Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



enzimmer? Sie scheint eine Person von Stan-
de, und, so krank sie auch ist, ein sehr seines Frau-
enzimmer zu seyn - - Eine ledige Fräulein, ver-
muthe ich.

Jch antwortete ihm, mit leiser Stimme, es
wäre an dem. Es wären bey ihrem Zufall au-
ßerordentliche Umstände: wie ich ihm gemeldet
haben würde, wenn ich ihn gestern angetroffen
hätte. Jhre Freunde wären sehr grausam ge-
gen sie: allein sie könnte dieselben nicht nennen
hören, ohne sich selbst Vorwürfe zu machen, ob
diese gleich mehr zu tadeln wären, als sie.

Jch wußte, daß ich es erriethe, versetzte der
Doctor. Eine Liebessache, Herr Goddard! Eine
Liebessache, Herr Belford! Es ist eine Person in
der Welt, die ihr mehr dienen kann, als unser
ganzer Orden.

Herr Goddard sagte, er hätte besorgt, daß
ihre Krankheit in dem Gemüth steckte, und auch
nach dieser Vermuthung mit ihr verfahren. Er
erzählte dem Arzt, was er gebraucht hätte. Die-
ser billigte es, nahm noch einmal ihre schöne
Hand, und sagte: Meine liebe Fräulein, sie wer-
den unsere Hülfe sehr wenig gebrauchen. Sie
müssen größtentheils ihr eigner Arzt seyn. Kom-
men sie, wertheste Fräulein; verzeihen sie mir
diese vertrauliche Zärtlichkeit; ihr Anblick flößet
so wohl Liebe als Ehrerbietung ein, und einem
Vater von Kindern, unter denen einige noch äl-
ter, als sie sind, kann sie wohl zu gute gehalten
werden; muntern sie sich auf. Entschließen sie

sich,



enzimmer? Sie ſcheint eine Perſon von Stan-
de, und, ſo krank ſie auch iſt, ein ſehr ſeines Frau-
enzimmer zu ſeyn ‒ ‒ Eine ledige Fraͤulein, ver-
muthe ich.

Jch antwortete ihm, mit leiſer Stimme, es
waͤre an dem. Es waͤren bey ihrem Zufall au-
ßerordentliche Umſtaͤnde: wie ich ihm gemeldet
haben wuͤrde, wenn ich ihn geſtern angetroffen
haͤtte. Jhre Freunde waͤren ſehr grauſam ge-
gen ſie: allein ſie koͤnnte dieſelben nicht nennen
hoͤren, ohne ſich ſelbſt Vorwuͤrfe zu machen, ob
dieſe gleich mehr zu tadeln waͤren, als ſie.

Jch wußte, daß ich es erriethe, verſetzte der
Doctor. Eine Liebesſache, Herr Goddard! Eine
Liebesſache, Herr Belford! Es iſt eine Perſon in
der Welt, die ihr mehr dienen kann, als unſer
ganzer Orden.

Herr Goddard ſagte, er haͤtte beſorgt, daß
ihre Krankheit in dem Gemuͤth ſteckte, und auch
nach dieſer Vermuthung mit ihr verfahren. Er
erzaͤhlte dem Arzt, was er gebraucht haͤtte. Die-
ſer billigte es, nahm noch einmal ihre ſchoͤne
Hand, und ſagte: Meine liebe Fraͤulein, ſie wer-
den unſere Huͤlfe ſehr wenig gebrauchen. Sie
muͤſſen groͤßtentheils ihr eigner Arzt ſeyn. Kom-
men ſie, wertheſte Fraͤulein; verzeihen ſie mir
dieſe vertrauliche Zaͤrtlichkeit; ihr Anblick floͤßet
ſo wohl Liebe als Ehrerbietung ein, und einem
Vater von Kindern, unter denen einige noch aͤl-
ter, als ſie ſind, kann ſie wohl zu gute gehalten
werden; muntern ſie ſich auf. Entſchließen ſie

ſich,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0376" n="370"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
enzimmer? Sie &#x017F;cheint eine Per&#x017F;on von Stan-<lb/>
de, und, &#x017F;o krank &#x017F;ie auch i&#x017F;t, ein &#x017F;ehr &#x017F;eines Frau-<lb/>
enzimmer zu &#x017F;eyn &#x2012; &#x2012; Eine ledige Fra&#x0364;ulein, ver-<lb/>
muthe ich.</p><lb/>
          <p>Jch antwortete ihm, mit lei&#x017F;er Stimme, es<lb/>
wa&#x0364;re an dem. Es wa&#x0364;ren bey ihrem Zufall au-<lb/>
ßerordentliche Um&#x017F;ta&#x0364;nde: wie ich ihm gemeldet<lb/>
haben wu&#x0364;rde, wenn ich ihn ge&#x017F;tern angetroffen<lb/>
ha&#x0364;tte. Jhre Freunde wa&#x0364;ren &#x017F;ehr grau&#x017F;am ge-<lb/>
gen &#x017F;ie: allein &#x017F;ie ko&#x0364;nnte die&#x017F;elben nicht nennen<lb/>
ho&#x0364;ren, ohne &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t Vorwu&#x0364;rfe zu machen, ob<lb/>
die&#x017F;e gleich mehr zu tadeln wa&#x0364;ren, als &#x017F;ie.</p><lb/>
          <p>Jch wußte, daß ich es erriethe, ver&#x017F;etzte der<lb/>
Doctor. Eine Liebes&#x017F;ache, Herr Goddard! Eine<lb/>
Liebes&#x017F;ache, Herr Belford! Es i&#x017F;t eine Per&#x017F;on in<lb/>
der Welt, die ihr mehr dienen kann, als un&#x017F;er<lb/>
ganzer Orden.</p><lb/>
          <p>Herr Goddard &#x017F;agte, er ha&#x0364;tte be&#x017F;orgt, daß<lb/>
ihre Krankheit in dem Gemu&#x0364;th &#x017F;teckte, und auch<lb/>
nach die&#x017F;er Vermuthung mit ihr verfahren. Er<lb/>
erza&#x0364;hlte dem Arzt, was er gebraucht ha&#x0364;tte. Die-<lb/>
&#x017F;er billigte es, nahm noch einmal ihre &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Hand, und &#x017F;agte: Meine liebe Fra&#x0364;ulein, &#x017F;ie wer-<lb/>
den un&#x017F;ere Hu&#x0364;lfe &#x017F;ehr wenig gebrauchen. Sie<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en gro&#x0364;ßtentheils ihr eigner Arzt &#x017F;eyn. Kom-<lb/>
men &#x017F;ie, <hi rendition="#fr">werthe&#x017F;te</hi> Fra&#x0364;ulein; verzeihen &#x017F;ie mir<lb/>
die&#x017F;e vertrauliche Za&#x0364;rtlichkeit; ihr Anblick flo&#x0364;ßet<lb/>
&#x017F;o wohl Liebe als Ehrerbietung ein, und einem<lb/>
Vater von Kindern, unter denen einige noch a&#x0364;l-<lb/>
ter, als &#x017F;ie &#x017F;ind, kann &#x017F;ie wohl zu gute gehalten<lb/>
werden; muntern &#x017F;ie &#x017F;ich auf. Ent&#x017F;chließen &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ich,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[370/0376] enzimmer? Sie ſcheint eine Perſon von Stan- de, und, ſo krank ſie auch iſt, ein ſehr ſeines Frau- enzimmer zu ſeyn ‒ ‒ Eine ledige Fraͤulein, ver- muthe ich. Jch antwortete ihm, mit leiſer Stimme, es waͤre an dem. Es waͤren bey ihrem Zufall au- ßerordentliche Umſtaͤnde: wie ich ihm gemeldet haben wuͤrde, wenn ich ihn geſtern angetroffen haͤtte. Jhre Freunde waͤren ſehr grauſam ge- gen ſie: allein ſie koͤnnte dieſelben nicht nennen hoͤren, ohne ſich ſelbſt Vorwuͤrfe zu machen, ob dieſe gleich mehr zu tadeln waͤren, als ſie. Jch wußte, daß ich es erriethe, verſetzte der Doctor. Eine Liebesſache, Herr Goddard! Eine Liebesſache, Herr Belford! Es iſt eine Perſon in der Welt, die ihr mehr dienen kann, als unſer ganzer Orden. Herr Goddard ſagte, er haͤtte beſorgt, daß ihre Krankheit in dem Gemuͤth ſteckte, und auch nach dieſer Vermuthung mit ihr verfahren. Er erzaͤhlte dem Arzt, was er gebraucht haͤtte. Die- ſer billigte es, nahm noch einmal ihre ſchoͤne Hand, und ſagte: Meine liebe Fraͤulein, ſie wer- den unſere Huͤlfe ſehr wenig gebrauchen. Sie muͤſſen groͤßtentheils ihr eigner Arzt ſeyn. Kom- men ſie, wertheſte Fraͤulein; verzeihen ſie mir dieſe vertrauliche Zaͤrtlichkeit; ihr Anblick floͤßet ſo wohl Liebe als Ehrerbietung ein, und einem Vater von Kindern, unter denen einige noch aͤl- ter, als ſie ſind, kann ſie wohl zu gute gehalten werden; muntern ſie ſich auf. Entſchließen ſie ſich,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/376
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/376>, abgerufen am 17.09.2024.