Was meine und deine Kleidung betrifft: so habe ich nur dieß zu sagen. Deine ganze An- merkung kommt darauf hinaus, daß die äußere Seite von mir die schlimmste und von dir die beste ist. Was gewinnest du bey diesem Ver- gleich? Bessere du die eine: ich will die andere zu verbessern suchen. Jch fordere dich hiemit auf, den Anfang zu machen.
Fr. Lovick hat mir auf mein Ersuchen die Abschrift von einer geistlichen Betrachtung, die sie mir zeigte, gegeben. Die Fräulein hat die- selbe aus der heiligen Schrift gezogen, da sie bey Rowlanden in Verhaft gewesen; wie der beyge- schriebene Tag zeiget. Sie soll nicht wissen, daß Fr. Lovick sich eine solche Freyheit genom- men hat.
Jhr und ich haben allezeit die edle Einfalt, und das Ungezwungene und Erhabene in der Schreibart bewundert, wodurch sich diese Bü- cher als durch eigenthümliche Merkmaale unter- scheiden: so oft uns einige Stellen, die etwa in andern Werken von den Verfassern angezogen waren, aufgestossen sind. Und einmal besinne ich mich, machtet ihr, so gar ihr, die Anmerkung, daß diese Stellen allemal einer reichen Goldader ähnlich schienen, welche durch geringhaltigers Metall fortliefe: indem sie das Werk, worinn sie zu einem Beweise der Glaubwürdigkeit angefüh- ret wären, allezeit schöner machten.
Versuche, Lovelace, ob du einen Geschmack an einer göttlichen Schönheit finden kannst. Jch
denke,
Was meine und deine Kleidung betrifft: ſo habe ich nur dieß zu ſagen. Deine ganze An- merkung kommt darauf hinaus, daß die aͤußere Seite von mir die ſchlimmſte und von dir die beſte iſt. Was gewinneſt du bey dieſem Ver- gleich? Beſſere du die eine: ich will die andere zu verbeſſern ſuchen. Jch fordere dich hiemit auf, den Anfang zu machen.
Fr. Lovick hat mir auf mein Erſuchen die Abſchrift von einer geiſtlichen Betrachtung, die ſie mir zeigte, gegeben. Die Fraͤulein hat die- ſelbe aus der heiligen Schrift gezogen, da ſie bey Rowlanden in Verhaft geweſen; wie der beyge- ſchriebene Tag zeiget. Sie ſoll nicht wiſſen, daß Fr. Lovick ſich eine ſolche Freyheit genom- men hat.
Jhr und ich haben allezeit die edle Einfalt, und das Ungezwungene und Erhabene in der Schreibart bewundert, wodurch ſich dieſe Buͤ- cher als durch eigenthuͤmliche Merkmaale unter- ſcheiden: ſo oft uns einige Stellen, die etwa in andern Werken von den Verfaſſern angezogen waren, aufgeſtoſſen ſind. Und einmal beſinne ich mich, machtet ihr, ſo gar ihr, die Anmerkung, daß dieſe Stellen allemal einer reichen Goldader aͤhnlich ſchienen, welche durch geringhaltigers Metall fortliefe: indem ſie das Werk, worinn ſie zu einem Beweiſe der Glaubwuͤrdigkeit angefuͤh- ret waͤren, allezeit ſchoͤner machten.
Verſuche, Lovelace, ob du einen Geſchmack an einer goͤttlichen Schoͤnheit finden kannſt. Jch
denke,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0520"n="514"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Was <hirendition="#fr">meine</hi> und <hirendition="#fr">deine</hi> Kleidung betrifft: ſo<lb/>
habe ich nur dieß zu ſagen. Deine ganze An-<lb/>
merkung kommt darauf hinaus, daß die aͤußere<lb/>
Seite von <hirendition="#fr">mir</hi> die <hirendition="#fr">ſchlimmſte</hi> und von <hirendition="#fr">dir</hi> die<lb/><hirendition="#fr">beſte</hi> iſt. Was gewinneſt du bey dieſem Ver-<lb/>
gleich? Beſſere du die eine: ich will die andere<lb/>
zu verbeſſern ſuchen. Jch fordere dich hiemit<lb/>
auf, den Anfang zu machen.</p><lb/><p>Fr. Lovick hat mir auf mein Erſuchen die<lb/>
Abſchrift von einer geiſtlichen Betrachtung, die<lb/>ſie mir zeigte, gegeben. Die Fraͤulein hat die-<lb/>ſelbe aus der heiligen Schrift gezogen, da ſie bey<lb/>
Rowlanden in Verhaft geweſen; wie der beyge-<lb/>ſchriebene Tag zeiget. Sie ſoll nicht wiſſen,<lb/>
daß Fr. Lovick ſich eine ſolche Freyheit genom-<lb/>
men hat.</p><lb/><p>Jhr und ich haben allezeit die edle Einfalt,<lb/>
und das Ungezwungene und Erhabene in der<lb/>
Schreibart bewundert, wodurch ſich dieſe Buͤ-<lb/>
cher als durch eigenthuͤmliche Merkmaale unter-<lb/>ſcheiden: ſo oft uns einige Stellen, die etwa in<lb/>
andern Werken von den Verfaſſern angezogen<lb/>
waren, aufgeſtoſſen ſind. Und einmal beſinne<lb/>
ich mich, machtet ihr, ſo gar <hirendition="#fr">ihr,</hi> die Anmerkung,<lb/>
daß dieſe Stellen allemal einer reichen Goldader<lb/>
aͤhnlich ſchienen, welche durch geringhaltigers<lb/>
Metall fortliefe: indem ſie das Werk, worinn ſie<lb/>
zu einem Beweiſe der Glaubwuͤrdigkeit angefuͤh-<lb/>
ret waͤren, allezeit ſchoͤner machten.</p><lb/><p>Verſuche, Lovelace, ob du einen Geſchmack<lb/>
an einer goͤttlichen Schoͤnheit finden kannſt. Jch<lb/><fwplace="bottom"type="catch">denke,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[514/0520]
Was meine und deine Kleidung betrifft: ſo
habe ich nur dieß zu ſagen. Deine ganze An-
merkung kommt darauf hinaus, daß die aͤußere
Seite von mir die ſchlimmſte und von dir die
beſte iſt. Was gewinneſt du bey dieſem Ver-
gleich? Beſſere du die eine: ich will die andere
zu verbeſſern ſuchen. Jch fordere dich hiemit
auf, den Anfang zu machen.
Fr. Lovick hat mir auf mein Erſuchen die
Abſchrift von einer geiſtlichen Betrachtung, die
ſie mir zeigte, gegeben. Die Fraͤulein hat die-
ſelbe aus der heiligen Schrift gezogen, da ſie bey
Rowlanden in Verhaft geweſen; wie der beyge-
ſchriebene Tag zeiget. Sie ſoll nicht wiſſen,
daß Fr. Lovick ſich eine ſolche Freyheit genom-
men hat.
Jhr und ich haben allezeit die edle Einfalt,
und das Ungezwungene und Erhabene in der
Schreibart bewundert, wodurch ſich dieſe Buͤ-
cher als durch eigenthuͤmliche Merkmaale unter-
ſcheiden: ſo oft uns einige Stellen, die etwa in
andern Werken von den Verfaſſern angezogen
waren, aufgeſtoſſen ſind. Und einmal beſinne
ich mich, machtet ihr, ſo gar ihr, die Anmerkung,
daß dieſe Stellen allemal einer reichen Goldader
aͤhnlich ſchienen, welche durch geringhaltigers
Metall fortliefe: indem ſie das Werk, worinn ſie
zu einem Beweiſe der Glaubwuͤrdigkeit angefuͤh-
ret waͤren, allezeit ſchoͤner machten.
Verſuche, Lovelace, ob du einen Geſchmack
an einer goͤttlichen Schoͤnheit finden kannſt. Jch
denke,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/520>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.