Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



so ohngefähr verreisen wollte. - - Der arme
Herr ist die letzte Zeit über sehr wenig von Hau-
se gekommen. Er nimmt in der That allzu
merklich ab. - - Man hätte vorgeben können,
daß ihm die Veränderung der Luft gut wäre - -
Allein ich sehe, gnädige Fräulein, daß dieß eine
allzu zärtliche Sache ist, viel davon zu sagen. - -

Das liebe Kind weinte. Sie wußte, wie sie
den von dem Capitain gegebenen Wink, der Ab-
sicht gemäß, auf die Gelegenheit zu der abneh-
menden Gesundheit ihres Onkels deuten sollte.

Capit. Jch habe ihm vorgestellet, daß wir
wirklich den Weg nehmen, aber bald wieder um-
kehren und in meinem Wagen nach London
fahren könnten. Auf die Art würde er mit sei-
nen eignen Augen die Trauung vollzogen sehen,
und so wohl der erwünschte Vater als der gelieb-
te Onkel seyn.

Die Fräulein wandte sich um und wischte ih-
re Augen aus.

Cap. Es scheinen auch wirklich itzo nur zwo
Einwendungen dagegen zu seyn: weil Herr Har-
lowe den Vorschlag nicht verwarf. Die eine ist
das unglückliche Misverständniß zwischen ihnen
beyden. Jch wollte um aller Welt willen nicht,
daß er dieß erführe: er möchte sonst den unge-
rechten Muthmaßungen des Herrn Jacob Har-
lowe ein Gewicht zu geben im Stande seyn. Die
andre ist, daß es nothwendig einen Aufschub der
Trauung veranlassen würde, welche in einem oder

zween



ſo ohngefaͤhr verreiſen wollte. ‒ ‒ Der arme
Herr iſt die letzte Zeit uͤber ſehr wenig von Hau-
ſe gekommen. Er nimmt in der That allzu
merklich ab. ‒ ‒ Man haͤtte vorgeben koͤnnen,
daß ihm die Veraͤnderung der Luft gut waͤre ‒ ‒
Allein ich ſehe, gnaͤdige Fraͤulein, daß dieß eine
allzu zaͤrtliche Sache iſt, viel davon zu ſagen. ‒ ‒

Das liebe Kind weinte. Sie wußte, wie ſie
den von dem Capitain gegebenen Wink, der Ab-
ſicht gemaͤß, auf die Gelegenheit zu der abneh-
menden Geſundheit ihres Onkels deuten ſollte.

Capit. Jch habe ihm vorgeſtellet, daß wir
wirklich den Weg nehmen, aber bald wieder um-
kehren und in meinem Wagen nach London
fahren koͤnnten. Auf die Art wuͤrde er mit ſei-
nen eignen Augen die Trauung vollzogen ſehen,
und ſo wohl der erwuͤnſchte Vater als der gelieb-
te Onkel ſeyn.

Die Fraͤulein wandte ſich um und wiſchte ih-
re Augen aus.

Cap. Es ſcheinen auch wirklich itzo nur zwo
Einwendungen dagegen zu ſeyn: weil Herr Har-
lowe den Vorſchlag nicht verwarf. Die eine iſt
das ungluͤckliche Misverſtaͤndniß zwiſchen ihnen
beyden. Jch wollte um aller Welt willen nicht,
daß er dieß erfuͤhre: er moͤchte ſonſt den unge-
rechten Muthmaßungen des Herrn Jacob Har-
lowe ein Gewicht zu geben im Stande ſeyn. Die
andre iſt, daß es nothwendig einen Aufſchub der
Trauung veranlaſſen wuͤrde, welche in einem oder

zween
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0422" n="416"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;o ohngefa&#x0364;hr verrei&#x017F;en wollte. &#x2012; &#x2012; Der arme<lb/>
Herr i&#x017F;t die letzte Zeit u&#x0364;ber &#x017F;ehr wenig von Hau-<lb/>
&#x017F;e gekommen. Er nimmt in der That allzu<lb/>
merklich ab. &#x2012; &#x2012; Man ha&#x0364;tte vorgeben ko&#x0364;nnen,<lb/>
daß ihm die Vera&#x0364;nderung der Luft gut wa&#x0364;re &#x2012; &#x2012;<lb/>
Allein ich &#x017F;ehe, gna&#x0364;dige Fra&#x0364;ulein, daß dieß eine<lb/>
allzu <hi rendition="#fr">za&#x0364;rtliche</hi> Sache i&#x017F;t, viel davon zu &#x017F;agen. &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Das liebe Kind weinte. Sie wußte, wie &#x017F;ie<lb/>
den von dem Capitain gegebenen Wink, der Ab-<lb/>
&#x017F;icht gema&#x0364;ß, auf die <hi rendition="#fr">Gelegenheit</hi> zu der abneh-<lb/>
menden Ge&#x017F;undheit ihres Onkels deuten &#x017F;ollte.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Capit.</hi> Jch habe ihm vorge&#x017F;tellet, daß wir<lb/>
wirklich den Weg nehmen, aber bald wieder um-<lb/>
kehren und in <hi rendition="#fr">meinem Wagen</hi> nach London<lb/>
fahren ko&#x0364;nnten. Auf die Art wu&#x0364;rde er mit &#x017F;ei-<lb/>
nen eignen Augen die Trauung vollzogen &#x017F;ehen,<lb/>
und &#x017F;o wohl der erwu&#x0364;n&#x017F;chte Vater als der gelieb-<lb/>
te Onkel &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Die Fra&#x0364;ulein wandte &#x017F;ich um und wi&#x017F;chte ih-<lb/>
re Augen aus.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Cap.</hi> Es &#x017F;cheinen auch wirklich itzo nur zwo<lb/>
Einwendungen dagegen zu &#x017F;eyn: weil Herr Har-<lb/>
lowe den Vor&#x017F;chlag nicht verwarf. Die eine i&#x017F;t<lb/>
das unglu&#x0364;ckliche Misver&#x017F;ta&#x0364;ndniß zwi&#x017F;chen ihnen<lb/>
beyden. Jch wollte um aller Welt willen nicht,<lb/>
daß er dieß erfu&#x0364;hre: er mo&#x0364;chte &#x017F;on&#x017F;t den unge-<lb/>
rechten Muthmaßungen des Herrn Jacob Har-<lb/>
lowe ein Gewicht zu geben im Stande &#x017F;eyn. Die<lb/>
andre i&#x017F;t, daß es nothwendig einen Auf&#x017F;chub der<lb/>
Trauung veranla&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde, welche in einem oder<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zween</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[416/0422] ſo ohngefaͤhr verreiſen wollte. ‒ ‒ Der arme Herr iſt die letzte Zeit uͤber ſehr wenig von Hau- ſe gekommen. Er nimmt in der That allzu merklich ab. ‒ ‒ Man haͤtte vorgeben koͤnnen, daß ihm die Veraͤnderung der Luft gut waͤre ‒ ‒ Allein ich ſehe, gnaͤdige Fraͤulein, daß dieß eine allzu zaͤrtliche Sache iſt, viel davon zu ſagen. ‒ ‒ Das liebe Kind weinte. Sie wußte, wie ſie den von dem Capitain gegebenen Wink, der Ab- ſicht gemaͤß, auf die Gelegenheit zu der abneh- menden Geſundheit ihres Onkels deuten ſollte. Capit. Jch habe ihm vorgeſtellet, daß wir wirklich den Weg nehmen, aber bald wieder um- kehren und in meinem Wagen nach London fahren koͤnnten. Auf die Art wuͤrde er mit ſei- nen eignen Augen die Trauung vollzogen ſehen, und ſo wohl der erwuͤnſchte Vater als der gelieb- te Onkel ſeyn. Die Fraͤulein wandte ſich um und wiſchte ih- re Augen aus. Cap. Es ſcheinen auch wirklich itzo nur zwo Einwendungen dagegen zu ſeyn: weil Herr Har- lowe den Vorſchlag nicht verwarf. Die eine iſt das ungluͤckliche Misverſtaͤndniß zwiſchen ihnen beyden. Jch wollte um aller Welt willen nicht, daß er dieß erfuͤhre: er moͤchte ſonſt den unge- rechten Muthmaßungen des Herrn Jacob Har- lowe ein Gewicht zu geben im Stande ſeyn. Die andre iſt, daß es nothwendig einen Aufſchub der Trauung veranlaſſen wuͤrde, welche in einem oder zween

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/422
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/422>, abgerufen am 22.11.2024.