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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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Die Arabeske.
Die Bänder, die hier theils vierpass-, theils bretzenförmige Ver-
schlingungen bilden, sind -- was dem oberflächlichem Beschauer voll-
ständig entgeht -- jedes nach Art eines liegenden Kreuzes hingelegt,
worin sich bereits die für die Saracenen so charakteristische Tendenz
nach Verräthselung der Schlingbewegungen unzweideutig ankündigt.
Als Füllung dient eine Rosette, die aus vier byzantinischen Akanthus-
Dreiblättern zusammengesetzt ist. An den Rändern bezeichnen halbe
Rosetten in halben Vierpässen den unendlichen Rapport, in den oberen
Ecken sind dieselben folgerichtig vollends auf ein Viertel reducirt.

[Abbildung] Fig. 173.

Skulpirte Füllung aus Betursa (Syrien).

Wir kehren nunmehr zu unserer Darstellung der Rankenorna-
mentik auf frühsaracenischen Denkmälern zurück. Fig. 17469) zeigt die
geschnitzte Vorderwand eines Elfenbeinkästchens, dass sich gegen-
wärtig im Musee des arts decoratifs zu Paris befindet. Eine Inschrift
am Deckel bezieht sich auf das Jahr 965 n. Chr., also ungefähr ein
Jahrhundert nach der Entstehung der Stuckornamente der Moschee des
Ibn Tulun zu Kairo. Beide Hälften -- rechts und links vom Schloss-
beschlag -- entsprechen einander in völliger Symmetrie, so dass wir
bloss eine Hälfte zu erörtern brauchen. In vielen Details erweist
sich Fig. 174 eher zurückgeblieben in der Entwicklung gegenüber jenen
älteren Beispielen. Die spiraligen Abzweigungen, die Stiele, an denen
die grösseren Blüthen sitzen, und anderseits die geringe Rolle, die den
kleinen unfreien Halbpalmetten zugewiesen ist, lassen den engen Zu-

69) Schlumberger, Un empereur byzantin du Xieme siecle. Paris 1890.
S. 125.

Die Arabeske.
Die Bänder, die hier theils vierpass-, theils bretzenförmige Ver-
schlingungen bilden, sind — was dem oberflächlichem Beschauer voll-
ständig entgeht — jedes nach Art eines liegenden Kreuzes hingelegt,
worin sich bereits die für die Saracenen so charakteristische Tendenz
nach Verräthselung der Schlingbewegungen unzweideutig ankündigt.
Als Füllung dient eine Rosette, die aus vier byzantinischen Akanthus-
Dreiblättern zusammengesetzt ist. An den Rändern bezeichnen halbe
Rosetten in halben Vierpässen den unendlichen Rapport, in den oberen
Ecken sind dieselben folgerichtig vollends auf ein Viertel reducirt.

[Abbildung] Fig. 173.

Skulpirte Füllung aus Betursa (Syrien).

Wir kehren nunmehr zu unserer Darstellung der Rankenorna-
mentik auf frühsaracenischen Denkmälern zurück. Fig. 17469) zeigt die
geschnitzte Vorderwand eines Elfenbeinkästchens, dass sich gegen-
wärtig im Musée des arts decoratifs zu Paris befindet. Eine Inschrift
am Deckel bezieht sich auf das Jahr 965 n. Chr., also ungefähr ein
Jahrhundert nach der Entstehung der Stuckornamente der Moschee des
Ibn Tulun zu Kairo. Beide Hälften — rechts und links vom Schloss-
beschlag — entsprechen einander in völliger Symmetrie, so dass wir
bloss eine Hälfte zu erörtern brauchen. In vielen Details erweist
sich Fig. 174 eher zurückgeblieben in der Entwicklung gegenüber jenen
älteren Beispielen. Die spiraligen Abzweigungen, die Stiele, an denen
die grösseren Blüthen sitzen, und anderseits die geringe Rolle, die den
kleinen unfreien Halbpalmetten zugewiesen ist, lassen den engen Zu-

69) Schlumberger, Un empereur byzantin du Xième siècle. Paris 1890.
S. 125.
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[316/0342] Die Arabeske. Die Bänder, die hier theils vierpass-, theils bretzenförmige Ver- schlingungen bilden, sind — was dem oberflächlichem Beschauer voll- ständig entgeht — jedes nach Art eines liegenden Kreuzes hingelegt, worin sich bereits die für die Saracenen so charakteristische Tendenz nach Verräthselung der Schlingbewegungen unzweideutig ankündigt. Als Füllung dient eine Rosette, die aus vier byzantinischen Akanthus- Dreiblättern zusammengesetzt ist. An den Rändern bezeichnen halbe Rosetten in halben Vierpässen den unendlichen Rapport, in den oberen Ecken sind dieselben folgerichtig vollends auf ein Viertel reducirt. [Abbildung Fig. 173. Skulpirte Füllung aus Betursa (Syrien). ] Wir kehren nunmehr zu unserer Darstellung der Rankenorna- mentik auf frühsaracenischen Denkmälern zurück. Fig. 174 69) zeigt die geschnitzte Vorderwand eines Elfenbeinkästchens, dass sich gegen- wärtig im Musée des arts decoratifs zu Paris befindet. Eine Inschrift am Deckel bezieht sich auf das Jahr 965 n. Chr., also ungefähr ein Jahrhundert nach der Entstehung der Stuckornamente der Moschee des Ibn Tulun zu Kairo. Beide Hälften — rechts und links vom Schloss- beschlag — entsprechen einander in völliger Symmetrie, so dass wir bloss eine Hälfte zu erörtern brauchen. In vielen Details erweist sich Fig. 174 eher zurückgeblieben in der Entwicklung gegenüber jenen älteren Beispielen. Die spiraligen Abzweigungen, die Stiele, an denen die grösseren Blüthen sitzen, und anderseits die geringe Rolle, die den kleinen unfreien Halbpalmetten zugewiesen ist, lassen den engen Zu- 69) Schlumberger, Un empereur byzantin du Xième siècle. Paris 1890. S. 125.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/342>, abgerufen am 18.05.2024.