Das Höchste, was ich erhalten konnte, war, daß sie zu meinem Vortheile keinen Schluß eher fassen wollte, als bis sie den ersten Brief von der Fräulein Howe bekäme.
Jch will die Gründe nicht wiederholen, die ich gebrauchte: ich will dir nur das Vornehmste von ihrer Antwort mittheilen.
Sie hätte alles überleget, sagte sie zu mir. Meine ganze Aufsührung stünde ihr vor Augen. Das Haus, wohin ich sie gebracht hätte, müßte ein schändliches Haus seyn. Die Leute in dem- selben hätten durch den ernstlichen Versuch, ihr die Jungfer Partington, wie sie gar nicht zwei- felte mit meiner Genehmhaltung, anzuhängen, schon frühe gezeiget, wie weit sie gehen könnten. - - Gewiß, dachte ich, sie hat doch keine Abschrift von dem Briefe der Fräulein Howe bekommen, worinn solche Entdeckungen gemacht sind. - - Das Herz sage es ihr zu. Meine schimpfliche Begegnung gegen sie wäre unstreitig mit Vor- satz geschehen. Wenn sie sich meines ganzen vorläufigen Bezeigens erinnerte: so müßte es nothwendig so seyn. Jch hätte die schändlichsten Absichten geheget: daran sey gar kein Zweifel; und meine Aufführung gegen sie setzte es außer allem Streit.
Sie ist nichts als Seele, Belford! Sie scheinet über kleine Freyheiten empfindlich, bey denen mich die Liebe unempfindlich macht, daß ich sie mir genommen habe.
Sie
Das Hoͤchſte, was ich erhalten konnte, war, daß ſie zu meinem Vortheile keinen Schluß eher faſſen wollte, als bis ſie den erſten Brief von der Fraͤulein Howe bekaͤme.
Jch will die Gruͤnde nicht wiederholen, die ich gebrauchte: ich will dir nur das Vornehmſte von ihrer Antwort mittheilen.
Sie haͤtte alles uͤberleget, ſagte ſie zu mir. Meine ganze Aufſuͤhrung ſtuͤnde ihr vor Augen. Das Haus, wohin ich ſie gebracht haͤtte, muͤßte ein ſchaͤndliches Haus ſeyn. Die Leute in dem- ſelben haͤtten durch den ernſtlichen Verſuch, ihr die Jungfer Partington, wie ſie gar nicht zwei- felte mit meiner Genehmhaltung, anzuhaͤngen, ſchon fruͤhe gezeiget, wie weit ſie gehen koͤnnten. ‒ ‒ Gewiß, dachte ich, ſie hat doch keine Abſchrift von dem Briefe der Fraͤulein Howe bekommen, worinn ſolche Entdeckungen gemacht ſind. ‒ ‒ Das Herz ſage es ihr zu. Meine ſchimpfliche Begegnung gegen ſie waͤre unſtreitig mit Vor- ſatz geſchehen. Wenn ſie ſich meines ganzen vorlaͤufigen Bezeigens erinnerte: ſo muͤßte es nothwendig ſo ſeyn. Jch haͤtte die ſchaͤndlichſten Abſichten geheget: daran ſey gar kein Zweifel; und meine Auffuͤhrung gegen ſie ſetzte es außer allem Streit.
Sie iſt nichts als Seele, Belford! Sie ſcheinet uͤber kleine Freyheiten empfindlich, bey denen mich die Liebe unempfindlich macht, daß ich ſie mir genommen habe.
Sie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0496"n="490"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Das Hoͤchſte, was ich erhalten konnte, war,<lb/>
daß ſie zu meinem Vortheile keinen Schluß eher<lb/>
faſſen wollte, als bis ſie den erſten Brief von der<lb/>
Fraͤulein Howe bekaͤme.</p><lb/><p>Jch will die Gruͤnde nicht wiederholen, die<lb/>
ich gebrauchte: ich will dir nur das Vornehmſte<lb/>
von ihrer Antwort mittheilen.</p><lb/><p>Sie haͤtte alles uͤberleget, ſagte ſie zu mir.<lb/>
Meine ganze Aufſuͤhrung ſtuͤnde ihr vor Augen.<lb/>
Das Haus, wohin ich ſie gebracht haͤtte, muͤßte<lb/>
ein ſchaͤndliches Haus ſeyn. Die Leute in dem-<lb/>ſelben haͤtten durch den ernſtlichen Verſuch, ihr<lb/>
die Jungfer Partington, wie ſie gar nicht zwei-<lb/>
felte mit meiner Genehmhaltung, anzuhaͤngen,<lb/>ſchon fruͤhe gezeiget, wie weit ſie gehen koͤnnten.<lb/>‒‒ Gewiß, dachte ich, ſie hat doch keine Abſchrift<lb/>
von dem Briefe der Fraͤulein Howe bekommen,<lb/>
worinn ſolche Entdeckungen gemacht ſind. ‒‒<lb/>
Das Herz ſage es ihr zu. Meine ſchimpfliche<lb/>
Begegnung gegen ſie waͤre unſtreitig mit Vor-<lb/>ſatz geſchehen. Wenn ſie ſich meines ganzen<lb/>
vorlaͤufigen Bezeigens erinnerte: ſo muͤßte es<lb/>
nothwendig ſo ſeyn. Jch haͤtte die ſchaͤndlichſten<lb/>
Abſichten geheget: daran ſey gar kein Zweifel;<lb/>
und meine Auffuͤhrung gegen ſie ſetzte es außer<lb/>
allem Streit.</p><lb/><p>Sie iſt nichts als Seele, Belford! Sie<lb/>ſcheinet uͤber kleine Freyheiten empfindlich, bey<lb/>
denen mich die Liebe unempfindlich macht, daß ich<lb/>ſie mir genommen habe.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sie</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[490/0496]
Das Hoͤchſte, was ich erhalten konnte, war,
daß ſie zu meinem Vortheile keinen Schluß eher
faſſen wollte, als bis ſie den erſten Brief von der
Fraͤulein Howe bekaͤme.
Jch will die Gruͤnde nicht wiederholen, die
ich gebrauchte: ich will dir nur das Vornehmſte
von ihrer Antwort mittheilen.
Sie haͤtte alles uͤberleget, ſagte ſie zu mir.
Meine ganze Aufſuͤhrung ſtuͤnde ihr vor Augen.
Das Haus, wohin ich ſie gebracht haͤtte, muͤßte
ein ſchaͤndliches Haus ſeyn. Die Leute in dem-
ſelben haͤtten durch den ernſtlichen Verſuch, ihr
die Jungfer Partington, wie ſie gar nicht zwei-
felte mit meiner Genehmhaltung, anzuhaͤngen,
ſchon fruͤhe gezeiget, wie weit ſie gehen koͤnnten.
‒ ‒ Gewiß, dachte ich, ſie hat doch keine Abſchrift
von dem Briefe der Fraͤulein Howe bekommen,
worinn ſolche Entdeckungen gemacht ſind. ‒ ‒
Das Herz ſage es ihr zu. Meine ſchimpfliche
Begegnung gegen ſie waͤre unſtreitig mit Vor-
ſatz geſchehen. Wenn ſie ſich meines ganzen
vorlaͤufigen Bezeigens erinnerte: ſo muͤßte es
nothwendig ſo ſeyn. Jch haͤtte die ſchaͤndlichſten
Abſichten geheget: daran ſey gar kein Zweifel;
und meine Auffuͤhrung gegen ſie ſetzte es außer
allem Streit.
Sie iſt nichts als Seele, Belford! Sie
ſcheinet uͤber kleine Freyheiten empfindlich, bey
denen mich die Liebe unempfindlich macht, daß ich
ſie mir genommen habe.
Sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/496>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.