Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Fräulein Montague erhebt ein jedes
Wort, das von den Lippen meiner Schönen
fällt. Sie verehret ihre neue Base vollkommen
als anbetenswürdig. "Denn ihre Base muß
"sie seyn; und ihre Base will sie sie nennen.
"Sie steht dafür, daß ihre Schwester Martha
"mit ihr gleiche Bewunderung hegen werde.

"Ey, reif ich, zwar leise, aber doch laut genug
"daß sie es hören konnte, wie werden meiner Ba-
"se Martha Taubenaugen selbst bey dem ersten
"Anblicke glänzen und übergehen! - - Eine so
"anmuthreiche, so edle, so ungezwungene Person!

"Was für eine glückselige Familie wird die
"unsrige seyn!" Das riefen wir alle in einem
Chor.

Diese und alle andre dergleichen Bewunde-
rungen, womit wir uns einander Glück wün-
schen, werden alle Stunden wiederholet. Jhre
Bescheidenheit wird durch diese Lobeserhebungen
in unserer Entzückung beleidiget. "Jhre ange-
"nehme Gaben sind ihr zu natürlich, daß sie stolz
"darauf seyn sollte: - - aber sie muß sich gefal-
"len lassen, dafür gestraft zu werden, daß bey
"ihren ausnehmenden Vorzügen auch die aller-
"treflichsten Eigenschaften nur wie im Schatten
"stehen."

Kurz, wir sind hier so, wie zu Hampstead,
voller Freude und entzückender Lust: wir alle,
ausgenommen meine Geliebte. Da diese ihr
fast bis zur Ohnmacht getriebenes Widerstreben,
nicht wieder in dieß Haus zu kommen, noch nicht

über-


Die Fraͤulein Montague erhebt ein jedes
Wort, das von den Lippen meiner Schoͤnen
faͤllt. Sie verehret ihre neue Baſe vollkommen
als anbetenswuͤrdig. „Denn ihre Baſe muß
„ſie ſeyn; und ihre Baſe will ſie ſie nennen.
„Sie ſteht dafuͤr, daß ihre Schweſter Martha
„mit ihr gleiche Bewunderung hegen werde.

„Ey, reif ich, zwar leiſe, aber doch laut genug
„daß ſie es hoͤren konnte, wie werden meiner Ba-
„ſe Martha Taubenaugen ſelbſt bey dem erſten
„Anblicke glaͤnzen und uͤbergehen! ‒ ‒ Eine ſo
„anmuthreiche, ſo edle, ſo ungezwungene Perſon!

„Was fuͤr eine gluͤckſelige Familie wird die
„unſrige ſeyn!„ Das riefen wir alle in einem
Chor.

Dieſe und alle andre dergleichen Bewunde-
rungen, womit wir uns einander Gluͤck wuͤn-
ſchen, werden alle Stunden wiederholet. Jhre
Beſcheidenheit wird durch dieſe Lobeserhebungen
in unſerer Entzuͤckung beleidiget. „Jhre ange-
„nehme Gaben ſind ihr zu natuͤrlich, daß ſie ſtolz
„darauf ſeyn ſollte: ‒ ‒ aber ſie muß ſich gefal-
„len laſſen, dafuͤr geſtraft zu werden, daß bey
„ihren ausnehmenden Vorzuͤgen auch die aller-
„treflichſten Eigenſchaften nur wie im Schatten
„ſtehen.„

Kurz, wir ſind hier ſo, wie zu Hampſtead,
voller Freude und entzuͤckender Luſt: wir alle,
ausgenommen meine Geliebte. Da dieſe ihr
faſt bis zur Ohnmacht getriebenes Widerſtreben,
nicht wieder in dieß Haus zu kommen, noch nicht

uͤber-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0584" n="578"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Die Fra&#x0364;ulein Montague erhebt ein jedes<lb/>
Wort, das von den Lippen meiner Scho&#x0364;nen<lb/>
fa&#x0364;llt. Sie verehret ihre neue Ba&#x017F;e vollkommen<lb/>
als anbetenswu&#x0364;rdig. &#x201E;Denn ihre Ba&#x017F;e muß<lb/>
&#x201E;&#x017F;ie &#x017F;eyn; und ihre Ba&#x017F;e will &#x017F;ie &#x017F;ie nennen.<lb/>
&#x201E;Sie &#x017F;teht dafu&#x0364;r, daß ihre Schwe&#x017F;ter Martha<lb/>
&#x201E;mit ihr gleiche Bewunderung hegen werde.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ey, reif ich, zwar lei&#x017F;e, aber doch laut genug<lb/>
&#x201E;daß &#x017F;ie es ho&#x0364;ren konnte, wie werden meiner Ba-<lb/>
&#x201E;&#x017F;e Martha Taubenaugen &#x017F;elb&#x017F;t bey dem er&#x017F;ten<lb/>
&#x201E;Anblicke gla&#x0364;nzen und u&#x0364;bergehen! &#x2012; &#x2012; Eine &#x017F;o<lb/>
&#x201E;anmuthreiche, &#x017F;o edle, &#x017F;o ungezwungene Per&#x017F;on!</p><lb/>
          <p>&#x201E;Was fu&#x0364;r eine glu&#x0364;ck&#x017F;elige Familie wird die<lb/>
&#x201E;un&#x017F;rige &#x017F;eyn!&#x201E; Das riefen wir alle in einem<lb/>
Chor.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e und alle andre dergleichen Bewunde-<lb/>
rungen, womit wir uns einander Glu&#x0364;ck wu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;chen, werden alle Stunden wiederholet. Jhre<lb/>
Be&#x017F;cheidenheit wird durch die&#x017F;e Lobeserhebungen<lb/>
in un&#x017F;erer Entzu&#x0364;ckung beleidiget. &#x201E;Jhre ange-<lb/>
&#x201E;nehme Gaben &#x017F;ind ihr zu natu&#x0364;rlich, daß &#x017F;ie &#x017F;tolz<lb/>
&#x201E;darauf &#x017F;eyn &#x017F;ollte: &#x2012; &#x2012; aber &#x017F;ie muß &#x017F;ich gefal-<lb/>
&#x201E;len la&#x017F;&#x017F;en, dafu&#x0364;r ge&#x017F;traft zu werden, daß bey<lb/>
&#x201E;ihren ausnehmenden Vorzu&#x0364;gen auch die <hi rendition="#fr">aller-</hi><lb/>
&#x201E;treflich&#x017F;ten Eigen&#x017F;chaften nur wie im Schatten<lb/>
&#x201E;&#x017F;tehen.&#x201E;</p><lb/>
          <p>Kurz, wir &#x017F;ind hier &#x017F;o, wie zu Hamp&#x017F;tead,<lb/>
voller Freude und entzu&#x0364;ckender Lu&#x017F;t: wir alle,<lb/>
ausgenommen meine Geliebte. Da die&#x017F;e ihr<lb/>
fa&#x017F;t bis zur Ohnmacht getriebenes Wider&#x017F;treben,<lb/>
nicht wieder in dieß Haus zu kommen, noch nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">u&#x0364;ber-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[578/0584] Die Fraͤulein Montague erhebt ein jedes Wort, das von den Lippen meiner Schoͤnen faͤllt. Sie verehret ihre neue Baſe vollkommen als anbetenswuͤrdig. „Denn ihre Baſe muß „ſie ſeyn; und ihre Baſe will ſie ſie nennen. „Sie ſteht dafuͤr, daß ihre Schweſter Martha „mit ihr gleiche Bewunderung hegen werde. „Ey, reif ich, zwar leiſe, aber doch laut genug „daß ſie es hoͤren konnte, wie werden meiner Ba- „ſe Martha Taubenaugen ſelbſt bey dem erſten „Anblicke glaͤnzen und uͤbergehen! ‒ ‒ Eine ſo „anmuthreiche, ſo edle, ſo ungezwungene Perſon! „Was fuͤr eine gluͤckſelige Familie wird die „unſrige ſeyn!„ Das riefen wir alle in einem Chor. Dieſe und alle andre dergleichen Bewunde- rungen, womit wir uns einander Gluͤck wuͤn- ſchen, werden alle Stunden wiederholet. Jhre Beſcheidenheit wird durch dieſe Lobeserhebungen in unſerer Entzuͤckung beleidiget. „Jhre ange- „nehme Gaben ſind ihr zu natuͤrlich, daß ſie ſtolz „darauf ſeyn ſollte: ‒ ‒ aber ſie muß ſich gefal- „len laſſen, dafuͤr geſtraft zu werden, daß bey „ihren ausnehmenden Vorzuͤgen auch die aller- „treflichſten Eigenſchaften nur wie im Schatten „ſtehen.„ Kurz, wir ſind hier ſo, wie zu Hampſtead, voller Freude und entzuͤckender Luſt: wir alle, ausgenommen meine Geliebte. Da dieſe ihr faſt bis zur Ohnmacht getriebenes Widerſtreben, nicht wieder in dieß Haus zu kommen, noch nicht uͤber-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/584
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/584>, abgerufen am 22.11.2024.