besinnen. Sonst wüßte ich nicht, wer den an- muthigen Zauberinnen entgehen könnte, deren Zauberkrast noch dazu durch unsere erhitzte Ein- bildungen so sehr unterstützet wird.
Ein Weib kann man alle Tage haben, pflegte ich sonst zu sagen. Jch habe allezeit Vertrauen und Eitelkeit genug gehabt, mir die Gedanken zu machen, daß kein Frauenzimmer auf der Welt mir ihre Hand versagen könnte, wenn ich nur die meinige hinreichte. Es ist ein verzweifelter Verdruß für mich, wenn ich be- finden muß, daß diese Fräulein mich auf der Lauer stehen lassen, und alle meine ehrlichen Ge- lübde ausschlagen kann.
Was für Gewalt; vergönne mir eine ernst- hafte Betrachtung, Bruder! sie will niederge- schrieben seyn; was für Gewalt haben doch böse Gewohnheiten über das menschliche Gemüth! Wenn wir zuerst einen Abweg betreten: so bil- den wir uns ein, es werde in unserer Macht ste- hen, wenn wir wollen, wieder zu dem rechten Wege zurückzukehren. Aber es ist nicht an dem: das sehe ich augenscheinlich. Wer kann die Ver- dienste dieser liebenswürdigen Fräulein, und sei- ne eigne Fehler besser erkennen, als ich? Wer kann eine empfindlichere Reue fühlen, als ich bis- weilen über die Beleidigungen fühle, welche ihr von mir widerfahren sind? Wer kann einen stär- kern Vorsatz haben, diese Beleidigungen wieder gut zu machen? - - Und wie bald gehet gleich- wohl meine Reue vorüber! - - Wie werde ich
hinge-
beſinnen. Sonſt wuͤßte ich nicht, wer den an- muthigen Zauberinnen entgehen koͤnnte, deren Zauberkraſt noch dazu durch unſere erhitzte Ein- bildungen ſo ſehr unterſtuͤtzet wird.
Ein Weib kann man alle Tage haben, pflegte ich ſonſt zu ſagen. Jch habe allezeit Vertrauen und Eitelkeit genug gehabt, mir die Gedanken zu machen, daß kein Frauenzimmer auf der Welt mir ihre Hand verſagen koͤnnte, wenn ich nur die meinige hinreichte. Es iſt ein verzweifelter Verdruß fuͤr mich, wenn ich be- finden muß, daß dieſe Fraͤulein mich auf der Lauer ſtehen laſſen, und alle meine ehrlichen Ge- luͤbde ausſchlagen kann.
Was fuͤr Gewalt; vergoͤnne mir eine ernſt- hafte Betrachtung, Bruder! ſie will niederge- ſchrieben ſeyn; was fuͤr Gewalt haben doch boͤſe Gewohnheiten uͤber das menſchliche Gemuͤth! Wenn wir zuerſt einen Abweg betreten: ſo bil- den wir uns ein, es werde in unſerer Macht ſte- hen, wenn wir wollen, wieder zu dem rechten Wege zuruͤckzukehren. Aber es iſt nicht an dem: das ſehe ich augenſcheinlich. Wer kann die Ver- dienſte dieſer liebenswuͤrdigen Fraͤulein, und ſei- ne eigne Fehler beſſer erkennen, als ich? Wer kann eine empfindlichere Reue fuͤhlen, als ich bis- weilen uͤber die Beleidigungen fuͤhle, welche ihr von mir widerfahren ſind? Wer kann einen ſtaͤr- kern Vorſatz haben, dieſe Beleidigungen wieder gut zu machen? ‒ ‒ Und wie bald gehet gleich- wohl meine Reue voruͤber! ‒ ‒ Wie werde ich
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beſinnen. Sonſt wuͤßte ich nicht, wer den an-
muthigen Zauberinnen entgehen koͤnnte, deren
Zauberkraſt noch dazu durch unſere erhitzte Ein-
bildungen ſo ſehr unterſtuͤtzet wird.
Ein Weib kann man alle Tage haben,
pflegte ich ſonſt zu ſagen. Jch habe allezeit
Vertrauen und Eitelkeit genug gehabt, mir die
Gedanken zu machen, daß kein Frauenzimmer
auf der Welt mir ihre Hand verſagen koͤnnte,
wenn ich nur die meinige hinreichte. Es iſt
ein verzweifelter Verdruß fuͤr mich, wenn ich be-
finden muß, daß dieſe Fraͤulein mich auf der
Lauer ſtehen laſſen, und alle meine ehrlichen Ge-
luͤbde ausſchlagen kann.
Was fuͤr Gewalt; vergoͤnne mir eine ernſt-
hafte Betrachtung, Bruder! ſie will niederge-
ſchrieben ſeyn; was fuͤr Gewalt haben doch boͤſe
Gewohnheiten uͤber das menſchliche Gemuͤth!
Wenn wir zuerſt einen Abweg betreten: ſo bil-
den wir uns ein, es werde in unſerer Macht ſte-
hen, wenn wir wollen, wieder zu dem rechten
Wege zuruͤckzukehren. Aber es iſt nicht an dem:
das ſehe ich augenſcheinlich. Wer kann die Ver-
dienſte dieſer liebenswuͤrdigen Fraͤulein, und ſei-
ne eigne Fehler beſſer erkennen, als ich? Wer
kann eine empfindlichere Reue fuͤhlen, als ich bis-
weilen uͤber die Beleidigungen fuͤhle, welche ihr
von mir widerfahren ſind? Wer kann einen ſtaͤr-
kern Vorſatz haben, dieſe Beleidigungen wieder
gut zu machen? ‒ ‒ Und wie bald gehet gleich-
wohl meine Reue voruͤber! ‒ ‒ Wie werde ich
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 701. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/707>, abgerufen am 24.11.2024.
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