinhalt der Amphora selbst zu bestimmen? Ich denke, es bedarf nur eines einfachen Hinweises, daſs nicht eine Abmessung, sondern ein Ölhandel dargestellt ist. Rechts sitzt der Kauflustige, links der Verkäufer, der eine Probe des feilgehaltenen Öles in ein kleineres Fläschchen umfüllt, damit jener die Qualität prüfen könne. Unter- dessen hat der Käufer einen Stock ergriffen, wie sie zum Ab- schlagen der Oliven dienen und in jedem Ölgarten herumliegen 2), und neckt damit den Hund des Ölhändlers, während er ihn zu- gleich mit der vorgestreckten linken Hand an sich zu locken scheint. Das Stoſsgebet des Verkäufers aber heiſst nichts anderes als: „Lieber Vater Zeus, laſs mich ein gutes Geschäft machen“. Auf der Rückseite hat sich die Scene gewaltig verändert. Der Verkäufer ist aufgesprungen, hat den Stock ergriffen, mit dem auf der Vorderseite der Käufer gespielt hat, und gestikuliert leb- haft mit der rechten Hand; auch sein Hund ist nicht mehr zu- traulich, sondern bellt mit erhobenem Kopf den Käufer an. Dieser sitzt da, den Blick auf seine vor ihm stehende Amphora gerichtet, während die des Verkäufers verschwunden ist, und scheint mit erhobenen Fingern zu zählen und zu rechnen. Es ist deutlich, daſs sich ein Streit zwischen den Männern erhoben hat, bei dem sich der Verkäufer leidenschaftlich, der Käufer kühl und besonnen benimmt. Die Kontroverse können wir aus den erhobenen Fingern des Käufers und aus den dem Verkäufer beigeschriebenen Worten erraten: ἤδη μὲν ἤδη πλέον· παραβέβακεν, deren Sinn ziemlich derselbe bleibt, mag man nun an παραβέβακεν festhalten oder 2) Sie heiſsen ῥάκτριαι und sind durch ihre Länge und das zugespitzte Ende leicht von den gewöhnlichen Spazierstöcken der Athener zu unter- scheiden. Poll. VII 146. X 130. vgl. Stephani C. R. 1872 S. 16. Den Gebrauch veranschaulichen Darstellungen, wie Micali Mon. per servire etc. XCII. 6*

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/97>, abgerufen am 24.11.2024.