einer Kraft vernünftig zu schließen gewesen. Meine Fräulein kann nur nicht leiden, daß man sie für eine Weibsperson halte: ich bin Bürge dafür! - - Und befinde ich sie in dem letzten Versuche nicht als eine Weibsperson: was wird sie denn wohl um der ausgestandenen Pro- be willen schlechter seyn? - - Niemand darf deswegen einen Vorwurf besorgen, weil er ein Uebel leidet, das er nicht abhalten oder vermei- den kann.
Wenn ein General von einem Straßenräu- ber übermannet und geplündert werden sollte: würde er deswegen weniger geschickt seyn, ein Kriegsheer anzuführen? - - Es ist wahr; wenn der General sich großer Tapferkeit gerühmet, und damit geprahlet hätte, daß er sich nimmer- mehr wollte plündern lassen: dennoch aber, nach- dem es mit ihm zur Probe gekommen wäre, nur schwachen Widerstand thäte, und seinen Geldbeu- tel hingäbe, da er noch sein Schwerdt frey zu gebrauchen hätte: so würde allerdings der Stra- ßenräuber, der ihn plündert, für tapferer gehalten werden.
Diese letzte Unterredung hat mir einen Grund, den ich noch niemals gebraucht habe, an die Hand gegeben, meinen Vorsatz, in welchen ich verliebt bin, zu vertheidigen.
O Bruder! was für eine Schwierigkeit muß nach aller Geständniß ein Mensch finden, eine herrschende Leidenschaft, es sey, welche es wolle, zu überwältigen; wenn es in seiner Gewalt ste-
het,
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einer Kraft vernuͤnftig zu ſchließen geweſen. Meine Fraͤulein kann nur nicht leiden, daß man ſie fuͤr eine Weibsperſon halte: ich bin Buͤrge dafuͤr! ‒ ‒ Und befinde ich ſie in dem letzten Verſuche nicht als eine Weibsperſon: was wird ſie denn wohl um der ausgeſtandenen Pro- be willen ſchlechter ſeyn? ‒ ‒ Niemand darf deswegen einen Vorwurf beſorgen, weil er ein Uebel leidet, das er nicht abhalten oder vermei- den kann.
Wenn ein General von einem Straßenraͤu- ber uͤbermannet und gepluͤndert werden ſollte: wuͤrde er deswegen weniger geſchickt ſeyn, ein Kriegsheer anzufuͤhren? ‒ ‒ Es iſt wahr; wenn der General ſich großer Tapferkeit geruͤhmet, und damit geprahlet haͤtte, daß er ſich nimmer- mehr wollte pluͤndern laſſen: dennoch aber, nach- dem es mit ihm zur Probe gekommen waͤre, nur ſchwachen Widerſtand thaͤte, und ſeinen Geldbeu- tel hingaͤbe, da er noch ſein Schwerdt frey zu gebrauchen haͤtte: ſo wuͤrde allerdings der Stra- ßenraͤuber, der ihn pluͤndert, fuͤr tapferer gehalten werden.
Dieſe letzte Unterredung hat mir einen Grund, den ich noch niemals gebraucht habe, an die Hand gegeben, meinen Vorſatz, in welchen ich verliebt bin, zu vertheidigen.
O Bruder! was fuͤr eine Schwierigkeit muß nach aller Geſtaͤndniß ein Menſch finden, eine herrſchende Leidenſchaft, es ſey, welche es wolle, zu uͤberwaͤltigen; wenn es in ſeiner Gewalt ſte-
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einer Kraft vernuͤnftig zu ſchließen geweſen.
Meine Fraͤulein kann nur nicht leiden, daß man
ſie fuͤr eine Weibsperſon halte: ich bin Buͤrge
dafuͤr! ‒ ‒ Und befinde ich ſie in dem letzten
Verſuche nicht als eine Weibsperſon: was
wird ſie denn wohl um der ausgeſtandenen Pro-
be willen ſchlechter ſeyn? ‒ ‒ Niemand darf
deswegen einen Vorwurf beſorgen, weil er ein
Uebel leidet, das er nicht abhalten oder vermei-
den kann.
Wenn ein General von einem Straßenraͤu-
ber uͤbermannet und gepluͤndert werden ſollte:
wuͤrde er deswegen weniger geſchickt ſeyn, ein
Kriegsheer anzufuͤhren? ‒ ‒ Es iſt wahr; wenn
der General ſich großer Tapferkeit geruͤhmet,
und damit geprahlet haͤtte, daß er ſich nimmer-
mehr wollte pluͤndern laſſen: dennoch aber, nach-
dem es mit ihm zur Probe gekommen waͤre, nur
ſchwachen Widerſtand thaͤte, und ſeinen Geldbeu-
tel hingaͤbe, da er noch ſein Schwerdt frey zu
gebrauchen haͤtte: ſo wuͤrde allerdings der Stra-
ßenraͤuber, der ihn pluͤndert, fuͤr tapferer gehalten
werden.
Dieſe letzte Unterredung hat mir einen Grund,
den ich noch niemals gebraucht habe, an die Hand
gegeben, meinen Vorſatz, in welchen ich verliebt
bin, zu vertheidigen.
O Bruder! was fuͤr eine Schwierigkeit muß
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/553>, abgerufen am 22.11.2024.
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