Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


"Darauf ging sie ans Fenster. Es regnet,
"sprach sie: und das hatte es den ganzen
"Morgen gethan.
Setzt die Kappe auf und
"hängt das Mäntelchen über, das ich euch tragen
"gesehen habe, und kommt alsdenn zu mir, wenn
"ihr fertig seyd, auszugehen, weil ihr mir etwas
"mitbringen sollet, das ich gebrauche.

"Mabelle kleidete sich dieser Verordnung ge-
"mäß an, und bekam Befehl, ihr einige Kleinig-
"keiten zu kaufen. Dann ging sie von ihr, lief
"aber im Vorbeygehen in den Hintersaal, wo
"Dorcas bey der Fr. Sinclairn war, und erzähl-
"te, wo sie hinginge und zu welchem Ende. Sie
"bat zugleich Dorcas, so lange auszusehen, bis
"sie wieder zurückkäme. So getreu war das
"elende Mensch in dem, was ihr anvertrauet war:
"und so wenig hatte die Freygebigkeit der Fräu-
"lein bey ihr gewirket.

"Fr. Sinclair lobte sie: Dorcas hingegen
"beneidete sie, und vertrat ihre Stelle. Mabelle
"kam bald mit der Arbeitssrau der Weibsschnei-
"derinn zurück; sie hätte sich fest vorgenommen,
"sagte sie, nicht ohne dieselbe zu kommen: und
"Dorcas ging von der Wache ab.

"Die Fräulein suchte den langen Rock und
"den Unterrock aus, und beredete Mabelle, ihn
"vor der Schneiderinn anzuprobiren. Damit
"er desto besser sitzen möchte, überredete sie das
"willige Mensch, ihren Oberrock abzuziehen, und
"den, welchen sie ihr gab, anzulegen. Hiernächst
"befahl sie ihnen, in Herrn Lovelacens Zimmer

zu


„Darauf ging ſie ans Fenſter. Es regnet,
„ſprach ſie: und das hatte es den ganzen
„Morgen gethan.
Setzt die Kappe auf und
„haͤngt das Maͤntelchen uͤber, das ich euch tragen
„geſehen habe, und kommt alsdenn zu mir, wenn
„ihr fertig ſeyd, auszugehen, weil ihr mir etwas
„mitbringen ſollet, das ich gebrauche.

„Mabelle kleidete ſich dieſer Verordnung ge-
„maͤß an, und bekam Befehl, ihr einige Kleinig-
„keiten zu kaufen. Dann ging ſie von ihr, lief
„aber im Vorbeygehen in den Hinterſaal, wo
„Dorcas bey der Fr. Sinclairn war, und erzaͤhl-
„te, wo ſie hinginge und zu welchem Ende. Sie
„bat zugleich Dorcas, ſo lange auszuſehen, bis
„ſie wieder zuruͤckkaͤme. So getreu war das
„elende Menſch in dem, was ihr anvertrauet war:
„und ſo wenig hatte die Freygebigkeit der Fraͤu-
„lein bey ihr gewirket.

„Fr. Sinclair lobte ſie: Dorcas hingegen
„beneidete ſie, und vertrat ihre Stelle. Mabelle
„kam bald mit der Arbeitsſrau der Weibsſchnei-
„derinn zuruͤck; ſie haͤtte ſich feſt vorgenommen,
„ſagte ſie, nicht ohne dieſelbe zu kommen: und
„Dorcas ging von der Wache ab.

„Die Fraͤulein ſuchte den langen Rock und
„den Unterrock aus, und beredete Mabelle, ihn
„vor der Schneiderinn anzuprobiren. Damit
„er deſto beſſer ſitzen moͤchte, uͤberredete ſie das
„willige Menſch, ihren Oberrock abzuziehen, und
„den, welchen ſie ihr gab, anzulegen. Hiernaͤchſt
„befahl ſie ihnen, in Herrn Lovelacens Zimmer

zu
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0874" n="868"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>&#x201E;Darauf ging &#x017F;ie ans Fen&#x017F;ter. Es regnet,<lb/>
&#x201E;&#x017F;prach &#x017F;ie: <hi rendition="#fr">und das hatte es den ganzen<lb/>
&#x201E;Morgen gethan.</hi> Setzt die Kappe auf und<lb/>
&#x201E;ha&#x0364;ngt das Ma&#x0364;ntelchen u&#x0364;ber, das ich euch tragen<lb/>
&#x201E;ge&#x017F;ehen habe, und kommt alsdenn zu mir, wenn<lb/>
&#x201E;ihr fertig &#x017F;eyd, auszugehen, weil ihr mir etwas<lb/>
&#x201E;mitbringen &#x017F;ollet, das ich gebrauche.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Mabelle kleidete &#x017F;ich die&#x017F;er Verordnung ge-<lb/>
&#x201E;ma&#x0364;ß an, und bekam Befehl, ihr einige Kleinig-<lb/>
&#x201E;keiten zu kaufen. Dann ging &#x017F;ie von ihr, lief<lb/>
&#x201E;aber im Vorbeygehen in den Hinter&#x017F;aal, wo<lb/>
&#x201E;Dorcas bey der Fr. Sinclairn war, und erza&#x0364;hl-<lb/>
&#x201E;te, wo &#x017F;ie hinginge und zu welchem Ende. Sie<lb/>
&#x201E;bat zugleich Dorcas, &#x017F;o lange auszu&#x017F;ehen, bis<lb/>
&#x201E;&#x017F;ie wieder zuru&#x0364;ckka&#x0364;me. So getreu war das<lb/>
&#x201E;elende Men&#x017F;ch in dem, was ihr anvertrauet war:<lb/>
&#x201E;und &#x017F;o wenig hatte die Freygebigkeit der Fra&#x0364;u-<lb/>
&#x201E;lein bey ihr gewirket.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Fr. Sinclair lobte &#x017F;ie: Dorcas hingegen<lb/>
&#x201E;beneidete &#x017F;ie, und vertrat ihre Stelle. Mabelle<lb/>
&#x201E;kam bald mit der Arbeits&#x017F;rau der Weibs&#x017F;chnei-<lb/>
&#x201E;derinn zuru&#x0364;ck; &#x017F;ie ha&#x0364;tte &#x017F;ich fe&#x017F;t vorgenommen,<lb/>
&#x201E;&#x017F;agte &#x017F;ie, nicht ohne die&#x017F;elbe zu kommen: und<lb/>
&#x201E;Dorcas ging von der Wache ab.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die Fra&#x0364;ulein &#x017F;uchte den langen Rock und<lb/>
&#x201E;den Unterrock aus, und beredete Mabelle, ihn<lb/>
&#x201E;vor der Schneiderinn anzuprobiren. Damit<lb/>
&#x201E;er de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;itzen mo&#x0364;chte, u&#x0364;berredete &#x017F;ie das<lb/>
&#x201E;willige Men&#x017F;ch, ihren Oberrock abzuziehen, und<lb/>
&#x201E;den, welchen &#x017F;ie ihr gab, anzulegen. Hierna&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
&#x201E;befahl &#x017F;ie ihnen, in Herrn Lovelacens Zimmer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[868/0874] „Darauf ging ſie ans Fenſter. Es regnet, „ſprach ſie: und das hatte es den ganzen „Morgen gethan. Setzt die Kappe auf und „haͤngt das Maͤntelchen uͤber, das ich euch tragen „geſehen habe, und kommt alsdenn zu mir, wenn „ihr fertig ſeyd, auszugehen, weil ihr mir etwas „mitbringen ſollet, das ich gebrauche. „Mabelle kleidete ſich dieſer Verordnung ge- „maͤß an, und bekam Befehl, ihr einige Kleinig- „keiten zu kaufen. Dann ging ſie von ihr, lief „aber im Vorbeygehen in den Hinterſaal, wo „Dorcas bey der Fr. Sinclairn war, und erzaͤhl- „te, wo ſie hinginge und zu welchem Ende. Sie „bat zugleich Dorcas, ſo lange auszuſehen, bis „ſie wieder zuruͤckkaͤme. So getreu war das „elende Menſch in dem, was ihr anvertrauet war: „und ſo wenig hatte die Freygebigkeit der Fraͤu- „lein bey ihr gewirket. „Fr. Sinclair lobte ſie: Dorcas hingegen „beneidete ſie, und vertrat ihre Stelle. Mabelle „kam bald mit der Arbeitsſrau der Weibsſchnei- „derinn zuruͤck; ſie haͤtte ſich feſt vorgenommen, „ſagte ſie, nicht ohne dieſelbe zu kommen: und „Dorcas ging von der Wache ab. „Die Fraͤulein ſuchte den langen Rock und „den Unterrock aus, und beredete Mabelle, ihn „vor der Schneiderinn anzuprobiren. Damit „er deſto beſſer ſitzen moͤchte, uͤberredete ſie das „willige Menſch, ihren Oberrock abzuziehen, und „den, welchen ſie ihr gab, anzulegen. Hiernaͤchſt „befahl ſie ihnen, in Herrn Lovelacens Zimmer zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/874
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 868. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/874>, abgerufen am 17.05.2024.