diesem Falle sind es wirkliche Genrescenen. Aehnliches gilt von der Löwenjagd auf der einen tauschirten Dolchklinge; und selbst die soge- nannte Nilborde auf der zweiten Dolchklinge braucht nicht mehr als allgemeine Anregung egyptischem Einflusse zu verdanken.
Die auf S. 128 allerdings widerlegte Behauptung Goodyear's, dass die mykenische Kunst gewisse Eigenthümlichkeiten wie die intermit- tirende Wellenranke (Fig. 52) aus dem Bestande der sogenannten griechisch-kyprischen Kunst entlehnt hätte, veranlasst mich, die Stellung des Pflanzenornaments innerhalb dieser Kunst mit wenigen Worten zu kennzeichnen. Dasselbe lehnt sich eng, weit enger als es in der mykenischen Kunst der Fall war, an die egyptischen Vorbilder an und hat es daher auch zu keiner fruchtbaren Fortbildung gebracht. Phönikische Einflüsse haben daran Nichts geändert. Das Abweichende, specifisch Kyprische, beruht hauptsächlich in dem isolirten Gebrauche der Lotusblüthen u. s. w. gemäss dem jeweiligen dekorativen Zwecke, zu dem dieselben dienen sollten. Das Figürliche steht völlig im Bann der egyptischen Vorbilder. Der Mann auf der vielbesprochenen Vase aus Athienu53) ist nicht bloss egyptisirend, sondern -- was meines Wissens bisher nicht scharf genug hervorgehoben wurde -- ein leibhaftiger Egypter, da zu den schon von Ohnefalsch-Richter54) beobachteten egypti- schen Eigenthümlichkeiten noch der Schurz zu bemerken ist, den der Mann ganz nach egyptischer Weise um die Hüften des bis auf ein Halsband ganz nackten Körpers herumgelegt trägt. Das Vorkommen eines specifisch griechischen Motivs -- der fortlaufenden Wellenranke -- auf einem Fundstück aus Cypern wurde schon früher (S. 128) zu erklären versucht. Ein zweites, von Goodyear unbeachtet gebliebenes Beispiel derselben Wellenranke mit spitzoblongen Blättern bietet eine Vase aus Curium, die bei Perrot und Chipiez III. Fig. 506 abgebildet ist55). Auch in diesem Falle haben wir es weder mit einer einheimisch- kyprischen Specialität, noch mit phönikisch-egyptischem Einflusse zu thun, sondern mit griechisch-mykenischer Art, wie durch die umgebogenen Epheuzweige auf der Schulter des Gefässes ausser Zweifel gesetzt er- scheint. Perrot meint, diese seiner Ansicht nach kyprische Arbeit wäre
53) Jahrb. des deut. arch. Inst. 1886, Taf. VIII.
54) Ebenda S. 79 ff.
55) Die Zeichnung bei Perrot ist leider nicht scharf genug gehalten. Es scheint völlig dieselbe Ranke zu sein die wir auf dem Bonner Becher (Fig. 51) angetroffen haben.
1. Mykenisches.
diesem Falle sind es wirkliche Genrescenen. Aehnliches gilt von der Löwenjagd auf der einen tauschirten Dolchklinge; und selbst die soge- nannte Nilborde auf der zweiten Dolchklinge braucht nicht mehr als allgemeine Anregung egyptischem Einflusse zu verdanken.
Die auf S. 128 allerdings widerlegte Behauptung Goodyear’s, dass die mykenische Kunst gewisse Eigenthümlichkeiten wie die intermit- tirende Wellenranke (Fig. 52) aus dem Bestande der sogenannten griechisch-kyprischen Kunst entlehnt hätte, veranlasst mich, die Stellung des Pflanzenornaments innerhalb dieser Kunst mit wenigen Worten zu kennzeichnen. Dasselbe lehnt sich eng, weit enger als es in der mykenischen Kunst der Fall war, an die egyptischen Vorbilder an und hat es daher auch zu keiner fruchtbaren Fortbildung gebracht. Phönikische Einflüsse haben daran Nichts geändert. Das Abweichende, specifisch Kyprische, beruht hauptsächlich in dem isolirten Gebrauche der Lotusblüthen u. s. w. gemäss dem jeweiligen dekorativen Zwecke, zu dem dieselben dienen sollten. Das Figürliche steht völlig im Bann der egyptischen Vorbilder. Der Mann auf der vielbesprochenen Vase aus Athienu53) ist nicht bloss egyptisirend, sondern — was meines Wissens bisher nicht scharf genug hervorgehoben wurde — ein leibhaftiger Egypter, da zu den schon von Ohnefalsch-Richter54) beobachteten egypti- schen Eigenthümlichkeiten noch der Schurz zu bemerken ist, den der Mann ganz nach egyptischer Weise um die Hüften des bis auf ein Halsband ganz nackten Körpers herumgelegt trägt. Das Vorkommen eines specifisch griechischen Motivs — der fortlaufenden Wellenranke — auf einem Fundstück aus Cypern wurde schon früher (S. 128) zu erklären versucht. Ein zweites, von Goodyear unbeachtet gebliebenes Beispiel derselben Wellenranke mit spitzoblongen Blättern bietet eine Vase aus Curium, die bei Perrot und Chipiez III. Fig. 506 abgebildet ist55). Auch in diesem Falle haben wir es weder mit einer einheimisch- kyprischen Specialität, noch mit phönikisch-egyptischem Einflusse zu thun, sondern mit griechisch-mykenischer Art, wie durch die umgebogenen Epheuzweige auf der Schulter des Gefässes ausser Zweifel gesetzt er- scheint. Perrot meint, diese seiner Ansicht nach kyprische Arbeit wäre
53) Jahrb. des deut. arch. Inst. 1886, Taf. VIII.
54) Ebenda S. 79 ff.
55) Die Zeichnung bei Perrot ist leider nicht scharf genug gehalten. Es scheint völlig dieselbe Ranke zu sein die wir auf dem Bonner Becher (Fig. 51) angetroffen haben.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0175"n="149"/><fwplace="top"type="header">1. Mykenisches.</fw><lb/>
diesem Falle sind es wirkliche Genrescenen. Aehnliches gilt von der<lb/>
Löwenjagd auf der einen tauschirten Dolchklinge; und selbst die soge-<lb/>
nannte Nilborde auf der zweiten Dolchklinge braucht nicht mehr als<lb/>
allgemeine Anregung egyptischem Einflusse zu verdanken.</p><lb/><p>Die auf S. 128 allerdings widerlegte Behauptung Goodyear’s, dass<lb/>
die mykenische Kunst gewisse Eigenthümlichkeiten wie die intermit-<lb/>
tirende Wellenranke (Fig. 52) aus dem Bestande der sogenannten<lb/><hirendition="#g">griechisch-kyprischen</hi> Kunst entlehnt hätte, veranlasst mich, die<lb/>
Stellung des Pflanzenornaments innerhalb dieser Kunst mit wenigen<lb/>
Worten zu kennzeichnen. Dasselbe lehnt sich eng, weit enger als es<lb/>
in der mykenischen Kunst der Fall war, an die egyptischen Vorbilder an<lb/>
und hat es daher auch zu keiner fruchtbaren Fortbildung gebracht.<lb/>
Phönikische Einflüsse haben daran Nichts geändert. Das Abweichende,<lb/>
specifisch Kyprische, beruht hauptsächlich in dem isolirten Gebrauche<lb/>
der Lotusblüthen u. s. w. gemäss dem jeweiligen dekorativen Zwecke,<lb/>
zu dem dieselben dienen sollten. Das Figürliche steht völlig im Bann<lb/>
der egyptischen Vorbilder. Der Mann auf der vielbesprochenen Vase<lb/>
aus Athienu<noteplace="foot"n="53)">Jahrb. des deut. arch. Inst. 1886, Taf. VIII.</note> ist nicht bloss egyptisirend, sondern — was meines Wissens<lb/>
bisher nicht scharf genug hervorgehoben wurde — ein leibhaftiger<lb/>
Egypter, da zu den schon von Ohnefalsch-Richter<noteplace="foot"n="54)">Ebenda S. 79 ff.</note> beobachteten egypti-<lb/>
schen Eigenthümlichkeiten noch der Schurz zu bemerken ist, den der<lb/>
Mann ganz nach egyptischer Weise um die Hüften des bis auf ein<lb/>
Halsband ganz nackten Körpers herumgelegt trägt. Das Vorkommen<lb/>
eines specifisch griechischen Motivs — der fortlaufenden Wellenranke<lb/>— auf einem Fundstück aus Cypern wurde schon früher (S. 128) zu<lb/>
erklären versucht. Ein zweites, von Goodyear unbeachtet gebliebenes<lb/>
Beispiel derselben Wellenranke mit spitzoblongen Blättern bietet eine<lb/>
Vase aus Curium, die bei Perrot und Chipiez III. Fig. 506 abgebildet<lb/>
ist<noteplace="foot"n="55)">Die Zeichnung bei Perrot ist leider nicht scharf genug gehalten. Es<lb/>
scheint völlig dieselbe Ranke zu sein die wir auf dem Bonner Becher (Fig. 51)<lb/>
angetroffen haben.</note>. Auch in diesem Falle haben wir es weder mit einer einheimisch-<lb/>
kyprischen Specialität, noch mit phönikisch-egyptischem Einflusse zu<lb/>
thun, sondern mit griechisch-mykenischer Art, wie durch die umgebogenen<lb/>
Epheuzweige auf der Schulter des Gefässes ausser Zweifel gesetzt er-<lb/>
scheint. Perrot meint, diese seiner Ansicht nach kyprische Arbeit wäre<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[149/0175]
1. Mykenisches.
diesem Falle sind es wirkliche Genrescenen. Aehnliches gilt von der
Löwenjagd auf der einen tauschirten Dolchklinge; und selbst die soge-
nannte Nilborde auf der zweiten Dolchklinge braucht nicht mehr als
allgemeine Anregung egyptischem Einflusse zu verdanken.
Die auf S. 128 allerdings widerlegte Behauptung Goodyear’s, dass
die mykenische Kunst gewisse Eigenthümlichkeiten wie die intermit-
tirende Wellenranke (Fig. 52) aus dem Bestande der sogenannten
griechisch-kyprischen Kunst entlehnt hätte, veranlasst mich, die
Stellung des Pflanzenornaments innerhalb dieser Kunst mit wenigen
Worten zu kennzeichnen. Dasselbe lehnt sich eng, weit enger als es
in der mykenischen Kunst der Fall war, an die egyptischen Vorbilder an
und hat es daher auch zu keiner fruchtbaren Fortbildung gebracht.
Phönikische Einflüsse haben daran Nichts geändert. Das Abweichende,
specifisch Kyprische, beruht hauptsächlich in dem isolirten Gebrauche
der Lotusblüthen u. s. w. gemäss dem jeweiligen dekorativen Zwecke,
zu dem dieselben dienen sollten. Das Figürliche steht völlig im Bann
der egyptischen Vorbilder. Der Mann auf der vielbesprochenen Vase
aus Athienu 53) ist nicht bloss egyptisirend, sondern — was meines Wissens
bisher nicht scharf genug hervorgehoben wurde — ein leibhaftiger
Egypter, da zu den schon von Ohnefalsch-Richter 54) beobachteten egypti-
schen Eigenthümlichkeiten noch der Schurz zu bemerken ist, den der
Mann ganz nach egyptischer Weise um die Hüften des bis auf ein
Halsband ganz nackten Körpers herumgelegt trägt. Das Vorkommen
eines specifisch griechischen Motivs — der fortlaufenden Wellenranke
— auf einem Fundstück aus Cypern wurde schon früher (S. 128) zu
erklären versucht. Ein zweites, von Goodyear unbeachtet gebliebenes
Beispiel derselben Wellenranke mit spitzoblongen Blättern bietet eine
Vase aus Curium, die bei Perrot und Chipiez III. Fig. 506 abgebildet
ist 55). Auch in diesem Falle haben wir es weder mit einer einheimisch-
kyprischen Specialität, noch mit phönikisch-egyptischem Einflusse zu
thun, sondern mit griechisch-mykenischer Art, wie durch die umgebogenen
Epheuzweige auf der Schulter des Gefässes ausser Zweifel gesetzt er-
scheint. Perrot meint, diese seiner Ansicht nach kyprische Arbeit wäre
53) Jahrb. des deut. arch. Inst. 1886, Taf. VIII.
54) Ebenda S. 79 ff.
55) Die Zeichnung bei Perrot ist leider nicht scharf genug gehalten. Es
scheint völlig dieselbe Ranke zu sein die wir auf dem Bonner Becher (Fig. 51)
angetroffen haben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/175>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.