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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

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in deren und Jhre Hände ich mein Leben
vertrauen wollte. Es haben sich schon (wie ich
Jhnen sagen kann) weit unwarscheinlichere
Dinge zugetragen, und zwar mit reichen Wit-
wen,
(deren einige in der That vom Range
gewesen sind) die bei der Wahl in ihren er-
sten Vermählungen
bloß auf ihre Bequem-
lichkeit
und (wenn ich so reden darf) auf
blosse Körperlichkeiten gesehen; allein wel-
che bei ihrer zweiten Verheirathung die kör-
perlichen
und geistigen Absichten verbun-
den
haben; welches ohne Zweifel die beste Wahl
für Wesen ist, die von beiden zusammenge-
setzet sind, als Mann und Frau allerdings sind.

Denken Sie auch nicht, mein Herr, daß wenn
sich etwas dergleichen begeben sollte, einer von
uns dabei gefähret werden dürfte, sintemal
die Fräulein einen Mann von feiner Her-
kunft
und einen Gelehrten heirathen würde.
Und was meine eigne Ehre anlangt, so wür-
de der Bock, den sie gemacht hat, ihre gros-
sen Mittel
mit meinem geringen Vermö-
gen
in ein Gleichgewicht bringen. (wenn man
nemlich allein das Vermögen, und nicht das
Verdienst in Betrachtung zöge) Anerwogen
das Leben dieser Fräulein (weder durch die
Länge der Zeit,
noch durch einen gottlosen
Wandel
) noch keinen so grossen Schandfleck
bekommen, daß man sie mit den keuschen Abi-
gails über einen Kamm scheren
dürfte, die
(wie GOtt bekannt) nur gar zu oft, gar zu oft

für



in deren und Jhre Haͤnde ich mein Leben
vertrauen wollte. Es haben ſich ſchon (wie ich
Jhnen ſagen kann) weit unwarſcheinlichere
Dinge zugetragen, und zwar mit reichen Wit-
wen,
(deren einige in der That vom Range
geweſen ſind) die bei der Wahl in ihren er-
ſten Vermaͤhlungen
bloß auf ihre Bequem-
lichkeit
und (wenn ich ſo reden darf) auf
bloſſe Koͤrperlichkeiten geſehen; allein wel-
che bei ihrer zweiten Verheirathung die koͤr-
perlichen
und geiſtigen Abſichten verbun-
den
haben; welches ohne Zweifel die beſte Wahl
fuͤr Weſen iſt, die von beiden zuſammenge-
ſetzet ſind, als Mann und Frau allerdings ſind.

Denken Sie auch nicht, mein Herr, daß wenn
ſich etwas dergleichen begeben ſollte, einer von
uns dabei gefaͤhret werden duͤrfte, ſintemal
die Fraͤulein einen Mann von feiner Her-
kunft
und einen Gelehrten heirathen wuͤrde.
Und was meine eigne Ehre anlangt, ſo wuͤr-
de der Bock, den ſie gemacht hat, ihre groſ-
ſen Mittel
mit meinem geringen Vermoͤ-
gen
in ein Gleichgewicht bringen. (wenn man
nemlich allein das Vermoͤgen, und nicht das
Verdienſt in Betrachtung zoͤge) Anerwogen
das Leben dieſer Fraͤulein (weder durch die
Laͤnge der Zeit,
noch durch einen gottloſen
Wandel
) noch keinen ſo groſſen Schandfleck
bekommen, daß man ſie mit den keuſchen Abi-
gails uͤber einen Kamm ſcheren
duͤrfte, die
(wie GOtt bekannt) nur gar zu oft, gar zu oft

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[244/0252] in deren und Jhre Haͤnde ich mein Leben vertrauen wollte. Es haben ſich ſchon (wie ich Jhnen ſagen kann) weit unwarſcheinlichere Dinge zugetragen, und zwar mit reichen Wit- wen, (deren einige in der That vom Range geweſen ſind) die bei der Wahl in ihren er- ſten Vermaͤhlungen bloß auf ihre Bequem- lichkeit und (wenn ich ſo reden darf) auf bloſſe Koͤrperlichkeiten geſehen; allein wel- che bei ihrer zweiten Verheirathung die koͤr- perlichen und geiſtigen Abſichten verbun- den haben; welches ohne Zweifel die beſte Wahl fuͤr Weſen iſt, die von beiden zuſammenge- ſetzet ſind, als Mann und Frau allerdings ſind. Denken Sie auch nicht, mein Herr, daß wenn ſich etwas dergleichen begeben ſollte, einer von uns dabei gefaͤhret werden duͤrfte, ſintemal die Fraͤulein einen Mann von feiner Her- kunft und einen Gelehrten heirathen wuͤrde. Und was meine eigne Ehre anlangt, ſo wuͤr- de der Bock, den ſie gemacht hat, ihre groſ- ſen Mittel mit meinem geringen Vermoͤ- gen in ein Gleichgewicht bringen. (wenn man nemlich allein das Vermoͤgen, und nicht das Verdienſt in Betrachtung zoͤge) Anerwogen das Leben dieſer Fraͤulein (weder durch die Laͤnge der Zeit, noch durch einen gottloſen Wandel) noch keinen ſo groſſen Schandfleck bekommen, daß man ſie mit den keuſchen Abi- gails uͤber einen Kamm ſcheren duͤrfte, die (wie GOtt bekannt) nur gar zu oft, gar zu oft fuͤr

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/252>, abgerufen am 22.11.2024.