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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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verschämtheit leiden könnte: vornehmlich, wenn
es Freundschaften seyn sollten, die eher gestiftet
wären, als ich ihn hätte kennen gelernt.

Jch weiß, daß ich in diesem Stücke allemal
andere Gedanken gehabt habe, als Sie hegen.
Denn Sie gedenken von dem Vorrechte eines
Ehemannes weit höher, als die meisten Men-
schen von den königlichen Vorrechten gedenken.
- - Diese Vorstellungen, liebste Freundinn, von
einer Person, die Jhre Einsicht und Beurthei-
lungskraft besitzet, sind uns keinesweges vortheil-
haft: in so fern sie dem übermüthigen Geschlecht
in ihren angemaßten Vorzügen Recht sprechen;
da unter zehen kaum einer von ihnen, in Be-
trachtung der Bequemlichkeiten, welche sie haben,
irgend das geringste Vorrecht verdienet. Ueber-
sehen Sie alle Familien, die wir kennen: wir
werden nicht ein Drittel von ihnen finden, das
halb so viel Verstand hätte, als ihre Weiber - -
Und dennoch sollen diese mit Vorrechten begabet
seyn! - - Eine Frau aber, die zweymal so viel
Verstand hat, soll nichts thun, als hören, zittern
und gehorchen - - und das noch dazu, wie ich
Bürge bin, Gewissens wegen!

Allein Herr Hickmann und ich können viel-
leicht eine kleine Unterredung über diese Dinge
haben, ehe ich ihm erlaube, von dem Hochzeits-
tage zu schwatzen. Alsdenn werde ich ihm zu
verstehen geben, worauf er sich zu verlassen ha-
be: gleichwie er mir eröffnen wird, wofern er ein
redlicher Mann ist, was er von mir zu erwarten

geden-



verſchaͤmtheit leiden koͤnnte: vornehmlich, wenn
es Freundſchaften ſeyn ſollten, die eher geſtiftet
waͤren, als ich ihn haͤtte kennen gelernt.

Jch weiß, daß ich in dieſem Stuͤcke allemal
andere Gedanken gehabt habe, als Sie hegen.
Denn Sie gedenken von dem Vorrechte eines
Ehemannes weit hoͤher, als die meiſten Men-
ſchen von den koͤniglichen Vorrechten gedenken.
‒ ‒ Dieſe Vorſtellungen, liebſte Freundinn, von
einer Perſon, die Jhre Einſicht und Beurthei-
lungskraft beſitzet, ſind uns keinesweges vortheil-
haft: in ſo fern ſie dem uͤbermuͤthigen Geſchlecht
in ihren angemaßten Vorzuͤgen Recht ſprechen;
da unter zehen kaum einer von ihnen, in Be-
trachtung der Bequemlichkeiten, welche ſie haben,
irgend das geringſte Vorrecht verdienet. Ueber-
ſehen Sie alle Familien, die wir kennen: wir
werden nicht ein Drittel von ihnen finden, das
halb ſo viel Verſtand haͤtte, als ihre Weiber ‒ ‒
Und dennoch ſollen dieſe mit Vorrechten begabet
ſeyn! ‒ ‒ Eine Frau aber, die zweymal ſo viel
Verſtand hat, ſoll nichts thun, als hoͤren, zittern
und gehorchen ‒ ‒ und das noch dazu, wie ich
Buͤrge bin, Gewiſſens wegen!

Allein Herr Hickmann und ich koͤnnen viel-
leicht eine kleine Unterredung uͤber dieſe Dinge
haben, ehe ich ihm erlaube, von dem Hochzeits-
tage zu ſchwatzen. Alsdenn werde ich ihm zu
verſtehen geben, worauf er ſich zu verlaſſen ha-
be: gleichwie er mir eroͤffnen wird, wofern er ein
redlicher Mann iſt, was er von mir zu erwarten

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[605/0611] verſchaͤmtheit leiden koͤnnte: vornehmlich, wenn es Freundſchaften ſeyn ſollten, die eher geſtiftet waͤren, als ich ihn haͤtte kennen gelernt. Jch weiß, daß ich in dieſem Stuͤcke allemal andere Gedanken gehabt habe, als Sie hegen. Denn Sie gedenken von dem Vorrechte eines Ehemannes weit hoͤher, als die meiſten Men- ſchen von den koͤniglichen Vorrechten gedenken. ‒ ‒ Dieſe Vorſtellungen, liebſte Freundinn, von einer Perſon, die Jhre Einſicht und Beurthei- lungskraft beſitzet, ſind uns keinesweges vortheil- haft: in ſo fern ſie dem uͤbermuͤthigen Geſchlecht in ihren angemaßten Vorzuͤgen Recht ſprechen; da unter zehen kaum einer von ihnen, in Be- trachtung der Bequemlichkeiten, welche ſie haben, irgend das geringſte Vorrecht verdienet. Ueber- ſehen Sie alle Familien, die wir kennen: wir werden nicht ein Drittel von ihnen finden, das halb ſo viel Verſtand haͤtte, als ihre Weiber ‒ ‒ Und dennoch ſollen dieſe mit Vorrechten begabet ſeyn! ‒ ‒ Eine Frau aber, die zweymal ſo viel Verſtand hat, ſoll nichts thun, als hoͤren, zittern und gehorchen ‒ ‒ und das noch dazu, wie ich Buͤrge bin, Gewiſſens wegen! Allein Herr Hickmann und ich koͤnnen viel- leicht eine kleine Unterredung uͤber dieſe Dinge haben, ehe ich ihm erlaube, von dem Hochzeits- tage zu ſchwatzen. Alsdenn werde ich ihm zu verſtehen geben, worauf er ſich zu verlaſſen ha- be: gleichwie er mir eroͤffnen wird, wofern er ein redlicher Mann iſt, was er von mir zu erwarten geden-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 605. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/611>, abgerufen am 26.11.2024.