mich zu beleidigen hierher gekommen. Jch neh- me mir Freyheiten, und gestatte sie auch wieder. - - - Jch wollte sehr ungern etwas sagen, ich wiederhole es noch einmal, das die gute Mey- nung von der Fräulein Harlowe bey der einzigen Freundinn, die sie übrig zu haben denket, schwä- chen könnte.
Es mag sich etwa nicht schicken, antwortete er, daß ich um das dritte Stück, welches sie ge- gen die unglückliche Fräulein haben, wisse: al- lein ich habe niemals jemand, von ihrer eignen unversöhnlichen Familie, gehört, der an ihrer Eh- re den geringsten Zweifel gehabt hätte. Fräu- lein Howe sagte in der That einmal, nach einer Unterredung mit einem von ihren Onkeln, daß sie besorgte, es wäre nicht alles, wie es seyn sollte, an ihrer Seite - - Aber sonst habe ich niemals gehört - -
Ey, mein Herr, sprach ich in einem hitzigen Tone und mit einer aufgebrachten Miene, und kam ihm so nahe auf den Hals, daß er stutzig zu- rücke trat! - - Es ist beynahe eine Gott släste- rung, wider die Ehre der Fräulein einen Zweifel zu erregen. Sie ist reiner, als eine vestalische Jungfrau: denn die vestalischen Jungfrauen ha- ben sich oft an ihrem eignen Feuer gewärmet. Keine Zeit, von Anfange bis itzo, hat jemals ein junges Frauenzimmer in der schönsten Blüte hervorgebracht, und keine künftige Zeit, bis an das Ende der Welt, unterstehe ich mich zu be- haupten, wird jemals eines hervorbringen, das
so
Sechster Theil. D d
mich zu beleidigen hierher gekommen. Jch neh- me mir Freyheiten, und geſtatte ſie auch wieder. ‒ ‒ ‒ Jch wollte ſehr ungern etwas ſagen, ich wiederhole es noch einmal, das die gute Mey- nung von der Fraͤulein Harlowe bey der einzigen Freundinn, die ſie uͤbrig zu haben denket, ſchwaͤ- chen koͤnnte.
Es mag ſich etwa nicht ſchicken, antwortete er, daß ich um das dritte Stuͤck, welches ſie ge- gen die ungluͤckliche Fraͤulein haben, wiſſe: al- lein ich habe niemals jemand, von ihrer eignen unverſoͤhnlichen Familie, gehoͤrt, der an ihrer Eh- re den geringſten Zweifel gehabt haͤtte. Fraͤu- lein Howe ſagte in der That einmal, nach einer Unterredung mit einem von ihren Onkeln, daß ſie beſorgte, es waͤre nicht alles, wie es ſeyn ſollte, an ihrer Seite ‒ ‒ Aber ſonſt habe ich niemals gehoͤrt ‒ ‒
Ey, mein Herr, ſprach ich in einem hitzigen Tone und mit einer aufgebrachten Miene, und kam ihm ſo nahe auf den Hals, daß er ſtutzig zu- ruͤcke trat! ‒ ‒ Es iſt beynahe eine Gott slaͤſte- rung, wider die Ehre der Fraͤulein einen Zweifel zu erregen. Sie iſt reiner, als eine veſtaliſche Jungfrau: denn die veſtaliſchen Jungfrauen ha- ben ſich oft an ihrem eignen Feuer gewaͤrmet. Keine Zeit, von Anfange bis itzo, hat jemals ein junges Frauenzimmer in der ſchoͤnſten Bluͤte hervorgebracht, und keine kuͤnftige Zeit, bis an das Ende der Welt, unterſtehe ich mich zu be- haupten, wird jemals eines hervorbringen, das
ſo
Sechſter Theil. D d
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0423"n="417"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
mich zu beleidigen hierher gekommen. Jch neh-<lb/>
me mir Freyheiten, und geſtatte ſie auch wieder.<lb/>‒‒‒ Jch wollte ſehr ungern etwas ſagen, ich<lb/>
wiederhole es noch einmal, das die gute Mey-<lb/>
nung von der Fraͤulein Harlowe bey der einzigen<lb/>
Freundinn, die ſie uͤbrig zu haben denket, ſchwaͤ-<lb/>
chen koͤnnte.</p><lb/><p>Es mag ſich etwa nicht ſchicken, antwortete<lb/>
er, daß ich um das <hirendition="#fr">dritte</hi> Stuͤck, welches ſie ge-<lb/>
gen die ungluͤckliche Fraͤulein haben, wiſſe: al-<lb/>
lein ich habe niemals jemand, von ihrer eignen<lb/>
unverſoͤhnlichen Familie, gehoͤrt, der an ihrer Eh-<lb/>
re den geringſten Zweifel gehabt haͤtte. Fraͤu-<lb/>
lein Howe ſagte in der That einmal, nach einer<lb/>
Unterredung mit einem von ihren Onkeln, daß<lb/>ſie beſorgte, es waͤre nicht alles, wie es ſeyn ſollte,<lb/>
an ihrer Seite ‒‒ Aber ſonſt habe ich niemals<lb/>
gehoͤrt ‒‒</p><lb/><p>Ey, mein Herr, ſprach ich in einem hitzigen<lb/>
Tone und mit einer aufgebrachten Miene, und<lb/>
kam ihm ſo nahe auf den Hals, daß er ſtutzig zu-<lb/>
ruͤcke trat! ‒‒ Es iſt beynahe eine Gott slaͤſte-<lb/>
rung, wider die Ehre der Fraͤulein einen Zweifel<lb/>
zu erregen. Sie iſt reiner, als eine veſtaliſche<lb/>
Jungfrau: denn die veſtaliſchen Jungfrauen ha-<lb/>
ben ſich oft an ihrem eignen Feuer gewaͤrmet.<lb/>
Keine Zeit, von Anfange bis itzo, hat jemals ein<lb/>
junges Frauenzimmer in der ſchoͤnſten Bluͤte<lb/>
hervorgebracht, und keine kuͤnftige Zeit, bis an<lb/>
das Ende der Welt, unterſtehe ich mich zu be-<lb/>
haupten, wird jemals eines hervorbringen, das<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Sechſter Theil.</hi> D d</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſo</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[417/0423]
mich zu beleidigen hierher gekommen. Jch neh-
me mir Freyheiten, und geſtatte ſie auch wieder.
‒ ‒ ‒ Jch wollte ſehr ungern etwas ſagen, ich
wiederhole es noch einmal, das die gute Mey-
nung von der Fraͤulein Harlowe bey der einzigen
Freundinn, die ſie uͤbrig zu haben denket, ſchwaͤ-
chen koͤnnte.
Es mag ſich etwa nicht ſchicken, antwortete
er, daß ich um das dritte Stuͤck, welches ſie ge-
gen die ungluͤckliche Fraͤulein haben, wiſſe: al-
lein ich habe niemals jemand, von ihrer eignen
unverſoͤhnlichen Familie, gehoͤrt, der an ihrer Eh-
re den geringſten Zweifel gehabt haͤtte. Fraͤu-
lein Howe ſagte in der That einmal, nach einer
Unterredung mit einem von ihren Onkeln, daß
ſie beſorgte, es waͤre nicht alles, wie es ſeyn ſollte,
an ihrer Seite ‒ ‒ Aber ſonſt habe ich niemals
gehoͤrt ‒ ‒
Ey, mein Herr, ſprach ich in einem hitzigen
Tone und mit einer aufgebrachten Miene, und
kam ihm ſo nahe auf den Hals, daß er ſtutzig zu-
ruͤcke trat! ‒ ‒ Es iſt beynahe eine Gott slaͤſte-
rung, wider die Ehre der Fraͤulein einen Zweifel
zu erregen. Sie iſt reiner, als eine veſtaliſche
Jungfrau: denn die veſtaliſchen Jungfrauen ha-
ben ſich oft an ihrem eignen Feuer gewaͤrmet.
Keine Zeit, von Anfange bis itzo, hat jemals ein
junges Frauenzimmer in der ſchoͤnſten Bluͤte
hervorgebracht, und keine kuͤnftige Zeit, bis an
das Ende der Welt, unterſtehe ich mich zu be-
haupten, wird jemals eines hervorbringen, das
ſo
Sechſter Theil. D d
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/423>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.