Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Frau Moore machte sich auf den Mittag
Hoffnung zu ihrer Gegenwart.

Die Fräulein wäre lieber entschuldigt gewe-
sen. Denn wenn sie die gehoffte Gemüthsver-
fassung erlangen könnte, so möchte sie nicht abge-
neigt seyn, zu zeigen, daß sie über dergleichen
Empfindlichkeit hinaus wäre, die einen Menschen,
der nicht mehr verdiente, das bey ihr zu seyn, was
er gewesen wäre, beträchtlich machte.

Dieß sagte sie sonder Zweifel, um der Frau
Moore zu verstehen zu geben, daß die Unterredung
im Garten nicht zur Aussöhnung gedienet hätte.

Frau Moore schien sich zu wundern, daß wir
nach einer so langen Unterhandlung nicht auf
einem bessern Fuße mit einander stünden: und
zwar um so viel mehr, weil sie glaubte, daß die
Fräulein sich den Vorschlag, die Trauung zu wie-
derholen, hätte gefallen lassen; gleichwie ich ih-
nen erzählet hatte, daß ihr Onkel Harlowe dar-
auf bestünde. Jch aber lösete diese Schwierig-
keit dadurch auf, daß ich den beyden Witwen er-
öffnete, die Fräulein wäre gesonnen, so lange zu-
rückzuhalten, bls sie von dem Capitain Tomlin-
son gehöret hätte, ob ihr Onkel der feyerlichen
Handlung in Person beywohnen, oder diesem bra-
ven Herrn zu seinem Bevollmächtigten ernennen
wollte.

Jch knüpfte ihnen wiederum eine genaue
Verschwiegenheit in Ansehung dieses Umstandes
ein. Die Witwen versprachen dieselbe so wohl
für sich als für Jungfer Rawlins: von deren

Ver-


Frau Moore machte ſich auf den Mittag
Hoffnung zu ihrer Gegenwart.

Die Fraͤulein waͤre lieber entſchuldigt gewe-
ſen. Denn wenn ſie die gehoffte Gemuͤthsver-
faſſung erlangen koͤnnte, ſo moͤchte ſie nicht abge-
neigt ſeyn, zu zeigen, daß ſie uͤber dergleichen
Empfindlichkeit hinaus waͤre, die einen Menſchen,
der nicht mehr verdiente, das bey ihr zu ſeyn, was
er geweſen waͤre, betraͤchtlich machte.

Dieß ſagte ſie ſonder Zweifel, um der Frau
Moore zu verſtehen zu geben, daß die Unterredung
im Garten nicht zur Ausſoͤhnung gedienet haͤtte.

Frau Moore ſchien ſich zu wundern, daß wir
nach einer ſo langen Unterhandlung nicht auf
einem beſſern Fuße mit einander ſtuͤnden: und
zwar um ſo viel mehr, weil ſie glaubte, daß die
Fraͤulein ſich den Vorſchlag, die Trauung zu wie-
derholen, haͤtte gefallen laſſen; gleichwie ich ih-
nen erzaͤhlet hatte, daß ihr Onkel Harlowe dar-
auf beſtuͤnde. Jch aber loͤſete dieſe Schwierig-
keit dadurch auf, daß ich den beyden Witwen er-
oͤffnete, die Fraͤulein waͤre geſonnen, ſo lange zu-
ruͤckzuhalten, bls ſie von dem Capitain Tomlin-
ſon gehoͤret haͤtte, ob ihr Onkel der feyerlichen
Handlung in Perſon beywohnen, oder dieſem bra-
ven Herrn zu ſeinem Bevollmaͤchtigten ernennen
wollte.

Jch knuͤpfte ihnen wiederum eine genaue
Verſchwiegenheit in Anſehung dieſes Umſtandes
ein. Die Witwen verſprachen dieſelbe ſo wohl
fuͤr ſich als fuͤr Jungfer Rawlins: von deren

Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0508" n="502"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Frau Moore machte &#x017F;ich auf den Mittag<lb/>
Hoffnung zu ihrer Gegenwart.</p><lb/>
          <p>Die Fra&#x0364;ulein wa&#x0364;re lieber ent&#x017F;chuldigt gewe-<lb/>
&#x017F;en. Denn wenn &#x017F;ie die gehoffte Gemu&#x0364;thsver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ung erlangen ko&#x0364;nnte, &#x017F;o mo&#x0364;chte &#x017F;ie nicht abge-<lb/>
neigt &#x017F;eyn, zu zeigen, daß &#x017F;ie u&#x0364;ber dergleichen<lb/>
Empfindlichkeit hinaus wa&#x0364;re, die einen Men&#x017F;chen,<lb/>
der nicht mehr verdiente, das bey ihr zu &#x017F;eyn, was<lb/>
er gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, betra&#x0364;chtlich machte.</p><lb/>
          <p>Dieß &#x017F;agte &#x017F;ie &#x017F;onder Zweifel, um der Frau<lb/>
Moore zu ver&#x017F;tehen zu geben, daß die Unterredung<lb/>
im Garten nicht zur Aus&#x017F;o&#x0364;hnung gedienet ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Frau Moore &#x017F;chien &#x017F;ich zu wundern, daß wir<lb/>
nach einer &#x017F;o langen Unterhandlung nicht auf<lb/>
einem be&#x017F;&#x017F;ern Fuße mit einander &#x017F;tu&#x0364;nden: und<lb/>
zwar um &#x017F;o viel mehr, weil &#x017F;ie glaubte, daß die<lb/>
Fra&#x0364;ulein &#x017F;ich den Vor&#x017F;chlag, die Trauung zu wie-<lb/>
derholen, ha&#x0364;tte gefallen la&#x017F;&#x017F;en; gleichwie ich ih-<lb/>
nen erza&#x0364;hlet hatte, daß ihr Onkel Harlowe dar-<lb/>
auf be&#x017F;tu&#x0364;nde. Jch aber lo&#x0364;&#x017F;ete die&#x017F;e Schwierig-<lb/>
keit dadurch auf, daß ich den beyden Witwen er-<lb/>
o&#x0364;ffnete, die Fra&#x0364;ulein wa&#x0364;re ge&#x017F;onnen, &#x017F;o lange zu-<lb/>
ru&#x0364;ckzuhalten, bls &#x017F;ie von dem Capitain Tomlin-<lb/>
&#x017F;on geho&#x0364;ret ha&#x0364;tte, ob ihr Onkel der feyerlichen<lb/>
Handlung in Per&#x017F;on beywohnen, oder die&#x017F;em bra-<lb/>
ven Herrn zu &#x017F;einem Bevollma&#x0364;chtigten ernennen<lb/>
wollte.</p><lb/>
          <p>Jch knu&#x0364;pfte ihnen wiederum eine genaue<lb/>
Ver&#x017F;chwiegenheit in An&#x017F;ehung die&#x017F;es Um&#x017F;tandes<lb/>
ein. Die Witwen ver&#x017F;prachen die&#x017F;elbe &#x017F;o wohl<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ich als fu&#x0364;r Jungfer Rawlins: von deren<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[502/0508] Frau Moore machte ſich auf den Mittag Hoffnung zu ihrer Gegenwart. Die Fraͤulein waͤre lieber entſchuldigt gewe- ſen. Denn wenn ſie die gehoffte Gemuͤthsver- faſſung erlangen koͤnnte, ſo moͤchte ſie nicht abge- neigt ſeyn, zu zeigen, daß ſie uͤber dergleichen Empfindlichkeit hinaus waͤre, die einen Menſchen, der nicht mehr verdiente, das bey ihr zu ſeyn, was er geweſen waͤre, betraͤchtlich machte. Dieß ſagte ſie ſonder Zweifel, um der Frau Moore zu verſtehen zu geben, daß die Unterredung im Garten nicht zur Ausſoͤhnung gedienet haͤtte. Frau Moore ſchien ſich zu wundern, daß wir nach einer ſo langen Unterhandlung nicht auf einem beſſern Fuße mit einander ſtuͤnden: und zwar um ſo viel mehr, weil ſie glaubte, daß die Fraͤulein ſich den Vorſchlag, die Trauung zu wie- derholen, haͤtte gefallen laſſen; gleichwie ich ih- nen erzaͤhlet hatte, daß ihr Onkel Harlowe dar- auf beſtuͤnde. Jch aber loͤſete dieſe Schwierig- keit dadurch auf, daß ich den beyden Witwen er- oͤffnete, die Fraͤulein waͤre geſonnen, ſo lange zu- ruͤckzuhalten, bls ſie von dem Capitain Tomlin- ſon gehoͤret haͤtte, ob ihr Onkel der feyerlichen Handlung in Perſon beywohnen, oder dieſem bra- ven Herrn zu ſeinem Bevollmaͤchtigten ernennen wollte. Jch knuͤpfte ihnen wiederum eine genaue Verſchwiegenheit in Anſehung dieſes Umſtandes ein. Die Witwen verſprachen dieſelbe ſo wohl fuͤr ſich als fuͤr Jungfer Rawlins: von deren Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/508
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/508>, abgerufen am 22.11.2024.