Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



Wille, noch meine Unvorsichtigkeit etwas zu mei-
nem Unglück beygetragen hat. Jedoch die Un-
versöhnlichkeit meiner Angehörigen, die ich mit ei-
ner ungekränkten Ehrerbiethung liebe; meine
Furcht vor neuen Gewaltthätigkeiten, weil ich
vermuthe, der gottlose Kerl werde mich noch
nicht ruhen lassen; mein verlassener Zustand ohne
einigen Schutz, da meine Jugend, mein Ge-
schlecht, meine geringe Bekanntschaft mit der
Welt mich betrübten Anfällen unterwerfen; mei-
ne Betrachtung des Aergernisses, das ich gege-
ben habe, nebst der Empfindung der Schande,
die mir von einem Menschen angethan ist, von
dem ich nichts böses verdiente, alles zusammen
genommen wird ohne allen Zweifel die Wirkung
hervorbringen, welche mir nicht unangenehm seyn
kann: - - ob gleich vielleicht um so viel langsa-
mer; weil ich von Natur eine gute Leibesbeschaf-
fenheit, und hiernächst, wie ich mich zu glauben
unterfange, auch gute Grundsätze habe, die mich
zu gehöriger Zeit und bey gehöriger Ueberlegung,
meiner Hoffnung nach, über die Empfindung
aller weltlichen Widerwärtigkeiten hinaus-
setzen
werden.

Jtzo ist mein Kopf sehr in Unordnung. Jch
habe ihn in der That, seit der Gewalt, die ihm,
und meinem Herzen selbst, durch die gottlosen
Künste der verruchten Seelen, unter welche ich
verstoßen war, geschehen ist, nicht zu irgend
deutlichen Vorstellungen gebrauchen können.

Jch



Wille, noch meine Unvorſichtigkeit etwas zu mei-
nem Ungluͤck beygetragen hat. Jedoch die Un-
verſoͤhnlichkeit meiner Angehoͤrigen, die ich mit ei-
ner ungekraͤnkten Ehrerbiethung liebe; meine
Furcht vor neuen Gewaltthaͤtigkeiten, weil ich
vermuthe, der gottloſe Kerl werde mich noch
nicht ruhen laſſen; mein verlaſſener Zuſtand ohne
einigen Schutz, da meine Jugend, mein Ge-
ſchlecht, meine geringe Bekanntſchaft mit der
Welt mich betruͤbten Anfaͤllen unterwerfen; mei-
ne Betrachtung des Aergerniſſes, das ich gege-
ben habe, nebſt der Empfindung der Schande,
die mir von einem Menſchen angethan iſt, von
dem ich nichts boͤſes verdiente, alles zuſammen
genommen wird ohne allen Zweifel die Wirkung
hervorbringen, welche mir nicht unangenehm ſeyn
kann: ‒ ‒ ob gleich vielleicht um ſo viel langſa-
mer; weil ich von Natur eine gute Leibesbeſchaf-
fenheit, und hiernaͤchſt, wie ich mich zu glauben
unterfange, auch gute Grundſaͤtze habe, die mich
zu gehoͤriger Zeit und bey gehoͤriger Ueberlegung,
meiner Hoffnung nach, uͤber die Empfindung
aller weltlichen Widerwaͤrtigkeiten hinaus-
ſetzen
werden.

Jtzo iſt mein Kopf ſehr in Unordnung. Jch
habe ihn in der That, ſeit der Gewalt, die ihm,
und meinem Herzen ſelbſt, durch die gottloſen
Kuͤnſte der verruchten Seelen, unter welche ich
verſtoßen war, geſchehen iſt, nicht zu irgend
deutlichen Vorſtellungen gebrauchen koͤnnen.

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0182" n="176"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Wille, noch meine Unvor&#x017F;ichtigkeit etwas zu mei-<lb/>
nem Unglu&#x0364;ck beygetragen hat. Jedoch die Un-<lb/>
ver&#x017F;o&#x0364;hnlichkeit meiner Angeho&#x0364;rigen, die ich mit ei-<lb/>
ner ungekra&#x0364;nkten Ehrerbiethung liebe; meine<lb/>
Furcht vor neuen Gewalttha&#x0364;tigkeiten, weil ich<lb/>
vermuthe, der gottlo&#x017F;e Kerl werde mich noch<lb/>
nicht ruhen la&#x017F;&#x017F;en; mein verla&#x017F;&#x017F;ener Zu&#x017F;tand ohne<lb/>
einigen Schutz, da meine Jugend, mein Ge-<lb/>
&#x017F;chlecht, meine geringe Bekannt&#x017F;chaft mit der<lb/>
Welt mich betru&#x0364;bten Anfa&#x0364;llen unterwerfen; mei-<lb/>
ne Betrachtung des Aergerni&#x017F;&#x017F;es, das ich gege-<lb/>
ben habe, neb&#x017F;t der Empfindung der Schande,<lb/>
die mir von einem Men&#x017F;chen angethan i&#x017F;t, von<lb/>
dem ich nichts bo&#x0364;&#x017F;es verdiente, alles zu&#x017F;ammen<lb/>
genommen wird ohne allen Zweifel die Wirkung<lb/>
hervorbringen, welche mir nicht unangenehm &#x017F;eyn<lb/>
kann: &#x2012; &#x2012; ob gleich vielleicht um &#x017F;o viel lang&#x017F;a-<lb/>
mer; weil ich von Natur eine gute Leibesbe&#x017F;chaf-<lb/>
fenheit, und hierna&#x0364;ch&#x017F;t, wie ich mich zu glauben<lb/>
unterfange, auch gute Grund&#x017F;a&#x0364;tze habe, die mich<lb/>
zu geho&#x0364;riger Zeit und bey geho&#x0364;riger Ueberlegung,<lb/>
meiner Hoffnung nach, <hi rendition="#fr">u&#x0364;ber die Empfindung<lb/>
aller weltlichen Widerwa&#x0364;rtigkeiten hinaus-<lb/>
&#x017F;etzen</hi> werden.</p><lb/>
          <p>Jtzo i&#x017F;t mein Kopf &#x017F;ehr in Unordnung. Jch<lb/>
habe ihn in der That, &#x017F;eit der Gewalt, die ihm,<lb/>
und meinem Herzen &#x017F;elb&#x017F;t, durch die gottlo&#x017F;en<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;te der verruchten Seelen, unter welche ich<lb/>
ver&#x017F;toßen war, ge&#x017F;chehen i&#x017F;t, nicht zu irgend<lb/>
deutlichen Vor&#x017F;tellungen gebrauchen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0182] Wille, noch meine Unvorſichtigkeit etwas zu mei- nem Ungluͤck beygetragen hat. Jedoch die Un- verſoͤhnlichkeit meiner Angehoͤrigen, die ich mit ei- ner ungekraͤnkten Ehrerbiethung liebe; meine Furcht vor neuen Gewaltthaͤtigkeiten, weil ich vermuthe, der gottloſe Kerl werde mich noch nicht ruhen laſſen; mein verlaſſener Zuſtand ohne einigen Schutz, da meine Jugend, mein Ge- ſchlecht, meine geringe Bekanntſchaft mit der Welt mich betruͤbten Anfaͤllen unterwerfen; mei- ne Betrachtung des Aergerniſſes, das ich gege- ben habe, nebſt der Empfindung der Schande, die mir von einem Menſchen angethan iſt, von dem ich nichts boͤſes verdiente, alles zuſammen genommen wird ohne allen Zweifel die Wirkung hervorbringen, welche mir nicht unangenehm ſeyn kann: ‒ ‒ ob gleich vielleicht um ſo viel langſa- mer; weil ich von Natur eine gute Leibesbeſchaf- fenheit, und hiernaͤchſt, wie ich mich zu glauben unterfange, auch gute Grundſaͤtze habe, die mich zu gehoͤriger Zeit und bey gehoͤriger Ueberlegung, meiner Hoffnung nach, uͤber die Empfindung aller weltlichen Widerwaͤrtigkeiten hinaus- ſetzen werden. Jtzo iſt mein Kopf ſehr in Unordnung. Jch habe ihn in der That, ſeit der Gewalt, die ihm, und meinem Herzen ſelbſt, durch die gottloſen Kuͤnſte der verruchten Seelen, unter welche ich verſtoßen war, geſchehen iſt, nicht zu irgend deutlichen Vorſtellungen gebrauchen koͤnnen. Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/182
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/182>, abgerufen am 18.12.2024.