in Wahrheit die Frauenzimmer gewesen, wofür sie sich ausgegeben hätten, an. Er bezeugte, daß sie nicht hätten Abschied von mir nehmen können, da sie von London abgegangen wären, weil ich ohne Empfindung und in der Raserey gewesen. Denn ihre berauschende oder vielmehr betäuben- de Tränke hatten beynahe solche Wirkungen über meinen Verstand, die ihn gänzlich vertilgten, so daß ich einige Tage über auf eine wunderliche Art verrückt war. Bald war ich dämisch, bald schlafsüchtig, bald weinte ich, bald rasete ich, bald schrieb ich, und zerriß, was ich schrieb, eben so geschwinde, als ich es geschrieben hatte. Am aller elendesten war ich daran, wenn bisweilen ein kleiner Strahl der Vernunft mir das, was ich gelitten hatte, ins Gedächtniß brachte.
Der zwey und zwanzigste Brief. Eine Fortsetzung von der Fräulein Clarissa Harlowe.
Die Fräulein giebt hierauf Nach- richt
Von ihrer Genesung aus der Raserey und Schlafsucht;
Von ihrem Versuch, in seiner Abwesenheit davon zu gehen;
Von
in Wahrheit die Frauenzimmer geweſen, wofuͤr ſie ſich ausgegeben haͤtten, an. Er bezeugte, daß ſie nicht haͤtten Abſchied von mir nehmen koͤnnen, da ſie von London abgegangen waͤren, weil ich ohne Empfindung und in der Raſerey geweſen. Denn ihre berauſchende oder vielmehr betaͤuben- de Traͤnke hatten beynahe ſolche Wirkungen uͤber meinen Verſtand, die ihn gaͤnzlich vertilgten, ſo daß ich einige Tage uͤber auf eine wunderliche Art verruͤckt war. Bald war ich daͤmiſch, bald ſchlafſuͤchtig, bald weinte ich, bald raſete ich, bald ſchrieb ich, und zerriß, was ich ſchrieb, eben ſo geſchwinde, als ich es geſchrieben hatte. Am aller elendeſten war ich daran, wenn bisweilen ein kleiner Strahl der Vernunft mir das, was ich gelitten hatte, ins Gedaͤchtniß brachte.
Der zwey und zwanzigſte Brief. Eine Fortſetzung von der Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Die Fraͤulein giebt hierauf Nach- richt
Von ihrer Geneſung aus der Raſerey und Schlafſucht;
Von ihrem Verſuch, in ſeiner Abweſenheit davon zu gehen;
Von
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0147"n="141"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
in Wahrheit die Frauenzimmer geweſen, wofuͤr<lb/>ſie ſich ausgegeben haͤtten, an. Er bezeugte, daß<lb/>ſie nicht haͤtten Abſchied von mir nehmen koͤnnen,<lb/>
da ſie von London abgegangen waͤren, weil ich<lb/>
ohne Empfindung und in der Raſerey geweſen.<lb/>
Denn ihre berauſchende oder vielmehr betaͤuben-<lb/>
de Traͤnke hatten beynahe ſolche Wirkungen uͤber<lb/>
meinen Verſtand, die ihn gaͤnzlich vertilgten, ſo<lb/>
daß ich einige Tage uͤber auf eine wunderliche<lb/>
Art verruͤckt war. Bald war ich daͤmiſch, bald<lb/>ſchlafſuͤchtig, bald weinte ich, bald raſete ich, bald<lb/>ſchrieb ich, und zerriß, was ich ſchrieb, eben ſo<lb/>
geſchwinde, als ich es geſchrieben hatte. Am<lb/><hirendition="#fr">aller</hi> elendeſten war ich daran, wenn bisweilen<lb/>
ein kleiner Strahl der Vernunft mir das, was<lb/>
ich gelitten hatte, ins Gedaͤchtniß brachte.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der zwey und zwanzigſte Brief.</hi><lb/>
Eine Fortſetzung<lb/><hirendition="#fr">von der Fraͤulein Clariſſa Harlowe.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi><hirendition="#fr">ie Fraͤulein giebt hierauf Nach-<lb/>
richt</hi></p><lb/><list><item>Von ihrer Geneſung aus der Raſerey und<lb/>
Schlafſucht;</item><lb/><item>Von ihrem Verſuch, in ſeiner Abweſenheit<lb/>
davon zu gehen;</item></list><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Von</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[141/0147]
in Wahrheit die Frauenzimmer geweſen, wofuͤr
ſie ſich ausgegeben haͤtten, an. Er bezeugte, daß
ſie nicht haͤtten Abſchied von mir nehmen koͤnnen,
da ſie von London abgegangen waͤren, weil ich
ohne Empfindung und in der Raſerey geweſen.
Denn ihre berauſchende oder vielmehr betaͤuben-
de Traͤnke hatten beynahe ſolche Wirkungen uͤber
meinen Verſtand, die ihn gaͤnzlich vertilgten, ſo
daß ich einige Tage uͤber auf eine wunderliche
Art verruͤckt war. Bald war ich daͤmiſch, bald
ſchlafſuͤchtig, bald weinte ich, bald raſete ich, bald
ſchrieb ich, und zerriß, was ich ſchrieb, eben ſo
geſchwinde, als ich es geſchrieben hatte. Am
aller elendeſten war ich daran, wenn bisweilen
ein kleiner Strahl der Vernunft mir das, was
ich gelitten hatte, ins Gedaͤchtniß brachte.
Der zwey und zwanzigſte Brief.
Eine Fortſetzung
von der Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Die Fraͤulein giebt hierauf Nach-
richt
Von ihrer Geneſung aus der Raſerey und
Schlafſucht;
Von ihrem Verſuch, in ſeiner Abweſenheit
davon zu gehen;
Von
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/147>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.