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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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die Pariser Amphora und der Pariser Krater. Die attische
Schale ist eine Kombination des Typus von Memnon und Eos
mit dem Sarpedontypus; sie zu Grunde legen wäre dasselbe, wie
die Recension eines Schriftstellers auf den interpoliertesten Kodex
gründen. Dass Übertragungen ähnlicher Art, wie diese, in der
Vasenmalerei vorkommen, wird Brunn selbst nicht leugnen.
Ich nenne nur als ein eklatantes Beispiel die schwarzfigurige
Hydria mit dem Tod des Troilos, auf welcher der Typus von
Neoptolemos und Astyanax für Achilleus und Troilos verwandt
ist41). Ähnlich wird der (ursprünglich peloponnesische?) Typus,
der die Entführung der Helena durch Theseus darstellt42), von
Kachrylion auf Theseus und Antiope übertragen43). Der alte
Typus, Herakles im Amazonenkampf44), ist auf einer im brit.
Mus. befindlichen Vase Nr. 586 auf den Kampf desselben Heros
mit zwei Kriegern, vielleicht den Molioniden, übertragen.

Allein nicht bloss wegen der Zusammenstellung mit der
Gesandtschaft an Achilleus weist Brunn die Deutung auf Sarpe-
don zurück, sondern auch weil sie gegen den ersten seiner oben
angegebenen Grundsätze verstösst. Der Tod des Sarpedon könne
überhaupt nicht dargestellt sein, denn er sei kein "Kern- und
Knotenpunkt der Sage" und nur solche "gewinnen in der älteren
und mittleren Vasenmalerei typische Geltung." Der Tod des
Sarpedon sei "eine rein poetische epische Episode zur Verherr-
lichung des Patroklos", welche dessen Geschick "nur für einen
Augenblick aufhalte, aber ohne eine entscheidende Bedeutung
für den Fortschritt der Handlung" sei. Der Kampf gegen
Memnon hingegen solle den Achilleus vor seinem Ende noch

41) M. d. I. I 34. Dass in der That die Tötung des Troilos und nicht
die des Astyanax gemeint ist, folgt mit absoluter Sicherheit aus dem Umstand,
dass die Scene vor der noch aufrecht stehenden und von troischen Kriegern
besetzten Stadtmauer spielt, was bei einer Episode der Iliupersis undenkbar
wäre. Welcker A. d. I. V p. 251. O. Jahn Telephos und Troilos S. 70.
42) Gerhard A. V. CLXVII.
43) Brit. Mus. Nr. 827. Brunn Künstlergeschichte II S. 702 Nr. 5; nicht
publiziert.
44) Brit. Mus. Nr. 544. Lenormant et de Witte El. ceram. I 61 u. öfter.

die Pariser Amphora und der Pariser Krater. Die attische
Schale ist eine Kombination des Typus von Memnon und Eos
mit dem Sarpedontypus; sie zu Grunde legen wäre dasselbe, wie
die Recension eines Schriftstellers auf den interpoliertesten Kodex
gründen. Daſs Übertragungen ähnlicher Art, wie diese, in der
Vasenmalerei vorkommen, wird Brunn selbst nicht leugnen.
Ich nenne nur als ein eklatantes Beispiel die schwarzfigurige
Hydria mit dem Tod des Troilos, auf welcher der Typus von
Neoptolemos und Astyanax für Achilleus und Troilos verwandt
ist41). Ähnlich wird der (ursprünglich peloponnesische?) Typus,
der die Entführung der Helena durch Theseus darstellt42), von
Kachrylion auf Theseus und Antiope übertragen43). Der alte
Typus, Herakles im Amazonenkampf44), ist auf einer im brit.
Mus. befindlichen Vase Nr. 586 auf den Kampf desselben Heros
mit zwei Kriegern, vielleicht den Molioniden, übertragen.

Allein nicht bloſs wegen der Zusammenstellung mit der
Gesandtschaft an Achilleus weist Brunn die Deutung auf Sarpe-
don zurück, sondern auch weil sie gegen den ersten seiner oben
angegebenen Grundsätze verstöſst. Der Tod des Sarpedon könne
überhaupt nicht dargestellt sein, denn er sei kein „Kern- und
Knotenpunkt der Sage“ und nur solche „gewinnen in der älteren
und mittleren Vasenmalerei typische Geltung.“ Der Tod des
Sarpedon sei „eine rein poetische epische Episode zur Verherr-
lichung des Patroklos“, welche dessen Geschick „nur für einen
Augenblick aufhalte, aber ohne eine entscheidende Bedeutung
für den Fortschritt der Handlung“ sei. Der Kampf gegen
Memnon hingegen solle den Achilleus vor seinem Ende noch

41) M. d. I. I 34. Daſs in der That die Tötung des Troilos und nicht
die des Astyanax gemeint ist, folgt mit absoluter Sicherheit aus dem Umstand,
daſs die Scene vor der noch aufrecht stehenden und von troischen Kriegern
besetzten Stadtmauer spielt, was bei einer Episode der Iliupersis undenkbar
wäre. Welcker A. d. I. V p. 251. O. Jahn Telephos und Troilos S. 70.
42) Gerhard A. V. CLXVII.
43) Brit. Mus. Nr. 827. Brunn Künstlergeschichte II S. 702 Nr. 5; nicht
publiziert.
44) Brit. Mus. Nr. 544. Lenormant et de Witte Él. céram. I 61 u. öfter.
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[112/0126] die Pariser Amphora und der Pariser Krater. Die attische Schale ist eine Kombination des Typus von Memnon und Eos mit dem Sarpedontypus; sie zu Grunde legen wäre dasselbe, wie die Recension eines Schriftstellers auf den interpoliertesten Kodex gründen. Daſs Übertragungen ähnlicher Art, wie diese, in der Vasenmalerei vorkommen, wird Brunn selbst nicht leugnen. Ich nenne nur als ein eklatantes Beispiel die schwarzfigurige Hydria mit dem Tod des Troilos, auf welcher der Typus von Neoptolemos und Astyanax für Achilleus und Troilos verwandt ist 41). Ähnlich wird der (ursprünglich peloponnesische?) Typus, der die Entführung der Helena durch Theseus darstellt 42), von Kachrylion auf Theseus und Antiope übertragen 43). Der alte Typus, Herakles im Amazonenkampf 44), ist auf einer im brit. Mus. befindlichen Vase Nr. 586 auf den Kampf desselben Heros mit zwei Kriegern, vielleicht den Molioniden, übertragen. Allein nicht bloſs wegen der Zusammenstellung mit der Gesandtschaft an Achilleus weist Brunn die Deutung auf Sarpe- don zurück, sondern auch weil sie gegen den ersten seiner oben angegebenen Grundsätze verstöſst. Der Tod des Sarpedon könne überhaupt nicht dargestellt sein, denn er sei kein „Kern- und Knotenpunkt der Sage“ und nur solche „gewinnen in der älteren und mittleren Vasenmalerei typische Geltung.“ Der Tod des Sarpedon sei „eine rein poetische epische Episode zur Verherr- lichung des Patroklos“, welche dessen Geschick „nur für einen Augenblick aufhalte, aber ohne eine entscheidende Bedeutung für den Fortschritt der Handlung“ sei. Der Kampf gegen Memnon hingegen solle den Achilleus vor seinem Ende noch 41) M. d. I. I 34. Daſs in der That die Tötung des Troilos und nicht die des Astyanax gemeint ist, folgt mit absoluter Sicherheit aus dem Umstand, daſs die Scene vor der noch aufrecht stehenden und von troischen Kriegern besetzten Stadtmauer spielt, was bei einer Episode der Iliupersis undenkbar wäre. Welcker A. d. I. V p. 251. O. Jahn Telephos und Troilos S. 70. 42) Gerhard A. V. CLXVII. 43) Brit. Mus. Nr. 827. Brunn Künstlergeschichte II S. 702 Nr. 5; nicht publiziert. 44) Brit. Mus. Nr. 544. Lenormant et de Witte Él. céram. I 61 u. öfter.

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/126>, abgerufen am 02.05.2024.