Rilke, Rainer Maria: Advent. Leipzig, 1898.Ich ging durch ein Land, durch ein trauriges Land. Wie auf leerer Wiege ein WiegenbandLag der blasse Fluss auf dem flachen Sand, Darüber aus nassem Nebelgewand Reckte die Weide die Totenhand. Mir war so traurig. Ich starrte und stand. Da sah ich Dich kauern am Wegesrand.Einst hab' ich Dich und das Glück gekannt. Du weintest wühlend und unverwandt, Und ich fragte Dich: Ist das Dein Heimatland? Du nicktest, Du nicktest wie traumgebannt .. Da hab' ich Dich wieder wie einst genannt;Doch Dein Bild zerrann mir, Dein Bild entschwand. Die Pappeln kohlten im Abendbrand, Und der Tod ging roth durch Dein Heimatland. Ich ging durch ein Land, durch ein trauriges Land. Wie auf leerer Wiege ein WiegenbandLag der blasse Fluss auf dem flachen Sand, Darüber aus nassem Nebelgewand Reckte die Weide die Totenhand. Mir war so traurig. Ich starrte und stand. Da sah ich Dich kauern am Wegesrand.Einst hab’ ich Dich und das Glück gekannt. Du weintest wühlend und unverwandt, Und ich fragte Dich: Ist das Dein Heimatland? Du nicktest, Du nicktest wie traumgebannt .. Da hab’ ich Dich wieder wie einst genannt;Doch Dein Bild zerrann mir, Dein Bild entschwand. Die Pappeln kohlten im Abendbrand, Und der Tod ging roth durch Dein Heimatland. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0076" n="76"/> <lg n="57"> <l rendition="#et">Ich ging durch ein Land, durch ein trauriges Land.<lb/></l> <l>Wie auf leerer Wiege ein Wiegenband<lb/></l> <l>Lag der blasse Fluss auf dem flachen Sand,<lb/></l> <l>Darüber aus nassem Nebelgewand<lb/></l> <l>Reckte die Weide die Totenhand.<lb/></l> </lg> <lg n="58"> <l rendition="#et">Mir war so traurig. Ich starrte und stand.<lb/></l> <l>Da sah ich Dich kauern am Wegesrand.<lb/></l> <l>Einst hab’ ich Dich und das Glück gekannt.<lb/></l> <l>Du weintest wühlend und unverwandt,<lb/></l> <l>Und ich fragte Dich: Ist das Dein Heimatland?</l> </lg> <lg n="59"> <l rendition="#et">Du nicktest, Du nicktest wie traumgebannt ..<lb/></l> <l>Da hab’ ich Dich wieder wie einst genannt;<lb/></l> <l>Doch Dein Bild zerrann mir, Dein Bild entschwand.<lb/></l> <l>Die Pappeln kohlten im Abendbrand,<lb/></l> <l>Und der Tod ging roth durch Dein Heimatland.<lb/></l> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [76/0076]
Ich ging durch ein Land, durch ein trauriges Land.
Wie auf leerer Wiege ein Wiegenband
Lag der blasse Fluss auf dem flachen Sand,
Darüber aus nassem Nebelgewand
Reckte die Weide die Totenhand.
Mir war so traurig. Ich starrte und stand.
Da sah ich Dich kauern am Wegesrand.
Einst hab’ ich Dich und das Glück gekannt.
Du weintest wühlend und unverwandt,
Und ich fragte Dich: Ist das Dein Heimatland?
Du nicktest, Du nicktest wie traumgebannt ..
Da hab’ ich Dich wieder wie einst genannt;
Doch Dein Bild zerrann mir, Dein Bild entschwand.
Die Pappeln kohlten im Abendbrand,
Und der Tod ging roth durch Dein Heimatland.
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Zitationshilfe: | Rilke, Rainer Maria: Advent. Leipzig, 1898, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rilke_advent_1898/76>, abgerufen am 16.07.2024. |