Freytags, den 1. Sept. um zwey, in Smithens Hause.
Jch konnte meinen Brief nicht mit solcher Un- gewißheit schließen, die eure Ungedult ver- mehrt haben müßte. Denn ihr habt mich bey verschiedenen Gelegenheiten überzeuget, daß die ungewisse Erwartung, in welcher ihr gern andere lassen möget, die größte Marter für euch seyn würde, die ihr leiden könntet. Eine Sache, wie ich glaube, die ihr mit allen hestigen Gemüthern, mit allen Gemüthern, welche gern der angreiffen- de Theil seyn mögen, gemein habet. Jch will also nur eben berühren, weil euer Bedienter hier wartet, bis ich geschrieben habe, daß die Fräulein zwo sehr heftige Ohnmachten gehabt hat. Jn- dem sie in der letzten gelegen, haben sie zu dem Arzt und dem Herrn Goddard geschickt; welche beyde den Rath gegeben, daß eiligst ein Bothe nach mir, als dem, welcher die Vollziehung ihres letzten Willens haben sollte, geschickt würde, weil es zweifelhaft wäre, wenn sie eine dritte bekäme, ob dieselbe sie nicht hinreißen würde.
Sie hatte sich unterdessen, da ich kam, ziem- lich wieder erholet, und der Arzt ließ sie vor mei- nen Ohren versprechen, daß sie es nicht mehr wa- gen wollte, so lange sie so schwach wäre, auszuge- hen. Denn nach der Beschreibung der Fr. Lo- vick, welche mit ihr gewesen, waren die Kürze ih- res Athems, ihre ausnehmende Mattigkeit, und die Jnbrunst ihrer Andachten in der Kirche, wi-
der
Freytags, den 1. Sept. um zwey, in Smithens Hauſe.
Jch konnte meinen Brief nicht mit ſolcher Un- gewißheit ſchließen, die eure Ungedult ver- mehrt haben muͤßte. Denn ihr habt mich bey verſchiedenen Gelegenheiten uͤberzeuget, daß die ungewiſſe Erwartung, in welcher ihr gern andere laſſen moͤget, die groͤßte Marter fuͤr euch ſeyn wuͤrde, die ihr leiden koͤnntet. Eine Sache, wie ich glaube, die ihr mit allen heſtigen Gemuͤthern, mit allen Gemuͤthern, welche gern der angreiffen- de Theil ſeyn moͤgen, gemein habet. Jch will alſo nur eben beruͤhren, weil euer Bedienter hier wartet, bis ich geſchrieben habe, daß die Fraͤulein zwo ſehr heftige Ohnmachten gehabt hat. Jn- dem ſie in der letzten gelegen, haben ſie zu dem Arzt und dem Herrn Goddard geſchickt; welche beyde den Rath gegeben, daß eiligſt ein Bothe nach mir, als dem, welcher die Vollziehung ihres letzten Willens haben ſollte, geſchickt wuͤrde, weil es zweifelhaft waͤre, wenn ſie eine dritte bekaͤme, ob dieſelbe ſie nicht hinreißen wuͤrde.
Sie hatte ſich unterdeſſen, da ich kam, ziem- lich wieder erholet, und der Arzt ließ ſie vor mei- nen Ohren verſprechen, daß ſie es nicht mehr wa- gen wollte, ſo lange ſie ſo ſchwach waͤre, auszuge- hen. Denn nach der Beſchreibung der Fr. Lo- vick, welche mit ihr geweſen, waren die Kuͤrze ih- res Athems, ihre ausnehmende Mattigkeit, und die Jnbrunſt ihrer Andachten in der Kirche, wi-
der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0286"n="280"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Freytags, den 1. Sept. um zwey,<lb/>
in Smithens Hauſe.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>ch konnte meinen Brief nicht mit ſolcher Un-<lb/>
gewißheit ſchließen, die eure Ungedult ver-<lb/>
mehrt haben muͤßte. Denn ihr habt mich bey<lb/>
verſchiedenen Gelegenheiten uͤberzeuget, daß die<lb/>
ungewiſſe Erwartung, in welcher ihr gern andere<lb/><hirendition="#fr">laſſen</hi> moͤget, die groͤßte Marter fuͤr euch ſeyn<lb/>
wuͤrde, die ihr <hirendition="#fr">leiden</hi> koͤnntet. Eine Sache, wie<lb/>
ich glaube, die ihr mit allen heſtigen Gemuͤthern,<lb/>
mit allen Gemuͤthern, welche gern der angreiffen-<lb/>
de Theil ſeyn moͤgen, gemein habet. Jch will<lb/>
alſo nur eben beruͤhren, weil euer Bedienter hier<lb/>
wartet, bis ich geſchrieben habe, daß die Fraͤulein<lb/>
zwo ſehr heftige Ohnmachten gehabt hat. Jn-<lb/>
dem ſie in der letzten gelegen, haben ſie zu dem<lb/>
Arzt und dem Herrn Goddard geſchickt; welche<lb/>
beyde den Rath gegeben, daß eiligſt ein Bothe<lb/>
nach mir, als dem, welcher die Vollziehung ihres<lb/>
letzten Willens haben ſollte, geſchickt wuͤrde, weil<lb/>
es zweifelhaft waͤre, wenn ſie eine dritte bekaͤme,<lb/>
ob dieſelbe ſie nicht hinreißen wuͤrde.</p><lb/><p>Sie hatte ſich unterdeſſen, da ich kam, ziem-<lb/>
lich wieder erholet, und der Arzt ließ ſie vor mei-<lb/>
nen Ohren verſprechen, daß ſie es nicht mehr wa-<lb/>
gen wollte, ſo lange ſie ſo ſchwach waͤre, auszuge-<lb/>
hen. Denn nach der Beſchreibung der Fr. Lo-<lb/>
vick, welche mit ihr geweſen, waren die Kuͤrze ih-<lb/>
res Athems, ihre ausnehmende Mattigkeit, und<lb/>
die Jnbrunſt ihrer Andachten in der Kirche, wi-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">der</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[280/0286]
Freytags, den 1. Sept. um zwey,
in Smithens Hauſe.
Jch konnte meinen Brief nicht mit ſolcher Un-
gewißheit ſchließen, die eure Ungedult ver-
mehrt haben muͤßte. Denn ihr habt mich bey
verſchiedenen Gelegenheiten uͤberzeuget, daß die
ungewiſſe Erwartung, in welcher ihr gern andere
laſſen moͤget, die groͤßte Marter fuͤr euch ſeyn
wuͤrde, die ihr leiden koͤnntet. Eine Sache, wie
ich glaube, die ihr mit allen heſtigen Gemuͤthern,
mit allen Gemuͤthern, welche gern der angreiffen-
de Theil ſeyn moͤgen, gemein habet. Jch will
alſo nur eben beruͤhren, weil euer Bedienter hier
wartet, bis ich geſchrieben habe, daß die Fraͤulein
zwo ſehr heftige Ohnmachten gehabt hat. Jn-
dem ſie in der letzten gelegen, haben ſie zu dem
Arzt und dem Herrn Goddard geſchickt; welche
beyde den Rath gegeben, daß eiligſt ein Bothe
nach mir, als dem, welcher die Vollziehung ihres
letzten Willens haben ſollte, geſchickt wuͤrde, weil
es zweifelhaft waͤre, wenn ſie eine dritte bekaͤme,
ob dieſelbe ſie nicht hinreißen wuͤrde.
Sie hatte ſich unterdeſſen, da ich kam, ziem-
lich wieder erholet, und der Arzt ließ ſie vor mei-
nen Ohren verſprechen, daß ſie es nicht mehr wa-
gen wollte, ſo lange ſie ſo ſchwach waͤre, auszuge-
hen. Denn nach der Beſchreibung der Fr. Lo-
vick, welche mit ihr geweſen, waren die Kuͤrze ih-
res Athems, ihre ausnehmende Mattigkeit, und
die Jnbrunſt ihrer Andachten in der Kirche, wi-
der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/286>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.