Sie versetzten, man brauchte keinen, der nicht zur Familie gehörte, das Testament zu vollziehen, und sie hoffeten, Sie, mein Herr, würden ein so unnöthiges Amt, wie sie es nannten, von selbst fahren lassen. Mein Vetter Jakob erklärte sich, er wollte, so bald als das Leichenbegängniß vor- über wäre, an Sie schreiben, und bitten, auf ge- hörige Versicherungen, daß alles, was das Testa- ment verordnete, vollzogen werden sollte, es so zu machen.
Jch sagte, Sie wären ein Mann von unwan- delbarer Entschließung: ich glaubte, er würde seine Absicht schwerlich erreichen; weil Sie es für etwas ansähen, wobey es auf Jhre Ehre an- käme.
Hiernächst zeigte ich ihnen den von ihrer Schwester an Sie hinterlassenen Brief, in wel- chem sie ihre Verbindlichkeiten gegen Sie, und ihre Achtung für Sie und ihre Sorgen, für Jh- re künftige Wohlfarth bekennet (*). Sie wer- den leicht glauben, mein Herr, daß sie bey Durch- lesung desselben ausnehmend gerühret wurden.
Sie wunderten sich voller Bestürzung, daß ich Jhnen die Einkünfte von ihres Großvaters Gute, nach seinem Tode, übergeben hätte. Jch aber sagte ihnen deutlich heraus, sie müßten es sich selbst danken, wenn ihrer Schwester Entschlies- sung eine oder die andere unangenehme Folge für sie hätte, da sie so verlassen gewesen und fremden Leuten in die Hände gejaget worden wäre.
Jhre
(*) Man sehe den vorhergehenden LXV Brief.
Sie verſetzten, man brauchte keinen, der nicht zur Familie gehoͤrte, das Teſtament zu vollziehen, und ſie hoffeten, Sie, mein Herr, wuͤrden ein ſo unnoͤthiges Amt, wie ſie es nannten, von ſelbſt fahren laſſen. Mein Vetter Jakob erklaͤrte ſich, er wollte, ſo bald als das Leichenbegaͤngniß vor- uͤber waͤre, an Sie ſchreiben, und bitten, auf ge- hoͤrige Verſicherungen, daß alles, was das Teſta- ment verordnete, vollzogen werden ſollte, es ſo zu machen.
Jch ſagte, Sie waͤren ein Mann von unwan- delbarer Entſchließung: ich glaubte, er wuͤrde ſeine Abſicht ſchwerlich erreichen; weil Sie es fuͤr etwas anſaͤhen, wobey es auf Jhre Ehre an- kaͤme.
Hiernaͤchſt zeigte ich ihnen den von ihrer Schweſter an Sie hinterlaſſenen Brief, in wel- chem ſie ihre Verbindlichkeiten gegen Sie, und ihre Achtung fuͤr Sie und ihre Sorgen, fuͤr Jh- re kuͤnftige Wohlfarth bekennet (*). Sie wer- den leicht glauben, mein Herr, daß ſie bey Durch- leſung deſſelben ausnehmend geruͤhret wurden.
Sie wunderten ſich voller Beſtuͤrzung, daß ich Jhnen die Einkuͤnfte von ihres Großvaters Gute, nach ſeinem Tode, uͤbergeben haͤtte. Jch aber ſagte ihnen deutlich heraus, ſie muͤßten es ſich ſelbſt danken, wenn ihrer Schweſter Entſchlieſ- ſung eine oder die andere unangenehme Folge fuͤr ſie haͤtte, da ſie ſo verlaſſen geweſen und fremden Leuten in die Haͤnde gejaget worden waͤre.
Jhre
(*) Man ſehe den vorhergehenden LXV Brief.
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Sie verſetzten, man brauchte keinen, der nicht
zur Familie gehoͤrte, das Teſtament zu vollziehen,
und ſie hoffeten, Sie, mein Herr, wuͤrden ein ſo
unnoͤthiges Amt, wie ſie es nannten, von ſelbſt
fahren laſſen. Mein Vetter Jakob erklaͤrte ſich,
er wollte, ſo bald als das Leichenbegaͤngniß vor-
uͤber waͤre, an Sie ſchreiben, und bitten, auf ge-
hoͤrige Verſicherungen, daß alles, was das Teſta-
ment verordnete, vollzogen werden ſollte, es ſo zu
machen.
Jch ſagte, Sie waͤren ein Mann von unwan-
delbarer Entſchließung: ich glaubte, er wuͤrde
ſeine Abſicht ſchwerlich erreichen; weil Sie es fuͤr
etwas anſaͤhen, wobey es auf Jhre Ehre an-
kaͤme.
Hiernaͤchſt zeigte ich ihnen den von ihrer
Schweſter an Sie hinterlaſſenen Brief, in wel-
chem ſie ihre Verbindlichkeiten gegen Sie, und
ihre Achtung fuͤr Sie und ihre Sorgen, fuͤr Jh-
re kuͤnftige Wohlfarth bekennet (*). Sie wer-
den leicht glauben, mein Herr, daß ſie bey Durch-
leſung deſſelben ausnehmend geruͤhret wurden.
Sie wunderten ſich voller Beſtuͤrzung, daß
ich Jhnen die Einkuͤnfte von ihres Großvaters
Gute, nach ſeinem Tode, uͤbergeben haͤtte. Jch
aber ſagte ihnen deutlich heraus, ſie muͤßten es ſich
ſelbſt danken, wenn ihrer Schweſter Entſchlieſ-
ſung eine oder die andere unangenehme Folge fuͤr
ſie haͤtte, da ſie ſo verlaſſen geweſen und fremden
Leuten in die Haͤnde gejaget worden waͤre.
Jhre
(*) Man ſehe den vorhergehenden LXV Brief.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/592>, abgerufen am 24.11.2024.
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