Sie verwiesen es ihr, so oft sie es that, und verdammten es mit einmüthiger Stimme. Es ist auch gewiß, daß diese und andre Exempel ihrer unergründlichen Gottlosigkeit sie gar bald dem Lovelace zuwider machten, und wenn sie ihm in seinen andern Vorhaben nicht nützlich gewesen wäre, so würde er sie nicht haben aus- stehen können. Denn wenn er von ihr gegen seine Freunde sprach, so pflegte er zu sagen: Daß sich niemand unterstehet, Bruder, uns etwas vorzuwerfen: Alle Bosheit ist gering ge- gen der Weiber Bosheit!(*)
Man muß gestehen, daß eine üble Erzie- hung die Vorbereitung dazu war; und das hat- te Sally Martin ihren Aeltern zu danken; so wie diese sich die Folgen selbst zuzuschreiben hatten. Gleichwol wenn sie keinen Lovelace angetroffen hätte, so würde sie keiner Sinclair in die Hände gefallen seyn. Sie wäre gleich dem meisten Theil der Frauen, die so erzogen find, vielleicht noch immer ziemlich gut durch- gekommen, und die Mutter von Kindern gewor- den, die man auch, so wie sie, weggejaget, und ihrem Schicksal in der Welt überlassen hätte: Von Kindern, die gleich dem weichen Wachs, den ersten Eindruck annehmen, den man ihnen giebt; die weder glücklich noch unglücklich, und alles, ausser brauchbare Glieder des gemeinen Wesens, sind; und von Glück zu sagen haben, wenn sie nicht in das äußerste Elend gerathen.
Polly
(*) Sirach. Cap. XXV. 25.
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Sie verwieſen es ihr, ſo oft ſie es that, und verdammten es mit einmuͤthiger Stimme. Es iſt auch gewiß, daß dieſe und andre Exempel ihrer unergruͤndlichen Gottloſigkeit ſie gar bald dem Lovelace zuwider machten, und wenn ſie ihm in ſeinen andern Vorhaben nicht nuͤtzlich geweſen waͤre, ſo wuͤrde er ſie nicht haben aus- ſtehen koͤnnen. Denn wenn er von ihr gegen ſeine Freunde ſprach, ſo pflegte er zu ſagen: Daß ſich niemand unterſtehet, Bruder, uns etwas vorzuwerfen: Alle Bosheit iſt gering ge- gen der Weiber Bosheit!(*)
Man muß geſtehen, daß eine uͤble Erzie- hung die Vorbereitung dazu war; und das hat- te Sally Martin ihren Aeltern zu danken; ſo wie dieſe ſich die Folgen ſelbſt zuzuſchreiben hatten. Gleichwol wenn ſie keinen Lovelace angetroffen haͤtte, ſo wuͤrde ſie keiner Sinclair in die Haͤnde gefallen ſeyn. Sie waͤre gleich dem meiſten Theil der Frauen, die ſo erzogen find, vielleicht noch immer ziemlich gut durch- gekommen, und die Mutter von Kindern gewor- den, die man auch, ſo wie ſie, weggejaget, und ihrem Schickſal in der Welt uͤberlaſſen haͤtte: Von Kindern, die gleich dem weichen Wachs, den erſten Eindruck annehmen, den man ihnen giebt; die weder gluͤcklich noch ungluͤcklich, und alles, auſſer brauchbare Glieder des gemeinen Weſens, ſind; und von Gluͤck zu ſagen haben, wenn ſie nicht in das aͤußerſte Elend gerathen.
Polly
(*) Sirach. Cap. XXV. 25.
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Sie verwieſen es ihr, ſo oft ſie es that, und
verdammten es mit einmuͤthiger Stimme. Es
iſt auch gewiß, daß dieſe und andre Exempel
ihrer unergruͤndlichen Gottloſigkeit ſie gar bald
dem Lovelace zuwider machten, und wenn ſie
ihm in ſeinen andern Vorhaben nicht nuͤtzlich
geweſen waͤre, ſo wuͤrde er ſie nicht haben aus-
ſtehen koͤnnen. Denn wenn er von ihr gegen
ſeine Freunde ſprach, ſo pflegte er zu ſagen: Daß
ſich niemand unterſtehet, Bruder, uns etwas
vorzuwerfen: Alle Bosheit iſt gering ge-
gen der Weiber Bosheit! (*)
Man muß geſtehen, daß eine uͤble Erzie-
hung die Vorbereitung dazu war; und das hat-
te Sally Martin ihren Aeltern zu danken;
ſo wie dieſe ſich die Folgen ſelbſt zuzuſchreiben
hatten. Gleichwol wenn ſie keinen Lovelace
angetroffen haͤtte, ſo wuͤrde ſie keiner Sinclair
in die Haͤnde gefallen ſeyn. Sie waͤre gleich
dem meiſten Theil der Frauen, die ſo erzogen
find, vielleicht noch immer ziemlich gut durch-
gekommen, und die Mutter von Kindern gewor-
den, die man auch, ſo wie ſie, weggejaget, und
ihrem Schickſal in der Welt uͤberlaſſen haͤtte:
Von Kindern, die gleich dem weichen Wachs,
den erſten Eindruck annehmen, den man ihnen
giebt; die weder gluͤcklich noch ungluͤcklich, und
alles, auſſer brauchbare Glieder des gemeinen
Weſens, ſind; und von Gluͤck zu ſagen haben,
wenn ſie nicht in das aͤußerſte Elend gerathen.
Polly
(*) Sirach. Cap. XXV. 25.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/331>, abgerufen am 16.02.2025.
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