Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



daran zweifle ich gar nicht, daß Jhnen, so wohl
für Jhre Person, als in Ansehung Jhres Guts,
Gerechtigkeit widerfahre. Sie können noch vie-
le beglückte Tage erleben, und noch viel Gutes
thun: wenn Sie nur unvermeidliche Zufälle nicht
bis zu einer sündlichen Kleinmüthigkeit erhöhen
wollen.

Wozu, meine Wertheste, dauret noch diese
nagende Sorge um eine Aussöhnung mit Ver-
wandten, die eben so nichtswürdig als unver-
söhnlich sind, die ihren Willen von einem nach
allem greifenden Bruder lenken lassen, welcher
seine Rechnung dabey findet, daß er den Riß of-
fen erhält? Jch sehe nun augenscheinlich, daß
der schändlichste Kerl alle seine Anschläge auf diese
übertriebene Sorge gebauet habe. Er hat ge-
merket, daß Sie mehr, als jemals Grund zu
hoffen war; nach der Aussöhnung lechzeten. Die
Absicht, die Hoffnung, gestehe ich, ist ausneh-
mend reizungsvoll: wären Jhre Angehörigen
nur Christen, oder auch nur Heiden mit mensch-
lichen Herzen gewesen.

Jch werde diesen kurzen Brief; denn ich bin
genöthigt ihn kurz zu machen; durch den jungen
Rogers, wie wir ihn nennen, absenden. Es
ist eben der, den ich zu Jhnen nach Hampstead
schickte: ein unschuldiger Bauer; ob er sich gleich
gern in fremde Sachen menget. Haben Sie die
Güte, ihn vor sich zu lassen: damit er mir er-
zählen könne, wie Sie aussehen, und wie Sie
sich befinden.

Herr



daran zweifle ich gar nicht, daß Jhnen, ſo wohl
fuͤr Jhre Perſon, als in Anſehung Jhres Guts,
Gerechtigkeit widerfahre. Sie koͤnnen noch vie-
le begluͤckte Tage erleben, und noch viel Gutes
thun: wenn Sie nur unvermeidliche Zufaͤlle nicht
bis zu einer ſuͤndlichen Kleinmuͤthigkeit erhoͤhen
wollen.

Wozu, meine Wertheſte, dauret noch dieſe
nagende Sorge um eine Ausſoͤhnung mit Ver-
wandten, die eben ſo nichtswuͤrdig als unver-
ſoͤhnlich ſind, die ihren Willen von einem nach
allem greifenden Bruder lenken laſſen, welcher
ſeine Rechnung dabey findet, daß er den Riß of-
fen erhaͤlt? Jch ſehe nun augenſcheinlich, daß
der ſchaͤndlichſte Kerl alle ſeine Anſchlaͤge auf dieſe
uͤbertriebene Sorge gebauet habe. Er hat ge-
merket, daß Sie mehr, als jemals Grund zu
hoffen war; nach der Ausſoͤhnung lechzeten. Die
Abſicht, die Hoffnung, geſtehe ich, iſt ausneh-
mend reizungsvoll: waͤren Jhre Angehoͤrigen
nur Chriſten, oder auch nur Heiden mit menſch-
lichen Herzen geweſen.

Jch werde dieſen kurzen Brief; denn ich bin
genoͤthigt ihn kurz zu machen; durch den jungen
Rogers, wie wir ihn nennen, abſenden. Es
iſt eben der, den ich zu Jhnen nach Hampſtead
ſchickte: ein unſchuldiger Bauer; ob er ſich gleich
gern in fremde Sachen menget. Haben Sie die
Guͤte, ihn vor ſich zu laſſen: damit er mir er-
zaͤhlen koͤnne, wie Sie ausſehen, und wie Sie
ſich befinden.

Herr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0176" n="170"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
daran zweifle ich gar nicht, daß Jhnen, &#x017F;o wohl<lb/>
fu&#x0364;r Jhre Per&#x017F;on, als in An&#x017F;ehung Jhres Guts,<lb/>
Gerechtigkeit widerfahre. Sie ko&#x0364;nnen noch vie-<lb/>
le beglu&#x0364;ckte Tage erleben, und noch viel Gutes<lb/>
thun: wenn Sie nur unvermeidliche Zufa&#x0364;lle nicht<lb/>
bis zu einer &#x017F;u&#x0364;ndlichen Kleinmu&#x0364;thigkeit erho&#x0364;hen<lb/>
wollen.</p><lb/>
          <p>Wozu, meine Werthe&#x017F;te, dauret noch die&#x017F;e<lb/>
nagende Sorge um eine Aus&#x017F;o&#x0364;hnung mit Ver-<lb/>
wandten, die eben &#x017F;o nichtswu&#x0364;rdig als unver-<lb/>
&#x017F;o&#x0364;hnlich &#x017F;ind, die ihren Willen von einem nach<lb/>
allem greifenden Bruder lenken la&#x017F;&#x017F;en, welcher<lb/>
&#x017F;eine Rechnung dabey findet, daß er den Riß of-<lb/>
fen erha&#x0364;lt? Jch &#x017F;ehe nun augen&#x017F;cheinlich, daß<lb/>
der &#x017F;cha&#x0364;ndlich&#x017F;te Kerl alle &#x017F;eine An&#x017F;chla&#x0364;ge auf die&#x017F;e<lb/>
u&#x0364;bertriebene Sorge gebauet habe. Er hat ge-<lb/>
merket, daß Sie mehr, als jemals Grund zu<lb/>
hoffen war; nach der Aus&#x017F;o&#x0364;hnung lechzeten. Die<lb/>
Ab&#x017F;icht, die Hoffnung, ge&#x017F;tehe ich, i&#x017F;t ausneh-<lb/>
mend reizungsvoll: wa&#x0364;ren Jhre Angeho&#x0364;rigen<lb/>
nur Chri&#x017F;ten, oder auch nur Heiden mit men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Herzen gewe&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Jch werde die&#x017F;en kurzen Brief; denn ich bin<lb/>
geno&#x0364;thigt ihn kurz zu machen; durch den jungen<lb/>
Rogers, wie wir ihn nennen, ab&#x017F;enden. Es<lb/>
i&#x017F;t eben der, den ich zu Jhnen nach Hamp&#x017F;tead<lb/>
&#x017F;chickte: ein un&#x017F;chuldiger Bauer; ob er &#x017F;ich gleich<lb/>
gern in fremde Sachen menget. Haben Sie die<lb/>
Gu&#x0364;te, ihn vor &#x017F;ich zu la&#x017F;&#x017F;en: damit er mir er-<lb/>
za&#x0364;hlen ko&#x0364;nne, wie Sie aus&#x017F;ehen, und wie Sie<lb/>
&#x017F;ich befinden.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Herr</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0176] daran zweifle ich gar nicht, daß Jhnen, ſo wohl fuͤr Jhre Perſon, als in Anſehung Jhres Guts, Gerechtigkeit widerfahre. Sie koͤnnen noch vie- le begluͤckte Tage erleben, und noch viel Gutes thun: wenn Sie nur unvermeidliche Zufaͤlle nicht bis zu einer ſuͤndlichen Kleinmuͤthigkeit erhoͤhen wollen. Wozu, meine Wertheſte, dauret noch dieſe nagende Sorge um eine Ausſoͤhnung mit Ver- wandten, die eben ſo nichtswuͤrdig als unver- ſoͤhnlich ſind, die ihren Willen von einem nach allem greifenden Bruder lenken laſſen, welcher ſeine Rechnung dabey findet, daß er den Riß of- fen erhaͤlt? Jch ſehe nun augenſcheinlich, daß der ſchaͤndlichſte Kerl alle ſeine Anſchlaͤge auf dieſe uͤbertriebene Sorge gebauet habe. Er hat ge- merket, daß Sie mehr, als jemals Grund zu hoffen war; nach der Ausſoͤhnung lechzeten. Die Abſicht, die Hoffnung, geſtehe ich, iſt ausneh- mend reizungsvoll: waͤren Jhre Angehoͤrigen nur Chriſten, oder auch nur Heiden mit menſch- lichen Herzen geweſen. Jch werde dieſen kurzen Brief; denn ich bin genoͤthigt ihn kurz zu machen; durch den jungen Rogers, wie wir ihn nennen, abſenden. Es iſt eben der, den ich zu Jhnen nach Hampſtead ſchickte: ein unſchuldiger Bauer; ob er ſich gleich gern in fremde Sachen menget. Haben Sie die Guͤte, ihn vor ſich zu laſſen: damit er mir er- zaͤhlen koͤnne, wie Sie ausſehen, und wie Sie ſich befinden. Herr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/176
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/176>, abgerufen am 18.05.2024.