Jch bin itzo keine Gefangene mehr in einem schändlichen Hause. Jch bin nun den Ränken des Menschen nicht mehr bloß gestellet. Jch bin nicht mehr genöthigt, mich aus Furcht vor ihm in Winkel zu verstecken. Einer von seinen Vertrauten ist mein eifriger Freund geworden, und verbindet sich, ihn von mir abzuhalten: und das mit seiner eignen Einwilligung. Jch bin unter ehrlichen Leuten. Alle meine Kleider und Sachen sind mir wieder zugestellet. Der nichts- würdige Mensch giebt selbst meiner Ehre Zeug- niß.
Jn Wahrheit, ich bin sehr schwach und krank: aber ich habe einen vortrefflichen Arzt, Dr. H. und einen eben so rechtschaffenen Apotheker, Hrn. Goddard - - Jhr beyder Bezeigen gegen mich, meine Allerliebste, ist vollkommen väterlich! - - Mein Gemüth selbst, kann ich befinden, fängt an stärker zu werden: und mich deucht, ich finde mich bisweilen meinem Elende überlegen.
Jch werde wohl manches mal wieder sinken. Das muß ich vermuthen. Und meines Vaters Fluch - - Jedoch Sie werden mit mir schelten, daß ich dessen auch itzo Erwähnung thue, da ich eben meine Trostgründe erzähle.
Allein ich empfehle Jhnen inständigst, meine theureste Freundinn, daß sie mein Unglück Jhr Gemüth nicht zu sehr anfechten lassen. Thun Sie das: so wird es nur dienen, einige von de- nen Pfeilen, die schon stumpf geworden sind, und
ihre
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Jch bin itzo keine Gefangene mehr in einem ſchaͤndlichen Hauſe. Jch bin nun den Raͤnken des Menſchen nicht mehr bloß geſtellet. Jch bin nicht mehr genoͤthigt, mich aus Furcht vor ihm in Winkel zu verſtecken. Einer von ſeinen Vertrauten iſt mein eifriger Freund geworden, und verbindet ſich, ihn von mir abzuhalten: und das mit ſeiner eignen Einwilligung. Jch bin unter ehrlichen Leuten. Alle meine Kleider und Sachen ſind mir wieder zugeſtellet. Der nichts- wuͤrdige Menſch giebt ſelbſt meiner Ehre Zeug- niß.
Jn Wahrheit, ich bin ſehr ſchwach und krank: aber ich habe einen vortrefflichen Arzt, Dr. H. und einen eben ſo rechtſchaffenen Apotheker, Hrn. Goddard ‒ ‒ Jhr beyder Bezeigen gegen mich, meine Allerliebſte, iſt vollkommen vaͤterlich! ‒ ‒ Mein Gemuͤth ſelbſt, kann ich befinden, faͤngt an ſtaͤrker zu werden: und mich deucht, ich finde mich bisweilen meinem Elende uͤberlegen.
Jch werde wohl manches mal wieder ſinken. Das muß ich vermuthen. Und meines Vaters Fluch ‒ ‒ Jedoch Sie werden mit mir ſchelten, daß ich deſſen auch itzo Erwaͤhnung thue, da ich eben meine Troſtgruͤnde erzaͤhle.
Allein ich empfehle Jhnen inſtaͤndigſt, meine theureſte Freundinn, daß ſie mein Ungluͤck Jhr Gemuͤth nicht zu ſehr anfechten laſſen. Thun Sie das: ſo wird es nur dienen, einige von de- nen Pfeilen, die ſchon ſtumpf geworden ſind, und
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Jch bin itzo keine Gefangene mehr in einem
ſchaͤndlichen Hauſe. Jch bin nun den Raͤnken
des Menſchen nicht mehr bloß geſtellet. Jch
bin nicht mehr genoͤthigt, mich aus Furcht vor
ihm in Winkel zu verſtecken. Einer von ſeinen
Vertrauten iſt mein eifriger Freund geworden,
und verbindet ſich, ihn von mir abzuhalten: und
das mit ſeiner eignen Einwilligung. Jch bin
unter ehrlichen Leuten. Alle meine Kleider und
Sachen ſind mir wieder zugeſtellet. Der nichts-
wuͤrdige Menſch giebt ſelbſt meiner Ehre Zeug-
niß.
Jn Wahrheit, ich bin ſehr ſchwach und krank:
aber ich habe einen vortrefflichen Arzt, Dr. H.
und einen eben ſo rechtſchaffenen Apotheker, Hrn.
Goddard ‒ ‒ Jhr beyder Bezeigen gegen mich,
meine Allerliebſte, iſt vollkommen vaͤterlich! ‒ ‒
Mein Gemuͤth ſelbſt, kann ich befinden, faͤngt an
ſtaͤrker zu werden: und mich deucht, ich finde
mich bisweilen meinem Elende uͤberlegen.
Jch werde wohl manches mal wieder ſinken.
Das muß ich vermuthen. Und meines Vaters
Fluch ‒ ‒ Jedoch Sie werden mit mir ſchelten,
daß ich deſſen auch itzo Erwaͤhnung thue, da ich
eben meine Troſtgruͤnde erzaͤhle.
Allein ich empfehle Jhnen inſtaͤndigſt, meine
theureſte Freundinn, daß ſie mein Ungluͤck Jhr
Gemuͤth nicht zu ſehr anfechten laſſen. Thun
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/397>, abgerufen am 21.11.2024.
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