Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



hätten: das Bessere aber machte mir oft Hoff-
nung, daß ich mit der nächsten und dann wieder
mit der nächsten Post, und so von einer Woche
zur andern, Jhnen das Beste, was mir damals
begegnen konnte, zu melden haben würde; so
kaltsinnig auch nunmehr der nichtswürdige Mensch
mein Herz gegen das Beste gemachet hat. - -
Wie konnte ich mir in den Sinn kommen lassen,
an Sie zu schreiben und dadurch Jhnen zu ge-
stehen, daß ich nicht verheyrathet wäre, und doch
mit einem solchen Menschen, wiewohl ich es nicht
ändern konnte, in einem und eben demselben
Hause lebte? - - Der noch dazu gegen ver-
schiedne Personen vorgegeben hatte, daß wir wirk-
lich vermählet wären, ob gleich mit gewissen Be-
dingungen, die von der Aussöhnung mit meinen
Freunden abhingen? Daß ich Jhnen aber die
Wahrheit vorenthalten, oder mich entweder of-
fenbar, oder durch Zweydeutigkeiten einer Un-
wahrheit schuldig machen sollte, das war etwas,
das Sie mich niemals gelehret hatten.

Vielleicht aber werden Sie denken, ich hätte
um Jhren Rath in meinen gefährlichen Umstän-
den an Sie schreiben mögen. Allein in der
That, meine liebe Fr. Norton, ich bin nicht aus
Mangel an gutem Rath ins Verderben gera-
then. Das werden Sie aus dem, was ich schon
berühret habe, augenscheinlich erkennen: wenn ich
mich auch nicht weiter erklären sollte. - - Denn
wie hätte der grausame Räuber nöthig gehabt,
zu unverschuldeten Künsten - - ich will freyer

heraus-



haͤtten: das Beſſere aber machte mir oft Hoff-
nung, daß ich mit der naͤchſten und dann wieder
mit der naͤchſten Poſt, und ſo von einer Woche
zur andern, Jhnen das Beſte, was mir damals
begegnen konnte, zu melden haben wuͤrde; ſo
kaltſinnig auch nunmehr der nichtswuͤrdige Menſch
mein Herz gegen das Beſte gemachet hat. ‒ ‒
Wie konnte ich mir in den Sinn kommen laſſen,
an Sie zu ſchreiben und dadurch Jhnen zu ge-
ſtehen, daß ich nicht verheyrathet waͤre, und doch
mit einem ſolchen Menſchen, wiewohl ich es nicht
aͤndern konnte, in einem und eben demſelben
Hauſe lebte? ‒ ‒ Der noch dazu gegen ver-
ſchiedne Perſonen vorgegeben hatte, daß wir wirk-
lich vermaͤhlet waͤren, ob gleich mit gewiſſen Be-
dingungen, die von der Ausſoͤhnung mit meinen
Freunden abhingen? Daß ich Jhnen aber die
Wahrheit vorenthalten, oder mich entweder of-
fenbar, oder durch Zweydeutigkeiten einer Un-
wahrheit ſchuldig machen ſollte, das war etwas,
das Sie mich niemals gelehret hatten.

Vielleicht aber werden Sie denken, ich haͤtte
um Jhren Rath in meinen gefaͤhrlichen Umſtaͤn-
den an Sie ſchreiben moͤgen. Allein in der
That, meine liebe Fr. Norton, ich bin nicht aus
Mangel an gutem Rath ins Verderben gera-
then. Das werden Sie aus dem, was ich ſchon
beruͤhret habe, augenſcheinlich erkennen: wenn ich
mich auch nicht weiter erklaͤren ſollte. ‒ ‒ Denn
wie haͤtte der grauſame Raͤuber noͤthig gehabt,
zu unverſchuldeten Kuͤnſten ‒ ‒ ich will freyer

heraus-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <p><pb facs="#f0069" n="63"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ha&#x0364;tten: das Be&#x017F;&#x017F;ere aber machte mir oft Hoff-<lb/>
nung, daß ich mit der na&#x0364;ch&#x017F;ten und dann wieder<lb/>
mit der na&#x0364;ch&#x017F;ten Po&#x017F;t, und &#x017F;o von einer Woche<lb/>
zur andern, Jhnen das Be&#x017F;te, was mir <hi rendition="#fr">damals</hi><lb/>
begegnen konnte, zu melden haben wu&#x0364;rde; &#x017F;o<lb/>
kalt&#x017F;innig auch nunmehr der nichtswu&#x0364;rdige Men&#x017F;ch<lb/>
mein Herz gegen <hi rendition="#fr">das Be&#x017F;te</hi> gemachet hat. &#x2012; &#x2012;<lb/>
Wie konnte ich mir in den Sinn kommen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
an Sie zu &#x017F;chreiben und dadurch Jhnen zu ge-<lb/>
&#x017F;tehen, daß ich nicht verheyrathet wa&#x0364;re, und doch<lb/>
mit einem &#x017F;olchen Men&#x017F;chen, wiewohl ich es nicht<lb/>
a&#x0364;ndern konnte, in einem und eben dem&#x017F;elben<lb/>
Hau&#x017F;e lebte? &#x2012; &#x2012; Der noch dazu gegen ver-<lb/>
&#x017F;chiedne Per&#x017F;onen vorgegeben hatte, daß wir wirk-<lb/>
lich verma&#x0364;hlet wa&#x0364;ren, ob gleich mit gewi&#x017F;&#x017F;en Be-<lb/>
dingungen, die von der Aus&#x017F;o&#x0364;hnung mit meinen<lb/>
Freunden abhingen? Daß ich Jhnen aber die<lb/>
Wahrheit vorenthalten, oder mich entweder of-<lb/>
fenbar, oder durch Zweydeutigkeiten einer Un-<lb/>
wahrheit &#x017F;chuldig machen &#x017F;ollte, das war etwas,<lb/>
das Sie mich niemals gelehret hatten.</p><lb/>
              <p>Vielleicht aber werden Sie denken, ich ha&#x0364;tte<lb/>
um Jhren Rath in meinen gefa&#x0364;hrlichen Um&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
den an Sie &#x017F;chreiben mo&#x0364;gen. Allein in der<lb/>
That, meine liebe Fr. Norton, ich bin nicht aus<lb/>
Mangel an gutem Rath ins Verderben gera-<lb/>
then. Das werden Sie aus dem, was ich &#x017F;chon<lb/>
beru&#x0364;hret habe, augen&#x017F;cheinlich erkennen: wenn ich<lb/>
mich auch nicht weiter erkla&#x0364;ren &#x017F;ollte. &#x2012; &#x2012; Denn<lb/>
wie ha&#x0364;tte der grau&#x017F;ame Ra&#x0364;uber no&#x0364;thig gehabt,<lb/>
zu unver&#x017F;chuldeten Ku&#x0364;n&#x017F;ten &#x2012; &#x2012; ich will freyer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">heraus-</fw><lb/></p>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0069] haͤtten: das Beſſere aber machte mir oft Hoff- nung, daß ich mit der naͤchſten und dann wieder mit der naͤchſten Poſt, und ſo von einer Woche zur andern, Jhnen das Beſte, was mir damals begegnen konnte, zu melden haben wuͤrde; ſo kaltſinnig auch nunmehr der nichtswuͤrdige Menſch mein Herz gegen das Beſte gemachet hat. ‒ ‒ Wie konnte ich mir in den Sinn kommen laſſen, an Sie zu ſchreiben und dadurch Jhnen zu ge- ſtehen, daß ich nicht verheyrathet waͤre, und doch mit einem ſolchen Menſchen, wiewohl ich es nicht aͤndern konnte, in einem und eben demſelben Hauſe lebte? ‒ ‒ Der noch dazu gegen ver- ſchiedne Perſonen vorgegeben hatte, daß wir wirk- lich vermaͤhlet waͤren, ob gleich mit gewiſſen Be- dingungen, die von der Ausſoͤhnung mit meinen Freunden abhingen? Daß ich Jhnen aber die Wahrheit vorenthalten, oder mich entweder of- fenbar, oder durch Zweydeutigkeiten einer Un- wahrheit ſchuldig machen ſollte, das war etwas, das Sie mich niemals gelehret hatten. Vielleicht aber werden Sie denken, ich haͤtte um Jhren Rath in meinen gefaͤhrlichen Umſtaͤn- den an Sie ſchreiben moͤgen. Allein in der That, meine liebe Fr. Norton, ich bin nicht aus Mangel an gutem Rath ins Verderben gera- then. Das werden Sie aus dem, was ich ſchon beruͤhret habe, augenſcheinlich erkennen: wenn ich mich auch nicht weiter erklaͤren ſollte. ‒ ‒ Denn wie haͤtte der grauſame Raͤuber noͤthig gehabt, zu unverſchuldeten Kuͤnſten ‒ ‒ ich will freyer heraus-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/69
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/69>, abgerufen am 18.05.2024.