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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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certus eius sacerdos apud Troiam (l. Troianos) non fuit; unde
putatur Neptunus etiam inimicus fuisse Troianis et, quod illi
meruerint, in sacerdote monstrare.

Schon Heyne (V. Excurs zu Verg. Aen. II p. 333) und nach
ihm Meineke Anal. Al. p. 153 sehen in dem ersten Teil dieses
Scholions bis zu den Worten interemptus est die Erzählung
des Euphorion wiedergegeben. Wenn das richtig wäre, so
hätte sich also Euphorion zwar wesentlich an Sophokles an-
geschlossen, aber im Einzelnen schon selbständig geneuert; vor
Allem wären schon bei ihm der Vater und beide Söhne umge-
kommen und auch bei ihm schon wäre die Katastrophe bei
einem dem Poseidon dargebrachten Opfer erfolgt; letztere Än-
derung wäre indessen etwas auffallend gewesen; denn da bei
ihm Laokoon durch Entweihung des thymbräischen Heiligtums
schuldig wird, hätte man erwarten sollen, dass er auch das
Motiv, die Katastrophe an dem Orte des Frevels, also im
thymbräischen Heiligtum, erfolgen zu lassen, beibehalten hätte.
Denn für ihn lag kein Grund vor, hierin von der poetischen
Tradition abzuweichen, während ein solcher für Vergil oben
nachgewiesen ist. Es wäre ferner unter der Voraussetzung, dass
Heyne und Meineke Recht haben, in der That der Schluss nicht
abzuweisen, dass Vergil den Euphorion benutzt hätte; namentlich,
dass Laokoon Poseidonpriester war, würde Vergil von Euphorion
entnommen haben. Allein gerade hier ist, wie ich glaube, der
Punkt, wo die Kritik einzusetzen hat. Euphorion hätte also, so
ist die verbreitete Ansicht, erzählt, da kein Poseidonpriester
vorhanden gewesen, habe man den Apollopriester Laokoon durchs
Los zur Vollziehung des Opfers für Poseidon bestimmt: cum
vellent sacrificare Neptuno, Laocoon Thymbraei Apollinis
sacerdos sorte ductus est,
sagt Servius und fast mit den-
selben Worten lesen wir bei Vergil Aen. II 201 Laocoon ductus
Neptuno sorte sacerdos
; aber mit keiner Silbe deutet Vergil an,
dass Laokoon eigentlich Apollopriester sei, und aus den Worten
sorte ductus allein würde Niemand etwas Anderes entnehmen,
als dass Laokoon ein durchs Los zu besetzendes Priestertum be-
kleidet hätte; denn dass er das Amt nur zur Aushilfe versieht,

certus eius sacerdos apud Troiam (l. Troianos) non fuit; unde
putatur Neptunus etiam inimicus fuisse Troianis et, quod illi
meruerint, in sacerdote monstrare.

Schon Heyne (V. Excurs zu Verg. Aen. II p. 333) und nach
ihm Meineke Anal. Al. p. 153 sehen in dem ersten Teil dieses
Scholions bis zu den Worten interemptus est die Erzählung
des Euphorion wiedergegeben. Wenn das richtig wäre, so
hätte sich also Euphorion zwar wesentlich an Sophokles an-
geschlossen, aber im Einzelnen schon selbständig geneuert; vor
Allem wären schon bei ihm der Vater und beide Söhne umge-
kommen und auch bei ihm schon wäre die Katastrophe bei
einem dem Poseidon dargebrachten Opfer erfolgt; letztere Än-
derung wäre indessen etwas auffallend gewesen; denn da bei
ihm Laokoon durch Entweihung des thymbräischen Heiligtums
schuldig wird, hätte man erwarten sollen, daſs er auch das
Motiv, die Katastrophe an dem Orte des Frevels, also im
thymbräischen Heiligtum, erfolgen zu lassen, beibehalten hätte.
Denn für ihn lag kein Grund vor, hierin von der poetischen
Tradition abzuweichen, während ein solcher für Vergil oben
nachgewiesen ist. Es wäre ferner unter der Voraussetzung, daſs
Heyne und Meineke Recht haben, in der That der Schluſs nicht
abzuweisen, daſs Vergil den Euphorion benutzt hätte; namentlich,
daſs Laokoon Poseidonpriester war, würde Vergil von Euphorion
entnommen haben. Allein gerade hier ist, wie ich glaube, der
Punkt, wo die Kritik einzusetzen hat. Euphorion hätte also, so
ist die verbreitete Ansicht, erzählt, da kein Poseidonpriester
vorhanden gewesen, habe man den Apollopriester Laokoon durchs
Los zur Vollziehung des Opfers für Poseidon bestimmt: cum
vellent sacrificare Neptuno, Laocoon Thymbraei Apollinis
sacerdos sorte ductus est,
sagt Servius und fast mit den-
selben Worten lesen wir bei Vergil Aen. II 201 Laocoon ductus
Neptuno sorte sacerdos
; aber mit keiner Silbe deutet Vergil an,
daſs Laokoon eigentlich Apollopriester sei, und aus den Worten
sorte ductus allein würde Niemand etwas Anderes entnehmen,
als daſs Laokoon ein durchs Los zu besetzendes Priestertum be-
kleidet hätte; denn daſs er das Amt nur zur Aushilfe versieht,

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[206/0220] certus eius sacerdos apud Troiam (l. Troianos) non fuit; unde putatur Neptunus etiam inimicus fuisse Troianis et, quod illi meruerint, in sacerdote monstrare. Schon Heyne (V. Excurs zu Verg. Aen. II p. 333) und nach ihm Meineke Anal. Al. p. 153 sehen in dem ersten Teil dieses Scholions bis zu den Worten interemptus est die Erzählung des Euphorion wiedergegeben. Wenn das richtig wäre, so hätte sich also Euphorion zwar wesentlich an Sophokles an- geschlossen, aber im Einzelnen schon selbständig geneuert; vor Allem wären schon bei ihm der Vater und beide Söhne umge- kommen und auch bei ihm schon wäre die Katastrophe bei einem dem Poseidon dargebrachten Opfer erfolgt; letztere Än- derung wäre indessen etwas auffallend gewesen; denn da bei ihm Laokoon durch Entweihung des thymbräischen Heiligtums schuldig wird, hätte man erwarten sollen, daſs er auch das Motiv, die Katastrophe an dem Orte des Frevels, also im thymbräischen Heiligtum, erfolgen zu lassen, beibehalten hätte. Denn für ihn lag kein Grund vor, hierin von der poetischen Tradition abzuweichen, während ein solcher für Vergil oben nachgewiesen ist. Es wäre ferner unter der Voraussetzung, daſs Heyne und Meineke Recht haben, in der That der Schluſs nicht abzuweisen, daſs Vergil den Euphorion benutzt hätte; namentlich, daſs Laokoon Poseidonpriester war, würde Vergil von Euphorion entnommen haben. Allein gerade hier ist, wie ich glaube, der Punkt, wo die Kritik einzusetzen hat. Euphorion hätte also, so ist die verbreitete Ansicht, erzählt, da kein Poseidonpriester vorhanden gewesen, habe man den Apollopriester Laokoon durchs Los zur Vollziehung des Opfers für Poseidon bestimmt: cum vellent sacrificare Neptuno, Laocoon Thymbraei Apollinis sacerdos sorte ductus est, sagt Servius und fast mit den- selben Worten lesen wir bei Vergil Aen. II 201 Laocoon ductus Neptuno sorte sacerdos; aber mit keiner Silbe deutet Vergil an, daſs Laokoon eigentlich Apollopriester sei, und aus den Worten sorte ductus allein würde Niemand etwas Anderes entnehmen, als daſs Laokoon ein durchs Los zu besetzendes Priestertum be- kleidet hätte; denn daſs er das Amt nur zur Aushilfe versieht,

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/220>, abgerufen am 25.11.2024.