Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



antworten: so bin ich in einer höchst verwirren-
den Ungewißheit, ob sie künftigen Donnerstag zu
uns kommen wird, oder nicht, die Vermählung
zu vollziehen.

Mein Lord befindet sich so ausnehmend
schlecht, daß, wenn ich glaubte, sie würde mich
nicht durch ihre Willfahrung verpflichten, ich
meine Abreise zur Stadt noch zween oder drey
Tage aufschieben würde. Er will mich nicht
gern aus seinem Gesichte lassen: inzwischen hat
er doch ein sehnliches Verlangen, meine Geliebte,
noch vor seinem Ende, als seine Base zu küssen.
Jch habe ihm versprochen, die Gelegenheit dazu
zu verschaffen: indem ich gesonnen bin, wo die
wertheste Fräulein mich glücklich machen will,
mich alsobald von der Kirche aus mit ihr hierher
zu begeben.

Jch sage es ungern von der reizenden Be-
herrscherinn meines Herzens: aber Unversöhn-
lichkeit ist ihr Geschlechtsfehler; der in Wahr-
heit an ihr um so viel weniger zu entschuldigen
ist, da sie durch denselben von ihren eignen Ver-
wandten selbst so viel leidet.

Da sie nun, mein Herr, willens gewesen
sind,
einige Zeit vor dem Donnerstage in der
Stadt zu seyn: so würde mir eine Gefälligkeit
geschehen, wo es ihnen nicht eine gar zu große
Unbequemlichkeit verursachet, wenn sie meinet-
wegen, so bald als möglich hinaufgehen wollten.
Jch ersuche darum desto dreister, da ich vermuthe,
daß es ihnen, als einem Manne, der so viele eigne

und



antworten: ſo bin ich in einer hoͤchſt verwirren-
den Ungewißheit, ob ſie kuͤnftigen Donnerſtag zu
uns kommen wird, oder nicht, die Vermaͤhlung
zu vollziehen.

Mein Lord befindet ſich ſo ausnehmend
ſchlecht, daß, wenn ich glaubte, ſie wuͤrde mich
nicht durch ihre Willfahrung verpflichten, ich
meine Abreiſe zur Stadt noch zween oder drey
Tage aufſchieben wuͤrde. Er will mich nicht
gern aus ſeinem Geſichte laſſen: inzwiſchen hat
er doch ein ſehnliches Verlangen, meine Geliebte,
noch vor ſeinem Ende, als ſeine Baſe zu kuͤſſen.
Jch habe ihm verſprochen, die Gelegenheit dazu
zu verſchaffen: indem ich geſonnen bin, wo die
wertheſte Fraͤulein mich gluͤcklich machen will,
mich alſobald von der Kirche aus mit ihr hierher
zu begeben.

Jch ſage es ungern von der reizenden Be-
herrſcherinn meines Herzens: aber Unverſoͤhn-
lichkeit iſt ihr Geſchlechtsfehler; der in Wahr-
heit an ihr um ſo viel weniger zu entſchuldigen
iſt, da ſie durch denſelben von ihren eignen Ver-
wandten ſelbſt ſo viel leidet.

Da ſie nun, mein Herr, willens geweſen
ſind,
einige Zeit vor dem Donnerſtage in der
Stadt zu ſeyn: ſo wuͤrde mir eine Gefaͤlligkeit
geſchehen, wo es ihnen nicht eine gar zu große
Unbequemlichkeit verurſachet, wenn ſie meinet-
wegen, ſo bald als moͤglich hinaufgehen wollten.
Jch erſuche darum deſto dreiſter, da ich vermuthe,
daß es ihnen, als einem Manne, der ſo viele eigne

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0860" n="854"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
antworten: &#x017F;o bin ich in einer ho&#x0364;ch&#x017F;t verwirren-<lb/>
den Ungewißheit, ob &#x017F;ie ku&#x0364;nftigen Donner&#x017F;tag zu<lb/>
uns kommen wird, oder nicht, die Verma&#x0364;hlung<lb/>
zu vollziehen.</p><lb/>
          <p>Mein Lord befindet &#x017F;ich &#x017F;o ausnehmend<lb/>
&#x017F;chlecht, daß, wenn ich glaubte, &#x017F;ie wu&#x0364;rde mich<lb/>
nicht durch ihre Willfahrung verpflichten, ich<lb/>
meine Abrei&#x017F;e zur Stadt noch zween oder drey<lb/>
Tage auf&#x017F;chieben wu&#x0364;rde. Er will mich nicht<lb/>
gern aus &#x017F;einem Ge&#x017F;ichte la&#x017F;&#x017F;en: inzwi&#x017F;chen hat<lb/>
er doch ein &#x017F;ehnliches Verlangen, meine Geliebte,<lb/>
noch vor &#x017F;einem Ende, als &#x017F;eine Ba&#x017F;e zu ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Jch habe ihm ver&#x017F;prochen, die Gelegenheit dazu<lb/>
zu ver&#x017F;chaffen: indem ich ge&#x017F;onnen bin, wo die<lb/>
werthe&#x017F;te Fra&#x0364;ulein mich glu&#x0364;cklich machen will,<lb/>
mich al&#x017F;obald von der Kirche aus mit ihr hierher<lb/>
zu begeben.</p><lb/>
          <p>Jch &#x017F;age es ungern von der reizenden Be-<lb/>
herr&#x017F;cherinn meines Herzens: aber Unver&#x017F;o&#x0364;hn-<lb/>
lichkeit i&#x017F;t ihr Ge&#x017F;chlechtsfehler; der in Wahr-<lb/>
heit an ihr um &#x017F;o viel weniger zu ent&#x017F;chuldigen<lb/>
i&#x017F;t, da &#x017F;ie durch den&#x017F;elben von ihren eignen Ver-<lb/>
wandten &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o viel leidet.</p><lb/>
          <p>Da &#x017F;ie nun, mein Herr, <hi rendition="#fr">willens gewe&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ind,</hi> einige Zeit vor dem Donner&#x017F;tage in der<lb/>
Stadt zu &#x017F;eyn: &#x017F;o wu&#x0364;rde mir eine Gefa&#x0364;lligkeit<lb/>
ge&#x017F;chehen, wo es ihnen nicht eine gar zu große<lb/>
Unbequemlichkeit verur&#x017F;achet, wenn &#x017F;ie meinet-<lb/>
wegen, &#x017F;o bald als mo&#x0364;glich hinaufgehen wollten.<lb/>
Jch er&#x017F;uche darum de&#x017F;to drei&#x017F;ter, da ich vermuthe,<lb/>
daß es ihnen, als einem Manne, der &#x017F;o viele eigne<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[854/0860] antworten: ſo bin ich in einer hoͤchſt verwirren- den Ungewißheit, ob ſie kuͤnftigen Donnerſtag zu uns kommen wird, oder nicht, die Vermaͤhlung zu vollziehen. Mein Lord befindet ſich ſo ausnehmend ſchlecht, daß, wenn ich glaubte, ſie wuͤrde mich nicht durch ihre Willfahrung verpflichten, ich meine Abreiſe zur Stadt noch zween oder drey Tage aufſchieben wuͤrde. Er will mich nicht gern aus ſeinem Geſichte laſſen: inzwiſchen hat er doch ein ſehnliches Verlangen, meine Geliebte, noch vor ſeinem Ende, als ſeine Baſe zu kuͤſſen. Jch habe ihm verſprochen, die Gelegenheit dazu zu verſchaffen: indem ich geſonnen bin, wo die wertheſte Fraͤulein mich gluͤcklich machen will, mich alſobald von der Kirche aus mit ihr hierher zu begeben. Jch ſage es ungern von der reizenden Be- herrſcherinn meines Herzens: aber Unverſoͤhn- lichkeit iſt ihr Geſchlechtsfehler; der in Wahr- heit an ihr um ſo viel weniger zu entſchuldigen iſt, da ſie durch denſelben von ihren eignen Ver- wandten ſelbſt ſo viel leidet. Da ſie nun, mein Herr, willens geweſen ſind, einige Zeit vor dem Donnerſtage in der Stadt zu ſeyn: ſo wuͤrde mir eine Gefaͤlligkeit geſchehen, wo es ihnen nicht eine gar zu große Unbequemlichkeit verurſachet, wenn ſie meinet- wegen, ſo bald als moͤglich hinaufgehen wollten. Jch erſuche darum deſto dreiſter, da ich vermuthe, daß es ihnen, als einem Manne, der ſo viele eigne und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/860
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 854. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/860>, abgerufen am 03.12.2024.