Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Er sagte, es würde ihm unmöglich gewesen
seyn, wenn er auch kein Arzt gewesen wäre, sich
nach der Gesundheit und dem Wohlbefinden ei-
ner so vortresflichen Person nicht zu erkundigen.
Er wäre nicht willens, sich nur aus Höflichkeit
nöthigen zu lassen; wenn er die angebotene Be-
zahlung verbäte: sondern er wüßte, daß ihr Zu-
stand sich nicht so plötzlich verändern könnte, daß
tägliche Besuche nöthig wären. Sie müßte ihm
also erlauben, sich unten bey den Frauensleuten
nach ihrem Befinden zu erkundigen, und er
müßte nicht daran denken, herauf zu kommen:
wenn er für das Vergnügen, welches er sich selbst
so gern machen wollte, mit Gelde belohnet wer-
den sollte.

Es fiel endlich auf einen Vergleich aus, ein
anderes mal allezeit eine Bezahlung anzuneh-
men. Das ließ sie sich, wiewohl ungern, gefal-
len, und vermeldete ihm, daß sie zwar itzo ver-
lassen und im Unglück wäre, aber nach Recht
und Gesetzen ein großes Vermögen hätte, und
keine Ausgaben so hoch auflaufen könnten, daß
darüber ein Bedenken entstehen sollte, sie möchte
leben oder sterben. Allein sie ließe sich den Ver-
gleich gefallen, setzte sie hinzu, in Hoffnung ihn
so oft zu sehen, als es ihm seine Zeit erlauben
wollte: denn sie hegte gegen ihn und Herrn
Goddard, wegen ihres gütigen und zärtlichen
Verfahrens mit ihr, eine beynahe kindliche Hoch-
achtung.

Jch


Er ſagte, es wuͤrde ihm unmoͤglich geweſen
ſeyn, wenn er auch kein Arzt geweſen waͤre, ſich
nach der Geſundheit und dem Wohlbefinden ei-
ner ſo vortreſflichen Perſon nicht zu erkundigen.
Er waͤre nicht willens, ſich nur aus Hoͤflichkeit
noͤthigen zu laſſen; wenn er die angebotene Be-
zahlung verbaͤte: ſondern er wuͤßte, daß ihr Zu-
ſtand ſich nicht ſo ploͤtzlich veraͤndern koͤnnte, daß
taͤgliche Beſuche noͤthig waͤren. Sie muͤßte ihm
alſo erlauben, ſich unten bey den Frauensleuten
nach ihrem Befinden zu erkundigen, und er
muͤßte nicht daran denken, herauf zu kommen:
wenn er fuͤr das Vergnuͤgen, welches er ſich ſelbſt
ſo gern machen wollte, mit Gelde belohnet wer-
den ſollte.

Es fiel endlich auf einen Vergleich aus, ein
anderes mal allezeit eine Bezahlung anzuneh-
men. Das ließ ſie ſich, wiewohl ungern, gefal-
len, und vermeldete ihm, daß ſie zwar itzo ver-
laſſen und im Ungluͤck waͤre, aber nach Recht
und Geſetzen ein großes Vermoͤgen haͤtte, und
keine Ausgaben ſo hoch auflaufen koͤnnten, daß
daruͤber ein Bedenken entſtehen ſollte, ſie moͤchte
leben oder ſterben. Allein ſie ließe ſich den Ver-
gleich gefallen, ſetzte ſie hinzu, in Hoffnung ihn
ſo oft zu ſehen, als es ihm ſeine Zeit erlauben
wollte: denn ſie hegte gegen ihn und Herrn
Goddard, wegen ihres guͤtigen und zaͤrtlichen
Verfahrens mit ihr, eine beynahe kindliche Hoch-
achtung.

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0406" n="400"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Er &#x017F;agte, es wu&#x0364;rde ihm unmo&#x0364;glich gewe&#x017F;en<lb/>
&#x017F;eyn, wenn er auch <hi rendition="#fr">kein</hi> Arzt gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, &#x017F;ich<lb/>
nach der Ge&#x017F;undheit und dem Wohlbefinden ei-<lb/>
ner &#x017F;o vortre&#x017F;flichen Per&#x017F;on nicht zu erkundigen.<lb/>
Er wa&#x0364;re nicht willens, &#x017F;ich nur aus Ho&#x0364;flichkeit<lb/>
no&#x0364;thigen zu la&#x017F;&#x017F;en; wenn er die angebotene Be-<lb/>
zahlung verba&#x0364;te: &#x017F;ondern er wu&#x0364;ßte, daß ihr Zu-<lb/>
&#x017F;tand &#x017F;ich nicht &#x017F;o plo&#x0364;tzlich vera&#x0364;ndern ko&#x0364;nnte, daß<lb/>
ta&#x0364;gliche Be&#x017F;uche no&#x0364;thig wa&#x0364;ren. Sie mu&#x0364;ßte ihm<lb/>
al&#x017F;o erlauben, &#x017F;ich unten bey den Frauensleuten<lb/>
nach ihrem Befinden zu erkundigen, und er<lb/>
mu&#x0364;ßte nicht daran denken, herauf zu kommen:<lb/>
wenn er fu&#x0364;r das Vergnu&#x0364;gen, welches er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;o gern machen wollte, <hi rendition="#fr">mit Gelde</hi> belohnet wer-<lb/>
den &#x017F;ollte.</p><lb/>
          <p>Es fiel endlich auf einen Vergleich aus, ein<lb/>
anderes mal allezeit eine Bezahlung anzuneh-<lb/>
men. Das ließ &#x017F;ie &#x017F;ich, wiewohl ungern, gefal-<lb/>
len, und vermeldete ihm, daß &#x017F;ie zwar itzo ver-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en und im Unglu&#x0364;ck wa&#x0364;re, aber nach Recht<lb/>
und Ge&#x017F;etzen ein großes Vermo&#x0364;gen ha&#x0364;tte, und<lb/>
keine Ausgaben &#x017F;o hoch auflaufen ko&#x0364;nnten, daß<lb/>
daru&#x0364;ber ein Bedenken ent&#x017F;tehen &#x017F;ollte, &#x017F;ie mo&#x0364;chte<lb/>
leben oder &#x017F;terben. Allein &#x017F;ie ließe &#x017F;ich den Ver-<lb/>
gleich gefallen, &#x017F;etzte &#x017F;ie hinzu, in Hoffnung ihn<lb/>
&#x017F;o oft zu &#x017F;ehen, als es ihm &#x017F;eine Zeit erlauben<lb/>
wollte: denn &#x017F;ie hegte gegen ihn und Herrn<lb/>
Goddard, wegen ihres gu&#x0364;tigen und za&#x0364;rtlichen<lb/>
Verfahrens mit ihr, eine beynahe kindliche Hoch-<lb/>
achtung.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[400/0406] Er ſagte, es wuͤrde ihm unmoͤglich geweſen ſeyn, wenn er auch kein Arzt geweſen waͤre, ſich nach der Geſundheit und dem Wohlbefinden ei- ner ſo vortreſflichen Perſon nicht zu erkundigen. Er waͤre nicht willens, ſich nur aus Hoͤflichkeit noͤthigen zu laſſen; wenn er die angebotene Be- zahlung verbaͤte: ſondern er wuͤßte, daß ihr Zu- ſtand ſich nicht ſo ploͤtzlich veraͤndern koͤnnte, daß taͤgliche Beſuche noͤthig waͤren. Sie muͤßte ihm alſo erlauben, ſich unten bey den Frauensleuten nach ihrem Befinden zu erkundigen, und er muͤßte nicht daran denken, herauf zu kommen: wenn er fuͤr das Vergnuͤgen, welches er ſich ſelbſt ſo gern machen wollte, mit Gelde belohnet wer- den ſollte. Es fiel endlich auf einen Vergleich aus, ein anderes mal allezeit eine Bezahlung anzuneh- men. Das ließ ſie ſich, wiewohl ungern, gefal- len, und vermeldete ihm, daß ſie zwar itzo ver- laſſen und im Ungluͤck waͤre, aber nach Recht und Geſetzen ein großes Vermoͤgen haͤtte, und keine Ausgaben ſo hoch auflaufen koͤnnten, daß daruͤber ein Bedenken entſtehen ſollte, ſie moͤchte leben oder ſterben. Allein ſie ließe ſich den Ver- gleich gefallen, ſetzte ſie hinzu, in Hoffnung ihn ſo oft zu ſehen, als es ihm ſeine Zeit erlauben wollte: denn ſie hegte gegen ihn und Herrn Goddard, wegen ihres guͤtigen und zaͤrtlichen Verfahrens mit ihr, eine beynahe kindliche Hoch- achtung. Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/406
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/406>, abgerufen am 26.06.2024.