ich ihre Hand nicht so bald ergreifen konnte, als sie sich den tödtlichen Stoß zu versetzen vermö- gend gewesen wäre: wie unmöglich war es denn, daß ich durch eine so wahre und so bedächtli- che Großmuth nicht sollte überwunden werden.
Aber sie ist noch nicht weg: sie soll nicht wegkommen. Jch will sie durch Briefe auf das nachdrücklichste wegen des Donnerstags zu bewegen suchen - - Sie soll doch noch die Mei- nige, nach Recht und Gesetzen die Meinige seyn. Denn ein vertraulicher Umgang ohne die Ehe ist nun keine Sache mehr, woran zu gedenken wäre.
Der Capitain soll sie mir als Gevollmäch- tigter von ihrem Onkel geben. Mein Lord wird sterben. Mein Vermögen wird meinem Wil- len zu statten kommen und mich über alles und über alle Menschen hinaussetzen.
Allein hier steckt der verfluchte Knoten: - - Sie verachtet mich, Bruder! - - Welcher Mann, das habe ich schon vorher gesaget, kann es wohl ertragen, daß er verachtet werde - - sonderlich von seiner Frauen? - - O Himmel! O Him- mel! was für einen Vortheil, was für einen ver- fluchten Vortheil habe ich von diesem Kunstgrif- fe gezogen! - - Und hier endiget sich
Die Geschichte von der Fräulein und dem Federmesser! ! ! - - Der Teufel hole das Fe- dermesser! - Wider mich selbst aber muß ich sa- gen, Gott segne und beglücke die Fräulein.
Nicht weit von fünfen, Sonnabends frühe.
Der
ich ihre Hand nicht ſo bald ergreifen konnte, als ſie ſich den toͤdtlichen Stoß zu verſetzen vermoͤ- gend geweſen waͤre: wie unmoͤglich war es denn, daß ich durch eine ſo wahre und ſo bedaͤchtli- che Großmuth nicht ſollte uͤberwunden werden.
Aber ſie iſt noch nicht weg: ſie ſoll nicht wegkommen. Jch will ſie durch Briefe auf das nachdruͤcklichſte wegen des Donnerſtags zu bewegen ſuchen ‒ ‒ Sie ſoll doch noch die Mei- nige, nach Recht und Geſetzen die Meinige ſeyn. Denn ein vertraulicher Umgang ohne die Ehe iſt nun keine Sache mehr, woran zu gedenken waͤre.
Der Capitain ſoll ſie mir als Gevollmaͤch- tigter von ihrem Onkel geben. Mein Lord wird ſterben. Mein Vermoͤgen wird meinem Wil- len zu ſtatten kommen und mich uͤber alles und uͤber alle Menſchen hinausſetzen.
Allein hier ſteckt der verfluchte Knoten: ‒ ‒ Sie verachtet mich, Bruder! ‒ ‒ Welcher Mann, das habe ich ſchon vorher geſaget, kann es wohl ertragen, daß er verachtet werde ‒ ‒ ſonderlich von ſeiner Frauen? ‒ ‒ O Himmel! O Him- mel! was fuͤr einen Vortheil, was fuͤr einen ver- fluchten Vortheil habe ich von dieſem Kunſtgrif- fe gezogen! ‒ ‒ Und hier endiget ſich
Die Geſchichte von der Fraͤulein und dem Federmeſſer! ! ! ‒ ‒ Der Teufel hole das Fe- dermeſſer! ‒ Wider mich ſelbſt aber muß ich ſa- gen, Gott ſegne und begluͤcke die Fraͤulein.
Nicht weit von fuͤnfen, Sonnabends fruͤhe.
Der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0828"n="822"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
ich ihre Hand nicht ſo bald ergreifen konnte, als<lb/>ſie ſich den toͤdtlichen Stoß zu verſetzen vermoͤ-<lb/>
gend geweſen waͤre: wie unmoͤglich war es denn,<lb/>
daß ich durch eine ſo <hirendition="#fr">wahre</hi> und ſo <hirendition="#fr">bedaͤchtli-<lb/>
che</hi> Großmuth nicht ſollte uͤberwunden werden.</p><lb/><p>Aber ſie iſt noch nicht <hirendition="#fr">weg:</hi>ſie ſoll nicht<lb/>
wegkommen. Jch will ſie durch Briefe auf<lb/>
das nachdruͤcklichſte wegen des Donnerſtags zu<lb/>
bewegen ſuchen ‒‒ Sie ſoll doch noch die Mei-<lb/>
nige, nach Recht und Geſetzen die Meinige ſeyn.<lb/>
Denn ein vertraulicher Umgang ohne die Ehe<lb/>
iſt nun keine Sache mehr, woran zu gedenken waͤre.</p><lb/><p>Der Capitain ſoll ſie mir als Gevollmaͤch-<lb/>
tigter von ihrem Onkel geben. Mein Lord wird<lb/>ſterben. Mein Vermoͤgen wird meinem <hirendition="#fr">Wil-<lb/>
len</hi> zu ſtatten kommen und mich uͤber alles und<lb/>
uͤber alle Menſchen hinausſetzen.</p><lb/><p>Allein hier ſteckt der verfluchte Knoten: ‒‒<lb/>
Sie verachtet mich, Bruder! ‒‒ Welcher Mann,<lb/>
das habe ich ſchon vorher geſaget, kann es wohl<lb/>
ertragen, daß er verachtet werde ‒‒ſonderlich<lb/>
von ſeiner Frauen? ‒‒ O Himmel! O Him-<lb/>
mel! was fuͤr einen Vortheil, was fuͤr einen ver-<lb/>
fluchten Vortheil habe ich von dieſem Kunſtgrif-<lb/>
fe gezogen! ‒‒ Und hier endiget ſich</p><lb/><p>Die Geſchichte von der Fraͤulein und dem<lb/>
Federmeſſer! ! ! ‒‒ Der Teufel hole das Fe-<lb/>
dermeſſer! ‒ Wider mich ſelbſt aber muß ich ſa-<lb/>
gen, Gott ſegne und begluͤcke die Fraͤulein.</p><lb/><p>Nicht weit von fuͤnfen, Sonnabends fruͤhe.</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Der</hi></fw><lb/></div></body></text></TEI>
[822/0828]
ich ihre Hand nicht ſo bald ergreifen konnte, als
ſie ſich den toͤdtlichen Stoß zu verſetzen vermoͤ-
gend geweſen waͤre: wie unmoͤglich war es denn,
daß ich durch eine ſo wahre und ſo bedaͤchtli-
che Großmuth nicht ſollte uͤberwunden werden.
Aber ſie iſt noch nicht weg: ſie ſoll nicht
wegkommen. Jch will ſie durch Briefe auf
das nachdruͤcklichſte wegen des Donnerſtags zu
bewegen ſuchen ‒ ‒ Sie ſoll doch noch die Mei-
nige, nach Recht und Geſetzen die Meinige ſeyn.
Denn ein vertraulicher Umgang ohne die Ehe
iſt nun keine Sache mehr, woran zu gedenken waͤre.
Der Capitain ſoll ſie mir als Gevollmaͤch-
tigter von ihrem Onkel geben. Mein Lord wird
ſterben. Mein Vermoͤgen wird meinem Wil-
len zu ſtatten kommen und mich uͤber alles und
uͤber alle Menſchen hinausſetzen.
Allein hier ſteckt der verfluchte Knoten: ‒ ‒
Sie verachtet mich, Bruder! ‒ ‒ Welcher Mann,
das habe ich ſchon vorher geſaget, kann es wohl
ertragen, daß er verachtet werde ‒ ‒ ſonderlich
von ſeiner Frauen? ‒ ‒ O Himmel! O Him-
mel! was fuͤr einen Vortheil, was fuͤr einen ver-
fluchten Vortheil habe ich von dieſem Kunſtgrif-
fe gezogen! ‒ ‒ Und hier endiget ſich
Die Geſchichte von der Fraͤulein und dem
Federmeſſer! ! ! ‒ ‒ Der Teufel hole das Fe-
dermeſſer! ‒ Wider mich ſelbſt aber muß ich ſa-
gen, Gott ſegne und begluͤcke die Fraͤulein.
Nicht weit von fuͤnfen, Sonnabends fruͤhe.
Der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 822. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/828>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.