zet; wie er alle ihre Freunde ihnen zu Feinden gemacht; und in was für ein schändliches Haus er sie geführet hätte. Jch gab ihm einen Wink von seinen ehrlosen Künsten und von dem schreck- lichen Verhaft. Jch sagte ihm, wie schlecht sie sich itzo befänden, und wie fest sie entschlossen wären, lieber zu sterben, als ihn zu nehmen.
Er suchte seine Aufführung in keinem Stü- cke, als in Ansehung des Verhafts, zu rechtferti- gen: und betheurte so feyerlich seine schmerzliche Reue über sein Verfahren mit Jhnen, indem er sich auf die freyeste Art selbst anklagte und sich die verdienten Namen beylegte, daß ich ver- sprach, Jhnen dieses Stück von unserer Unterre- dung vorzustellen. Und nun haben sie es.
Meine Mutter so wohl, als Herr Hickmann, glaubt, wegen desjenigen, was bey dieser Gele- genheit vorfiel, daß er durch das Böse, welches er Jhnen angethan, in seinem Gewissen gerühret sey. Allein nach seinem ganzen Bezeigen, muß ich gestehen, kommt es mir vor, als wenn ihn nichts eine halbe Stunde über zu rühren vermö- gend ist. Dennoch zweifle ich im geringsten nicht, daß er sie gern heyrathen würde. Es kränkt seinen Stolz, wie ich wohl sehen konnte, daß er eine abschlägige Antwort bekommen sollte: und den meinigen kränkte es dagegen, daß ein so nichts- würdiger Kerl sich unterstanden hatte, zu denken, es würde in seiner Gewalt seyn, ein solches Frauenzimmer zu bekommen, wenn es ihm nur beliebte; und es müßte ihm als eine Herablas-
sung
zet; wie er alle ihre Freunde ihnen zu Feinden gemacht; und in was fuͤr ein ſchaͤndliches Haus er ſie gefuͤhret haͤtte. Jch gab ihm einen Wink von ſeinen ehrloſen Kuͤnſten und von dem ſchreck- lichen Verhaft. Jch ſagte ihm, wie ſchlecht ſie ſich itzo befaͤnden, und wie feſt ſie entſchloſſen waͤren, lieber zu ſterben, als ihn zu nehmen.
Er ſuchte ſeine Auffuͤhrung in keinem Stuͤ- cke, als in Anſehung des Verhafts, zu rechtferti- gen: und betheurte ſo feyerlich ſeine ſchmerzliche Reue uͤber ſein Verfahren mit Jhnen, indem er ſich auf die freyeſte Art ſelbſt anklagte und ſich die verdienten Namen beylegte, daß ich ver- ſprach, Jhnen dieſes Stuͤck von unſerer Unterre- dung vorzuſtellen. Und nun haben ſie es.
Meine Mutter ſo wohl, als Herr Hickmann, glaubt, wegen desjenigen, was bey dieſer Gele- genheit vorfiel, daß er durch das Boͤſe, welches er Jhnen angethan, in ſeinem Gewiſſen geruͤhret ſey. Allein nach ſeinem ganzen Bezeigen, muß ich geſtehen, kommt es mir vor, als wenn ihn nichts eine halbe Stunde uͤber zu ruͤhren vermoͤ- gend iſt. Dennoch zweifle ich im geringſten nicht, daß er ſie gern heyrathen wuͤrde. Es kraͤnkt ſeinen Stolz, wie ich wohl ſehen konnte, daß er eine abſchlaͤgige Antwort bekommen ſollte: und den meinigen kraͤnkte es dagegen, daß ein ſo nichts- wuͤrdiger Kerl ſich unterſtanden hatte, zu denken, es wuͤrde in ſeiner Gewalt ſeyn, ein ſolches Frauenzimmer zu bekommen, wenn es ihm nur beliebte; und es muͤßte ihm als eine Herablaſ-
ſung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0566"n="560"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
zet; wie er alle ihre Freunde ihnen zu Feinden<lb/>
gemacht; und in was fuͤr ein ſchaͤndliches Haus<lb/>
er ſie gefuͤhret haͤtte. Jch gab ihm einen Wink<lb/>
von ſeinen ehrloſen Kuͤnſten und von dem ſchreck-<lb/>
lichen Verhaft. Jch ſagte ihm, wie ſchlecht ſie<lb/>ſich itzo befaͤnden, und wie feſt ſie entſchloſſen<lb/>
waͤren, lieber zu ſterben, als ihn zu nehmen.</p><lb/><p>Er ſuchte ſeine Auffuͤhrung in keinem Stuͤ-<lb/>
cke, als in Anſehung des Verhafts, zu rechtferti-<lb/>
gen: und betheurte ſo feyerlich ſeine ſchmerzliche<lb/>
Reue uͤber ſein Verfahren mit Jhnen, indem er<lb/>ſich auf die freyeſte Art ſelbſt anklagte und ſich<lb/>
die <hirendition="#fr">verdienten</hi> Namen beylegte, daß ich ver-<lb/>ſprach, Jhnen dieſes Stuͤck von unſerer Unterre-<lb/>
dung vorzuſtellen. Und nun haben ſie es.</p><lb/><p>Meine Mutter ſo wohl, als Herr Hickmann,<lb/>
glaubt, wegen desjenigen, was bey dieſer Gele-<lb/>
genheit vorfiel, daß er durch das Boͤſe, welches<lb/>
er Jhnen angethan, in ſeinem Gewiſſen geruͤhret<lb/>ſey. Allein nach ſeinem ganzen Bezeigen, muß<lb/>
ich geſtehen, kommt es mir vor, als wenn ihn<lb/>
nichts eine halbe Stunde uͤber zu ruͤhren vermoͤ-<lb/>
gend iſt. Dennoch zweifle ich im geringſten<lb/>
nicht, daß er ſie gern heyrathen wuͤrde. Es kraͤnkt<lb/>ſeinen Stolz, wie ich wohl ſehen konnte, daß er<lb/>
eine abſchlaͤgige Antwort bekommen ſollte: und<lb/>
den meinigen kraͤnkte es dagegen, daß ein ſo nichts-<lb/>
wuͤrdiger Kerl ſich unterſtanden hatte, zu denken,<lb/>
es wuͤrde in ſeiner Gewalt ſeyn, ein ſolches<lb/>
Frauenzimmer zu bekommen, wenn es ihm nur<lb/>
beliebte; und es muͤßte ihm als eine Herablaſ-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſung</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[560/0566]
zet; wie er alle ihre Freunde ihnen zu Feinden
gemacht; und in was fuͤr ein ſchaͤndliches Haus
er ſie gefuͤhret haͤtte. Jch gab ihm einen Wink
von ſeinen ehrloſen Kuͤnſten und von dem ſchreck-
lichen Verhaft. Jch ſagte ihm, wie ſchlecht ſie
ſich itzo befaͤnden, und wie feſt ſie entſchloſſen
waͤren, lieber zu ſterben, als ihn zu nehmen.
Er ſuchte ſeine Auffuͤhrung in keinem Stuͤ-
cke, als in Anſehung des Verhafts, zu rechtferti-
gen: und betheurte ſo feyerlich ſeine ſchmerzliche
Reue uͤber ſein Verfahren mit Jhnen, indem er
ſich auf die freyeſte Art ſelbſt anklagte und ſich
die verdienten Namen beylegte, daß ich ver-
ſprach, Jhnen dieſes Stuͤck von unſerer Unterre-
dung vorzuſtellen. Und nun haben ſie es.
Meine Mutter ſo wohl, als Herr Hickmann,
glaubt, wegen desjenigen, was bey dieſer Gele-
genheit vorfiel, daß er durch das Boͤſe, welches
er Jhnen angethan, in ſeinem Gewiſſen geruͤhret
ſey. Allein nach ſeinem ganzen Bezeigen, muß
ich geſtehen, kommt es mir vor, als wenn ihn
nichts eine halbe Stunde uͤber zu ruͤhren vermoͤ-
gend iſt. Dennoch zweifle ich im geringſten
nicht, daß er ſie gern heyrathen wuͤrde. Es kraͤnkt
ſeinen Stolz, wie ich wohl ſehen konnte, daß er
eine abſchlaͤgige Antwort bekommen ſollte: und
den meinigen kraͤnkte es dagegen, daß ein ſo nichts-
wuͤrdiger Kerl ſich unterſtanden hatte, zu denken,
es wuͤrde in ſeiner Gewalt ſeyn, ein ſolches
Frauenzimmer zu bekommen, wenn es ihm nur
beliebte; und es muͤßte ihm als eine Herablaſ-
ſung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/566>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.