Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



schreckliche Fluch meines Vaters möchte in Absicht
auf beyde Welten in Erfüllung gehen.

Denn noch ein neues Unglück! - - Jn ei-
nem Anfall von Verrückung und Unbesonnenheit
habe ich an meine geliebte Fräulein Howe einen
Brief abgeschickt, ohne mich auf den geheimen
Weg, wodurch sonst meine Briefe an Sie kom-
men, zu besinnen. Der ist Jhrer zornigen
Mutter in die Hände gefallen: und so hat viel-
leicht diese werthe Freundinn sich um meinetwil-
len ein neues Misvergnügen zugezogen. Dazu
ist noch Jhr würdiger Sohn krank, und meine
arme Hanna, glauben Sie, kann nicht zu mir
kommen - - O meine liebe Frau Norton, wol-
len
Sie, können Sie diejenigen tadeln, de-
ren Unwillen gegen mich der Himmel selbst zu
billigen scheinet? und wollen Sie die lossprechen,
die der verdammet?

Jedoch, Sie gebieten mir, den Muth nicht
sinken zu lassen - - Jch will auch nicht: wo ich
es ändern kann - - Und in der That Jhr güti-
ger Brief hat mir zu rechter Zeit Trost verliehen - -
Allein Gott dem Allmächtigen stelle ich meine
Sache heim: Er räche mein Unrecht und rette
meine Unsch - -

Aber wie reißen mich meine stürmische Leiden-
schaften hin! Habe ich nicht erst diesen Augenblick
gesagt, daß Jhr Brief mir Trost mitgetheilet
hätte? - - Gott vergebe es denen, die meinen
Vater hindern, mir zu vergeben! - - Dieß soll

das



ſchreckliche Fluch meines Vaters moͤchte in Abſicht
auf beyde Welten in Erfuͤllung gehen.

Denn noch ein neues Ungluͤck! ‒ ‒ Jn ei-
nem Anfall von Verruͤckung und Unbeſonnenheit
habe ich an meine geliebte Fraͤulein Howe einen
Brief abgeſchickt, ohne mich auf den geheimen
Weg, wodurch ſonſt meine Briefe an Sie kom-
men, zu beſinnen. Der iſt Jhrer zornigen
Mutter in die Haͤnde gefallen: und ſo hat viel-
leicht dieſe werthe Freundinn ſich um meinetwil-
len ein neues Misvergnuͤgen zugezogen. Dazu
iſt noch Jhr wuͤrdiger Sohn krank, und meine
arme Hanna, glauben Sie, kann nicht zu mir
kommen ‒ ‒ O meine liebe Frau Norton, wol-
len
Sie, koͤnnen Sie diejenigen tadeln, de-
ren Unwillen gegen mich der Himmel ſelbſt zu
billigen ſcheinet? und wollen Sie die losſprechen,
die der verdammet?

Jedoch, Sie gebieten mir, den Muth nicht
ſinken zu laſſen ‒ ‒ Jch will auch nicht: wo ich
es aͤndern kann ‒ ‒ Und in der That Jhr guͤti-
ger Brief hat mir zu rechter Zeit Troſt verliehen ‒ ‒
Allein Gott dem Allmaͤchtigen ſtelle ich meine
Sache heim: Er raͤche mein Unrecht und rette
meine Unſch ‒ ‒

Aber wie reißen mich meine ſtuͤrmiſche Leiden-
ſchaften hin! Habe ich nicht erſt dieſen Augenblick
geſagt, daß Jhr Brief mir Troſt mitgetheilet
haͤtte? ‒ ‒ Gott vergebe es denen, die meinen
Vater hindern, mir zu vergeben! ‒ ‒ Dieß ſoll

das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <p><pb facs="#f0064" n="58"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;chreckliche Fluch meines Vaters mo&#x0364;chte in Ab&#x017F;icht<lb/>
auf beyde Welten in Erfu&#x0364;llung gehen.</p><lb/>
              <p>Denn noch ein neues Unglu&#x0364;ck! &#x2012; &#x2012; Jn ei-<lb/>
nem Anfall von Verru&#x0364;ckung und Unbe&#x017F;onnenheit<lb/>
habe ich an meine geliebte Fra&#x0364;ulein Howe einen<lb/>
Brief abge&#x017F;chickt, ohne mich auf den geheimen<lb/>
Weg, wodurch &#x017F;on&#x017F;t meine Briefe an Sie kom-<lb/>
men, zu be&#x017F;innen. Der i&#x017F;t Jhrer zornigen<lb/>
Mutter in die Ha&#x0364;nde gefallen: und &#x017F;o hat viel-<lb/>
leicht die&#x017F;e werthe Freundinn &#x017F;ich um meinetwil-<lb/>
len ein neues Misvergnu&#x0364;gen zugezogen. Dazu<lb/>
i&#x017F;t noch Jhr wu&#x0364;rdiger Sohn krank, und meine<lb/>
arme Hanna, glauben Sie, kann nicht zu mir<lb/>
kommen &#x2012; &#x2012; O meine liebe Frau Norton, <hi rendition="#fr">wol-<lb/>
len</hi> Sie, <hi rendition="#fr">ko&#x0364;nnen</hi> Sie <hi rendition="#fr">diejenigen</hi> tadeln, de-<lb/>
ren Unwillen gegen mich der Himmel &#x017F;elb&#x017F;t zu<lb/>
billigen &#x017F;cheinet? und wollen Sie <hi rendition="#fr">die</hi> los&#x017F;prechen,<lb/>
die <hi rendition="#fr">der</hi> verdammet?</p><lb/>
              <p>Jedoch, Sie gebieten mir, den Muth nicht<lb/>
&#x017F;inken zu la&#x017F;&#x017F;en &#x2012; &#x2012; Jch will auch nicht: wo ich<lb/>
es a&#x0364;ndern kann &#x2012; &#x2012; Und in der That Jhr gu&#x0364;ti-<lb/>
ger Brief hat mir zu rechter Zeit Tro&#x017F;t verliehen &#x2012; &#x2012;<lb/>
Allein Gott dem Allma&#x0364;chtigen &#x017F;telle ich meine<lb/>
Sache heim: Er ra&#x0364;che mein Unrecht und rette<lb/>
meine Un&#x017F;ch &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
              <p>Aber wie reißen mich meine &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;che Leiden-<lb/>
&#x017F;chaften hin! Habe ich nicht er&#x017F;t die&#x017F;en Augenblick<lb/>
ge&#x017F;agt, daß Jhr Brief mir Tro&#x017F;t mitgetheilet<lb/>
ha&#x0364;tte? &#x2012; &#x2012; Gott vergebe es <hi rendition="#fr">denen,</hi> die meinen<lb/>
Vater hindern, <hi rendition="#fr">mir</hi> zu vergeben! &#x2012; &#x2012; Dieß &#x017F;oll<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0064] ſchreckliche Fluch meines Vaters moͤchte in Abſicht auf beyde Welten in Erfuͤllung gehen. Denn noch ein neues Ungluͤck! ‒ ‒ Jn ei- nem Anfall von Verruͤckung und Unbeſonnenheit habe ich an meine geliebte Fraͤulein Howe einen Brief abgeſchickt, ohne mich auf den geheimen Weg, wodurch ſonſt meine Briefe an Sie kom- men, zu beſinnen. Der iſt Jhrer zornigen Mutter in die Haͤnde gefallen: und ſo hat viel- leicht dieſe werthe Freundinn ſich um meinetwil- len ein neues Misvergnuͤgen zugezogen. Dazu iſt noch Jhr wuͤrdiger Sohn krank, und meine arme Hanna, glauben Sie, kann nicht zu mir kommen ‒ ‒ O meine liebe Frau Norton, wol- len Sie, koͤnnen Sie diejenigen tadeln, de- ren Unwillen gegen mich der Himmel ſelbſt zu billigen ſcheinet? und wollen Sie die losſprechen, die der verdammet? Jedoch, Sie gebieten mir, den Muth nicht ſinken zu laſſen ‒ ‒ Jch will auch nicht: wo ich es aͤndern kann ‒ ‒ Und in der That Jhr guͤti- ger Brief hat mir zu rechter Zeit Troſt verliehen ‒ ‒ Allein Gott dem Allmaͤchtigen ſtelle ich meine Sache heim: Er raͤche mein Unrecht und rette meine Unſch ‒ ‒ Aber wie reißen mich meine ſtuͤrmiſche Leiden- ſchaften hin! Habe ich nicht erſt dieſen Augenblick geſagt, daß Jhr Brief mir Troſt mitgetheilet haͤtte? ‒ ‒ Gott vergebe es denen, die meinen Vater hindern, mir zu vergeben! ‒ ‒ Dieß ſoll das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/64
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/64>, abgerufen am 22.11.2024.