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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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und Tod die Leiche des Sarpedon vom Schlachtfelde weg nach
Lykien tragen.

Aus ganz anderm Holz ist Memnon. Vergebens sieht man
sich nach einem Volksstamm um, der ihn als seinen Heros ver-
ehrt54), vergebens nach einem Mythos, in dem er ausserhalb
des Ramens des troischen Krieges handelnd auftritt. Fern im
Osten an den Grenzen der bewohnten Erde, wo die fabel-
haften Aithiopen wohnen, ist er zu Hause; ein Sohn der Eos,
ein Märchenprinz vom Scheitel bis zur Sohle. Ganz eigentlich
für den troischen Krieg erfunden unterscheidet er sich sehr
wesentlich von den in der Sage selbst wurzelnden Heldengestalten.
Und diese Erfindung fällt obendrein in eine sehr späte Periode
der Sagenentwickelung. Der Boden, auf dem sie entstanden, ist
die bereits poetisch sehr ausgebildete Sage. Schon oben ist
gelegentlich darauf hingewiesen worden, dass für die Memnon-
sage eine Reihe von Liedern unserer heutigen Ilias die Voraus-
setzung bilden; und das sind keineswegs bloss so alte Bestand-
teile, wie der Auszug und Tod des Patroklos, sondern auch so
junge, wie die Oplopoiia. Ja die ganze Einführung des Memnon
setzt zu ihrer Motivierung die augenscheinlich späte Genealogie
des troischen Königsgeschlechtes aus U 215--240 voraus. Dort
heisst Tithonos, der Gemahl der Eos, den diese entführt hat
(gerade wie in den Vorstellungen anderer Stämme, den Kleitos,
Kephalos, Orion), Bruder des Priamos. Gewiss ist es ein sinn-
reicher Einfall, dass der aus diesem Ehebündnis entsprossene
Sohn aus dem Fabelland des Ostens den bedrängten Vettern in

54) Dass später, vielleicht schon im 6. Jahrhundert, Memnon zum Re-
präsentanten der Bewohner des inneren Asiens, zuerst der Assyrer und später
der Meder wurde, so dass Aischylos seine Mutter (Eos?) geradezu als eine
Kissierin bezeichnen konnte (Strabo XV 728), hat mit der älteren Sagen-
anschauung natürlich nichts zu schaffen. Ebenso wenig kommen die später
an verschiedenen Lokalitäten vollzogenen Taufen auf den Namen des durch
die Poesie berühmt gewordenen Helden hier in Betracht. Sein Grab verlegt
noch Simonides (bei Strabo a. a. O.) nach Syrien; das Grab in der Troas,
welches die spätere Zeit kennt, verdankt aber, wie vieles andere, der erst auf
dem Boden des ausgebildeten Epos erwachsenen Lokallegende seine Ent-
stehung (Strabo XIII 587. Paus. X 31, 6. Aelian hist. anim. V 1).

und Tod die Leiche des Sarpedon vom Schlachtfelde weg nach
Lykien tragen.

Aus ganz anderm Holz ist Memnon. Vergebens sieht man
sich nach einem Volksstamm um, der ihn als seinen Heros ver-
ehrt54), vergebens nach einem Mythos, in dem er auſserhalb
des Ramens des troischen Krieges handelnd auftritt. Fern im
Osten an den Grenzen der bewohnten Erde, wo die fabel-
haften Aithiopen wohnen, ist er zu Hause; ein Sohn der Eos,
ein Märchenprinz vom Scheitel bis zur Sohle. Ganz eigentlich
für den troischen Krieg erfunden unterscheidet er sich sehr
wesentlich von den in der Sage selbst wurzelnden Heldengestalten.
Und diese Erfindung fällt obendrein in eine sehr späte Periode
der Sagenentwickelung. Der Boden, auf dem sie entstanden, ist
die bereits poetisch sehr ausgebildete Sage. Schon oben ist
gelegentlich darauf hingewiesen worden, daſs für die Memnon-
sage eine Reihe von Liedern unserer heutigen Ilias die Voraus-
setzung bilden; und das sind keineswegs bloſs so alte Bestand-
teile, wie der Auszug und Tod des Patroklos, sondern auch so
junge, wie die Ὁπλοποιΐα. Ja die ganze Einführung des Memnon
setzt zu ihrer Motivierung die augenscheinlich späte Genealogie
des troischen Königsgeschlechtes aus Υ 215—240 voraus. Dort
heiſst Tithonos, der Gemahl der Eos, den diese entführt hat
(gerade wie in den Vorstellungen anderer Stämme, den Kleitos,
Kephalos, Orion), Bruder des Priamos. Gewiſs ist es ein sinn-
reicher Einfall, daſs der aus diesem Ehebündnis entsprossene
Sohn aus dem Fabelland des Ostens den bedrängten Vettern in

54) Daſs später, vielleicht schon im 6. Jahrhundert, Memnon zum Re-
präsentanten der Bewohner des inneren Asiens, zuerst der Assyrer und später
der Meder wurde, so daſs Aischylos seine Mutter (Eos?) geradezu als eine
Kissierin bezeichnen konnte (Strabo XV 728), hat mit der älteren Sagen-
anschauung natürlich nichts zu schaffen. Ebenso wenig kommen die später
an verschiedenen Lokalitäten vollzogenen Taufen auf den Namen des durch
die Poesie berühmt gewordenen Helden hier in Betracht. Sein Grab verlegt
noch Simonides (bei Strabo a. a. O.) nach Syrien; das Grab in der Troas,
welches die spätere Zeit kennt, verdankt aber, wie vieles andere, der erst auf
dem Boden des ausgebildeten Epos erwachsenen Lokallegende seine Ent-
stehung (Strabo XIII 587. Paus. X 31, 6. Aelian hist. anim. V 1).
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[119/0133] und Tod die Leiche des Sarpedon vom Schlachtfelde weg nach Lykien tragen. Aus ganz anderm Holz ist Memnon. Vergebens sieht man sich nach einem Volksstamm um, der ihn als seinen Heros ver- ehrt 54), vergebens nach einem Mythos, in dem er auſserhalb des Ramens des troischen Krieges handelnd auftritt. Fern im Osten an den Grenzen der bewohnten Erde, wo die fabel- haften Aithiopen wohnen, ist er zu Hause; ein Sohn der Eos, ein Märchenprinz vom Scheitel bis zur Sohle. Ganz eigentlich für den troischen Krieg erfunden unterscheidet er sich sehr wesentlich von den in der Sage selbst wurzelnden Heldengestalten. Und diese Erfindung fällt obendrein in eine sehr späte Periode der Sagenentwickelung. Der Boden, auf dem sie entstanden, ist die bereits poetisch sehr ausgebildete Sage. Schon oben ist gelegentlich darauf hingewiesen worden, daſs für die Memnon- sage eine Reihe von Liedern unserer heutigen Ilias die Voraus- setzung bilden; und das sind keineswegs bloſs so alte Bestand- teile, wie der Auszug und Tod des Patroklos, sondern auch so junge, wie die Ὁπλοποιΐα. Ja die ganze Einführung des Memnon setzt zu ihrer Motivierung die augenscheinlich späte Genealogie des troischen Königsgeschlechtes aus Υ 215—240 voraus. Dort heiſst Tithonos, der Gemahl der Eos, den diese entführt hat (gerade wie in den Vorstellungen anderer Stämme, den Kleitos, Kephalos, Orion), Bruder des Priamos. Gewiſs ist es ein sinn- reicher Einfall, daſs der aus diesem Ehebündnis entsprossene Sohn aus dem Fabelland des Ostens den bedrängten Vettern in 54) Daſs später, vielleicht schon im 6. Jahrhundert, Memnon zum Re- präsentanten der Bewohner des inneren Asiens, zuerst der Assyrer und später der Meder wurde, so daſs Aischylos seine Mutter (Eos?) geradezu als eine Kissierin bezeichnen konnte (Strabo XV 728), hat mit der älteren Sagen- anschauung natürlich nichts zu schaffen. Ebenso wenig kommen die später an verschiedenen Lokalitäten vollzogenen Taufen auf den Namen des durch die Poesie berühmt gewordenen Helden hier in Betracht. Sein Grab verlegt noch Simonides (bei Strabo a. a. O.) nach Syrien; das Grab in der Troas, welches die spätere Zeit kennt, verdankt aber, wie vieles andere, der erst auf dem Boden des ausgebildeten Epos erwachsenen Lokallegende seine Ent- stehung (Strabo XIII 587. Paus. X 31, 6. Aelian hist. anim. V 1).

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/133>, abgerufen am 24.11.2024.