Darauf faßte ich sie wieder in meine Armen: weil ich vermuthete, daß sie mir nicht verzeihen wollte.
Jch will - Jch vergebe ihnen - Bösewicht!
Ja, meine Clarissa! Jst es eine so erzwun- gene Verzeihung, mit einem so beißenden Worte, womit ich mich abweisen lassen soll, da sie so voll- kommen, ich druckte sie hierbey fest an mich, in meiner Gewalt sind?
Jch, ich vergebe ihnen!
Von Herzen?
Ja, von Herzen!
Und freywillig?
Freywillig!
Und wollen sie mich morgen so ansehen, als wenn nichts vorgegangen wäre?
Ja, ja!
Jch kann kein so zorniges und verdrießliches Ja, das einem Nein im Herzen so ähnlich siehet, annehmen! - Sagen sie, sie wollen es auf ihre Ehre!
Auf meine Ehre denn - O nun, gehen sie fort, gehen sie fort! und niemals - -
Was niemals, mein Engel! - - Heißt das verzeihen?
Niemals, sagte sie, mag an das, was vorge- fallen ist, wieder gedacht werden!
Jch drang auf einen Kuß, meine Begnadi- gung zu versiegeln - Und gieng als ein Narr, ein Narr von einem Frauenzimmer, wie ich in der That war, wieder zurück! - - Jch gieng
schlei-
F 2
Darauf faßte ich ſie wieder in meine Armen: weil ich vermuthete, daß ſie mir nicht verzeihen wollte.
Jch will ‒ Jch vergebe ihnen ‒ Boͤſewicht!
Ja, meine Clariſſa! Jſt es eine ſo erzwun- gene Verzeihung, mit einem ſo beißenden Worte, womit ich mich abweiſen laſſen ſoll, da ſie ſo voll- kommen, ich druckte ſie hierbey feſt an mich, in meiner Gewalt ſind?
Jch, ich vergebe ihnen!
Von Herzen?
Ja, von Herzen!
Und freywillig?
Freywillig!
Und wollen ſie mich morgen ſo anſehen, als wenn nichts vorgegangen waͤre?
Ja, ja!
Jch kann kein ſo zorniges und verdrießliches Ja, das einem Nein im Herzen ſo aͤhnlich ſiehet, annehmen! ‒ Sagen ſie, ſie wollen es auf ihre Ehre!
Auf meine Ehre denn ‒ O nun, gehen ſie fort, gehen ſie fort! und niemals ‒ ‒
Was niemals, mein Engel! ‒ ‒ Heißt das verzeihen?
Niemals, ſagte ſie, mag an das, was vorge- fallen iſt, wieder gedacht werden!
Jch drang auf einen Kuß, meine Begnadi- gung zu verſiegeln ‒ Und gieng als ein Narr, ein Narr von einem Frauenzimmer, wie ich in der That war, wieder zuruͤck! ‒ ‒ Jch gieng
ſchlei-
F 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0089"n="83"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Darauf faßte ich ſie wieder in meine Armen:<lb/>
weil ich vermuthete, daß ſie mir nicht verzeihen<lb/>
wollte.</p><lb/><p>Jch will ‒ Jch vergebe ihnen ‒ Boͤſewicht!</p><lb/><p>Ja, meine Clariſſa! Jſt es eine ſo erzwun-<lb/>
gene Verzeihung, mit einem ſo beißenden Worte,<lb/>
womit ich mich abweiſen laſſen ſoll, da ſie ſo voll-<lb/>
kommen, ich druckte ſie hierbey feſt an mich, in<lb/>
meiner Gewalt ſind?</p><lb/><p>Jch, ich vergebe ihnen!</p><lb/><p>Von Herzen?</p><lb/><p>Ja, von Herzen!</p><lb/><p>Und freywillig?</p><lb/><p>Freywillig!</p><lb/><p>Und wollen ſie mich morgen ſo anſehen, als<lb/>
wenn nichts vorgegangen waͤre?</p><lb/><p>Ja, ja!</p><lb/><p>Jch kann kein ſo zorniges und verdrießliches<lb/>
Ja, das einem Nein im Herzen ſo aͤhnlich ſiehet,<lb/>
annehmen! ‒ Sagen ſie, ſie wollen es auf ihre<lb/>
Ehre!</p><lb/><p>Auf meine Ehre denn ‒ O nun, gehen ſie<lb/>
fort, gehen ſie fort! und niemals ‒‒</p><lb/><p>Was niemals, mein Engel! ‒‒ Heißt das<lb/>
verzeihen?</p><lb/><p>Niemals, ſagte ſie, mag an das, was vorge-<lb/>
fallen iſt, wieder gedacht werden!</p><lb/><p>Jch drang auf einen Kuß, meine Begnadi-<lb/>
gung zu verſiegeln ‒ Und gieng als ein Narr,<lb/>
ein Narr von einem Frauenzimmer, wie ich in<lb/>
der That war, wieder zuruͤck! ‒‒ Jch gieng<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſchlei-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[83/0089]
Darauf faßte ich ſie wieder in meine Armen:
weil ich vermuthete, daß ſie mir nicht verzeihen
wollte.
Jch will ‒ Jch vergebe ihnen ‒ Boͤſewicht!
Ja, meine Clariſſa! Jſt es eine ſo erzwun-
gene Verzeihung, mit einem ſo beißenden Worte,
womit ich mich abweiſen laſſen ſoll, da ſie ſo voll-
kommen, ich druckte ſie hierbey feſt an mich, in
meiner Gewalt ſind?
Jch, ich vergebe ihnen!
Von Herzen?
Ja, von Herzen!
Und freywillig?
Freywillig!
Und wollen ſie mich morgen ſo anſehen, als
wenn nichts vorgegangen waͤre?
Ja, ja!
Jch kann kein ſo zorniges und verdrießliches
Ja, das einem Nein im Herzen ſo aͤhnlich ſiehet,
annehmen! ‒ Sagen ſie, ſie wollen es auf ihre
Ehre!
Auf meine Ehre denn ‒ O nun, gehen ſie
fort, gehen ſie fort! und niemals ‒ ‒
Was niemals, mein Engel! ‒ ‒ Heißt das
verzeihen?
Niemals, ſagte ſie, mag an das, was vorge-
fallen iſt, wieder gedacht werden!
Jch drang auf einen Kuß, meine Begnadi-
gung zu verſiegeln ‒ Und gieng als ein Narr,
ein Narr von einem Frauenzimmer, wie ich in
der That war, wieder zuruͤck! ‒ ‒ Jch gieng
ſchlei-
F 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/89>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.