wünschten, daß sie ihre Frau werden möchte. Diese gute Meynung, welche sie von unserer Ge- sinnung gehabt, ist eine Reizung für sie gewesen; das, sehen sie, schreibt sie selbst; ihrem Antrage Gehör zu geben. Aber auch eben dieselbe hat, nebst ihrer Freunde wunderlichem Bezeigen, dazu geholfen, daß sie sich in ihre Gewalt begeben. Wie sie ihr vergolten haben, liegt nur allzu offen- bar am Tage. Es ist unserer aller Ehre und gutem Namen gemäß, ihr Verfahren bey ihr für strafwürdig zu erkennen, und uns dessen nicht theilhaftig zu machen. Ja, ich muß ihnen sagen, wir haben aus der Ursache, weil sie die Fräulein durch gottlose Leute, welche sie aufgebracht, un- sere Personen fälschlich vorzustellen, hinters Licht gesühret haben, eine gedoppelte Verbindlichkeit, uns ihres strafbaren Verfahrens nicht theilhaftig zu machen.
Lovel. Wohlan! das lasse ich gelten. Jch wollte, daß sie alle mit einander mein Verfahren für verwerflich erklärten. Jch gestehe, ich habe schändlich bey dieser Fräulein gehandelt. Ein Schritt hat mich zu dem andern geführet. Jch bin zu einer Gemüthsart verdammt, die mich, küh- ne Unternehmungen zu wagen, antreibet. Jch kann nichts weniger leiden, als daß ich unterlie- gen soll.
Unterliegen! fiel mir die Lady Sarah ins Wort. Was für eine Schande, so zu schwatzen! - - Hat die Fräulein sich mit ihnen jemals im einen Streit eingelassen? Fräulein Clarissa Har-
lowe,
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wuͤnſchten, daß ſie ihre Frau werden moͤchte. Dieſe gute Meynung, welche ſie von unſerer Ge- ſinnung gehabt, iſt eine Reizung fuͤr ſie geweſen; das, ſehen ſie, ſchreibt ſie ſelbſt; ihrem Antrage Gehoͤr zu geben. Aber auch eben dieſelbe hat, nebſt ihrer Freunde wunderlichem Bezeigen, dazu geholfen, daß ſie ſich in ihre Gewalt begeben. Wie ſie ihr vergolten haben, liegt nur allzu offen- bar am Tage. Es iſt unſerer aller Ehre und gutem Namen gemaͤß, ihr Verfahren bey ihr fuͤr ſtrafwuͤrdig zu erkennen, und uns deſſen nicht theilhaftig zu machen. Ja, ich muß ihnen ſagen, wir haben aus der Urſache, weil ſie die Fraͤulein durch gottloſe Leute, welche ſie aufgebracht, un- ſere Perſonen faͤlſchlich vorzuſtellen, hinters Licht geſuͤhret haben, eine gedoppelte Verbindlichkeit, uns ihres ſtrafbaren Verfahrens nicht theilhaftig zu machen.
Lovel. Wohlan! das laſſe ich gelten. Jch wollte, daß ſie alle mit einander mein Verfahren fuͤr verwerflich erklaͤrten. Jch geſtehe, ich habe ſchaͤndlich bey dieſer Fraͤulein gehandelt. Ein Schritt hat mich zu dem andern gefuͤhret. Jch bin zu einer Gemuͤthsart verdammt, die mich, kuͤh- ne Unternehmungen zu wagen, antreibet. Jch kann nichts weniger leiden, als daß ich unterlie- gen ſoll.
Unterliegen! fiel mir die Lady Sarah ins Wort. Was fuͤr eine Schande, ſo zu ſchwatzen! ‒ ‒ Hat die Fraͤulein ſich mit ihnen jemals im einen Streit eingelaſſen? Fraͤulein Clariſſa Har-
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wuͤnſchten, daß ſie ihre Frau werden moͤchte.
Dieſe gute Meynung, welche ſie von unſerer Ge-
ſinnung gehabt, iſt eine Reizung fuͤr ſie geweſen;
das, ſehen ſie, ſchreibt ſie ſelbſt; ihrem Antrage
Gehoͤr zu geben. Aber auch eben dieſelbe hat,
nebſt ihrer Freunde wunderlichem Bezeigen, dazu
geholfen, daß ſie ſich in ihre Gewalt begeben.
Wie ſie ihr vergolten haben, liegt nur allzu offen-
bar am Tage. Es iſt unſerer aller Ehre und
gutem Namen gemaͤß, ihr Verfahren bey ihr fuͤr
ſtrafwuͤrdig zu erkennen, und uns deſſen nicht
theilhaftig zu machen. Ja, ich muß ihnen ſagen,
wir haben aus der Urſache, weil ſie die Fraͤulein
durch gottloſe Leute, welche ſie aufgebracht, un-
ſere Perſonen faͤlſchlich vorzuſtellen, hinters Licht
geſuͤhret haben, eine gedoppelte Verbindlichkeit,
uns ihres ſtrafbaren Verfahrens nicht theilhaftig
zu machen.
Lovel. Wohlan! das laſſe ich gelten. Jch
wollte, daß ſie alle mit einander mein Verfahren
fuͤr verwerflich erklaͤrten. Jch geſtehe, ich habe
ſchaͤndlich bey dieſer Fraͤulein gehandelt. Ein
Schritt hat mich zu dem andern gefuͤhret. Jch
bin zu einer Gemuͤthsart verdammt, die mich, kuͤh-
ne Unternehmungen zu wagen, antreibet. Jch
kann nichts weniger leiden, als daß ich unterlie-
gen ſoll.
Unterliegen! fiel mir die Lady Sarah ins
Wort. Was fuͤr eine Schande, ſo zu ſchwatzen!
‒ ‒ Hat die Fraͤulein ſich mit ihnen jemals im
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/219>, abgerufen am 22.11.2024.
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