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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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6. Das Rankengeschlinge.
sind blosse accessorische Zwickelfüllungen der von der Ranke gebil-
deten Kelche.

Die Stichhaltigkeit der gegebenen Erklärung des Motivs springt
noch mehr in die Augen an Fig. 84, das von einem Bronzetäfelchen
im Berliner Antiquarium96) entlehnt ist. Hier haben wir in der That
das nackte intermittirende Schema: die Lotusblüthen setzen einmal
oben und dann unten ganz einfach, ohne alle Vermittlung durch
Spiralvoluten oder Schlingenkelche, an die zwei von rechts und links
zusammentreffenden Stengel an; die Schlingen, welche letztere vor
ihrem Absetzen an der Lotusblüthe bilden, sind eine Bereicherung des
Motivs und stellen den Zweck, den man mit dem ganzen Motiv ver-
folgte, erst recht deutlich in's Licht. Hier beirren uns auch nicht mehr
die Bänder, von denen die Lotusblüthen durchzogen und halbirt sind,

[Abbildung] Fig. 84.

Verziertes Bronzetäfelchen im Berliner Antiquarium.

da sie hier nicht so wie an Fig. 83 die intermittirende Wellenlinie
durchkreuzen, sondern an beiden Seiten für sich getrennt verlaufen.
Die Palmetten endlich geben sich hier vollends unverkennbar als blosse
Zwickelfüllungen.

Zweierlei haben wir an dem solchergestalt in seinem Wesen fest-
gestellten Motiv besonders vermerkt: erstens die in der Richtung
alternirende Paarung von Lotusblüthen und füllenden Pal-
mettenfächern
, zweitens die Bereicherung der verbindenden
Wellenrankenlinien durch Schlingen
, wozu noch die völlig als
dekorative Superfötation angehängten Bänder kommen. Die Paarung
von Lotusblüthen und Palmetten in alternirender Richtung, also das
Motiv, das in der herrschenden Kunstterminologie als gegenständige Lotus-
blüthen und Palmetten
bezeichnet wird, ist uns im Wesen nicht mehr neu.
Sie findet sich schon auf dem melischen Beispiel Fig. 53; nur ist hier
anstatt des Palmettenfächers ein blosser Zapfen zur Zwickelfüllung

96) Arch. Anz. 1891, S. 125, Fig. 12 e.

6. Das Rankengeschlinge.
sind blosse accessorische Zwickelfüllungen der von der Ranke gebil-
deten Kelche.

Die Stichhaltigkeit der gegebenen Erklärung des Motivs springt
noch mehr in die Augen an Fig. 84, das von einem Bronzetäfelchen
im Berliner Antiquarium96) entlehnt ist. Hier haben wir in der That
das nackte intermittirende Schema: die Lotusblüthen setzen einmal
oben und dann unten ganz einfach, ohne alle Vermittlung durch
Spiralvoluten oder Schlingenkelche, an die zwei von rechts und links
zusammentreffenden Stengel an; die Schlingen, welche letztere vor
ihrem Absetzen an der Lotusblüthe bilden, sind eine Bereicherung des
Motivs und stellen den Zweck, den man mit dem ganzen Motiv ver-
folgte, erst recht deutlich in’s Licht. Hier beirren uns auch nicht mehr
die Bänder, von denen die Lotusblüthen durchzogen und halbirt sind,

[Abbildung] Fig. 84.

Verziertes Bronzetäfelchen im Berliner Antiquarium.

da sie hier nicht so wie an Fig. 83 die intermittirende Wellenlinie
durchkreuzen, sondern an beiden Seiten für sich getrennt verlaufen.
Die Palmetten endlich geben sich hier vollends unverkennbar als blosse
Zwickelfüllungen.

Zweierlei haben wir an dem solchergestalt in seinem Wesen fest-
gestellten Motiv besonders vermerkt: erstens die in der Richtung
alternirende Paarung von Lotusblüthen und füllenden Pal-
mettenfächern
, zweitens die Bereicherung der verbindenden
Wellenrankenlinien durch Schlingen
, wozu noch die völlig als
dekorative Superfötation angehängten Bänder kommen. Die Paarung
von Lotusblüthen und Palmetten in alternirender Richtung, also das
Motiv, das in der herrschenden Kunstterminologie als gegenständige Lotus-
blüthen und Palmetten
bezeichnet wird, ist uns im Wesen nicht mehr neu.
Sie findet sich schon auf dem melischen Beispiel Fig. 53; nur ist hier
anstatt des Palmettenfächers ein blosser Zapfen zur Zwickelfüllung

96) Arch. Anz. 1891, S. 125, Fig. 12 e.
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[181/0207] 6. Das Rankengeschlinge. sind blosse accessorische Zwickelfüllungen der von der Ranke gebil- deten Kelche. Die Stichhaltigkeit der gegebenen Erklärung des Motivs springt noch mehr in die Augen an Fig. 84, das von einem Bronzetäfelchen im Berliner Antiquarium 96) entlehnt ist. Hier haben wir in der That das nackte intermittirende Schema: die Lotusblüthen setzen einmal oben und dann unten ganz einfach, ohne alle Vermittlung durch Spiralvoluten oder Schlingenkelche, an die zwei von rechts und links zusammentreffenden Stengel an; die Schlingen, welche letztere vor ihrem Absetzen an der Lotusblüthe bilden, sind eine Bereicherung des Motivs und stellen den Zweck, den man mit dem ganzen Motiv ver- folgte, erst recht deutlich in’s Licht. Hier beirren uns auch nicht mehr die Bänder, von denen die Lotusblüthen durchzogen und halbirt sind, [Abbildung Fig. 84. Verziertes Bronzetäfelchen im Berliner Antiquarium.] da sie hier nicht so wie an Fig. 83 die intermittirende Wellenlinie durchkreuzen, sondern an beiden Seiten für sich getrennt verlaufen. Die Palmetten endlich geben sich hier vollends unverkennbar als blosse Zwickelfüllungen. Zweierlei haben wir an dem solchergestalt in seinem Wesen fest- gestellten Motiv besonders vermerkt: erstens die in der Richtung alternirende Paarung von Lotusblüthen und füllenden Pal- mettenfächern, zweitens die Bereicherung der verbindenden Wellenrankenlinien durch Schlingen, wozu noch die völlig als dekorative Superfötation angehängten Bänder kommen. Die Paarung von Lotusblüthen und Palmetten in alternirender Richtung, also das Motiv, das in der herrschenden Kunstterminologie als gegenständige Lotus- blüthen und Palmetten bezeichnet wird, ist uns im Wesen nicht mehr neu. Sie findet sich schon auf dem melischen Beispiel Fig. 53; nur ist hier anstatt des Palmettenfächers ein blosser Zapfen zur Zwickelfüllung 96) Arch. Anz. 1891, S. 125, Fig. 12 e.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/207>, abgerufen am 25.11.2024.