Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



leute, die ich jemals gekannt habe. Ehrlicher
Joseph - - Hiebey schlug ich ihm unvermuthet
auf die Achsel, daß er sprang - - hast du jemals
um Geld das Maul verzogen? - - Denn der
Bube schien kein Misfallen an mir zu haben,
und rieß sein plattes Gesicht von einem Ohr zum
andern auf, zog das Maul weit aus, zeigte die
Zähne, welche eben so breit und schwarz waren,
als die Nägel an seinen Daumen - - Aber ver-
hindere ich dich nicht? Was kannst du in einem
Tage verdienen, Kerl?

Eine halbe Krone kann ich in einem Tage
verdienen. Das sagte er mit einer stolzen und
übermüthigen Miene: indem ich ihn stutzig ge-
macht hatte.

Da ist denn dein Lohn auf einen Tag. Al-
lein du hast nicht nöthig, mir weiter aufzuwarten.

Kommen sie, Fr. Smithinn, komm Johann,
Meister Smith wollte ich sagen: laßt uns hin-
untergehen und mich hören, wo die Fräulein
hingefahren ist, und wann sie wieder kommen
wird.

So ging ich voran die Treppe hinunter.
Johann und Joseph, ob ich gleich den letzten schon
bezahlt und seiner Dienste erlassen hatte, und
meine Frau folgten mir, ihre Höflichkeit gegen
einen Fremden zu zeigen.

Jch ging wieder in eines von den Zimmern
des ersten Stockwerks. Jch habe große Lust bey
ihnen einzumiethen. Denn ich habe in meinem

Leben



leute, die ich jemals gekannt habe. Ehrlicher
Joſeph ‒ ‒ Hiebey ſchlug ich ihm unvermuthet
auf die Achſel, daß er ſprang ‒ ‒ haſt du jemals
um Geld das Maul verzogen? ‒ ‒ Denn der
Bube ſchien kein Misfallen an mir zu haben,
und rieß ſein plattes Geſicht von einem Ohr zum
andern auf, zog das Maul weit aus, zeigte die
Zaͤhne, welche eben ſo breit und ſchwarz waren,
als die Naͤgel an ſeinen Daumen ‒ ‒ Aber ver-
hindere ich dich nicht? Was kannſt du in einem
Tage verdienen, Kerl?

Eine halbe Krone kann ich in einem Tage
verdienen. Das ſagte er mit einer ſtolzen und
uͤbermuͤthigen Miene: indem ich ihn ſtutzig ge-
macht hatte.

Da iſt denn dein Lohn auf einen Tag. Al-
lein du haſt nicht noͤthig, mir weiter aufzuwarten.

Kommen ſie, Fr. Smithinn, komm Johann,
Meiſter Smith wollte ich ſagen: laßt uns hin-
untergehen und mich hoͤren, wo die Fraͤulein
hingefahren iſt, und wann ſie wieder kommen
wird.

So ging ich voran die Treppe hinunter.
Johann und Joſeph, ob ich gleich den letzten ſchon
bezahlt und ſeiner Dienſte erlaſſen hatte, und
meine Frau folgten mir, ihre Hoͤflichkeit gegen
einen Fremden zu zeigen.

Jch ging wieder in eines von den Zimmern
des erſten Stockwerks. Jch habe große Luſt bey
ihnen einzumiethen. Denn ich habe in meinem

Leben
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0810" n="804"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
leute, die ich jemals gekannt habe. Ehrlicher<lb/>
Jo&#x017F;eph &#x2012; &#x2012; Hiebey &#x017F;chlug ich ihm unvermuthet<lb/>
auf die Ach&#x017F;el, daß er &#x017F;prang &#x2012; &#x2012; ha&#x017F;t du jemals<lb/>
um Geld das Maul verzogen? &#x2012; &#x2012; Denn der<lb/>
Bube &#x017F;chien kein Misfallen an mir zu haben,<lb/>
und rieß &#x017F;ein plattes Ge&#x017F;icht von einem Ohr zum<lb/>
andern auf, zog das Maul weit aus, zeigte die<lb/>
Za&#x0364;hne, welche eben &#x017F;o breit und &#x017F;chwarz waren,<lb/>
als die Na&#x0364;gel an &#x017F;einen Daumen &#x2012; &#x2012; Aber ver-<lb/>
hindere ich dich nicht? Was kann&#x017F;t du in einem<lb/>
Tage verdienen, Kerl?</p><lb/>
          <p>Eine halbe Krone kann ich in einem Tage<lb/>
verdienen. Das &#x017F;agte er mit einer &#x017F;tolzen und<lb/>
u&#x0364;bermu&#x0364;thigen Miene: indem ich ihn &#x017F;tutzig ge-<lb/>
macht hatte.</p><lb/>
          <p>Da i&#x017F;t denn dein Lohn auf einen Tag. Al-<lb/>
lein du ha&#x017F;t nicht no&#x0364;thig, mir weiter aufzuwarten.</p><lb/>
          <p>Kommen &#x017F;ie, Fr. Smithinn, komm Johann,<lb/>
Mei&#x017F;ter Smith wollte ich &#x017F;agen: laßt uns hin-<lb/>
untergehen und mich ho&#x0364;ren, wo die Fra&#x0364;ulein<lb/>
hingefahren i&#x017F;t, und wann &#x017F;ie wieder kommen<lb/>
wird.</p><lb/>
          <p>So ging ich voran die Treppe hinunter.<lb/>
Johann und Jo&#x017F;eph, ob ich gleich den letzten &#x017F;chon<lb/>
bezahlt und &#x017F;einer Dien&#x017F;te erla&#x017F;&#x017F;en hatte, und<lb/>
meine Frau folgten mir, ihre Ho&#x0364;flichkeit gegen<lb/>
einen Fremden zu zeigen.</p><lb/>
          <p>Jch ging wieder in eines von den Zimmern<lb/>
des er&#x017F;ten Stockwerks. Jch habe große Lu&#x017F;t bey<lb/>
ihnen einzumiethen. Denn ich habe in meinem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Leben</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[804/0810] leute, die ich jemals gekannt habe. Ehrlicher Joſeph ‒ ‒ Hiebey ſchlug ich ihm unvermuthet auf die Achſel, daß er ſprang ‒ ‒ haſt du jemals um Geld das Maul verzogen? ‒ ‒ Denn der Bube ſchien kein Misfallen an mir zu haben, und rieß ſein plattes Geſicht von einem Ohr zum andern auf, zog das Maul weit aus, zeigte die Zaͤhne, welche eben ſo breit und ſchwarz waren, als die Naͤgel an ſeinen Daumen ‒ ‒ Aber ver- hindere ich dich nicht? Was kannſt du in einem Tage verdienen, Kerl? Eine halbe Krone kann ich in einem Tage verdienen. Das ſagte er mit einer ſtolzen und uͤbermuͤthigen Miene: indem ich ihn ſtutzig ge- macht hatte. Da iſt denn dein Lohn auf einen Tag. Al- lein du haſt nicht noͤthig, mir weiter aufzuwarten. Kommen ſie, Fr. Smithinn, komm Johann, Meiſter Smith wollte ich ſagen: laßt uns hin- untergehen und mich hoͤren, wo die Fraͤulein hingefahren iſt, und wann ſie wieder kommen wird. So ging ich voran die Treppe hinunter. Johann und Joſeph, ob ich gleich den letzten ſchon bezahlt und ſeiner Dienſte erlaſſen hatte, und meine Frau folgten mir, ihre Hoͤflichkeit gegen einen Fremden zu zeigen. Jch ging wieder in eines von den Zimmern des erſten Stockwerks. Jch habe große Luſt bey ihnen einzumiethen. Denn ich habe in meinem Leben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/810
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 804. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/810>, abgerufen am 18.05.2024.