Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Bey meiner Seele, Belford, die kleine Zau-
berinn rührte mich durch ihre Worte, jedoch
noch mehr durch ihr Bezeigen und Wesen!
Wundre dich also nicht, daß ihr Thun, ihre Be-
trübniß, ihre Thränen die Weibsleute zu ähnli-
chen und mitleidensvollen Bezeigungen brachten.

Hatte ich dabey nicht eine verfluchte Arbeit?

Die beyden Frauenspersonen gingen an die
andre Ecke von dem Zimmer und flisperten ein-
ander ins Ohr: Ein wunderlicher Fall! Es ist
keine Verrückung dabey - - Das hörte ich eben
von ihnen.

Meine reizende Schöne warf ihr Schnupf-
tuch über ihren Kopf und Hals, und blieb auf
den Knien liegen, mit dem Rücken zu mir ge-
kehrt, und mit dem Gesichte auf einen Stuhl ge-
lehnet, daß es auch nicht zu sehen wäre. Sie
seufzete und gluchsete einmal über das andre vor
Traurigkeit und Kummer.

Jch ergriff diese Gelegenheit, zu den beyden
Weibsleuten zu treten, damit ich sie standhast er-
hielte.

Sie sehen, meine lieben Frauenzimmer, sag-
te ich ihnen ins Ohr, was für ein unglücklicher
Maun ich bin! Sie sehen, was für einen Sinn
diese mir so theure Schöne hat! - - - - Alles,
alles rühret von ihren unversöhnlichen Verwand-
ten und von dem Fluche ihres Vaters her - -
Verflucht mögen sie alle seyn: sie haben die schön-
ste Weibsperson in der Welt verrückt gemacht.

Ey,


Bey meiner Seele, Belford, die kleine Zau-
berinn ruͤhrte mich durch ihre Worte, jedoch
noch mehr durch ihr Bezeigen und Weſen!
Wundre dich alſo nicht, daß ihr Thun, ihre Be-
truͤbniß, ihre Thraͤnen die Weibsleute zu aͤhnli-
chen und mitleidensvollen Bezeigungen brachten.

Hatte ich dabey nicht eine verfluchte Arbeit?

Die beyden Frauensperſonen gingen an die
andre Ecke von dem Zimmer und fliſperten ein-
ander ins Ohr: Ein wunderlicher Fall! Es iſt
keine Verruͤckung dabey ‒ ‒ Das hoͤrte ich eben
von ihnen.

Meine reizende Schoͤne warf ihr Schnupf-
tuch uͤber ihren Kopf und Hals, und blieb auf
den Knien liegen, mit dem Ruͤcken zu mir ge-
kehrt, und mit dem Geſichte auf einen Stuhl ge-
lehnet, daß es auch nicht zu ſehen waͤre. Sie
ſeufzete und gluchſete einmal uͤber das andre vor
Traurigkeit und Kummer.

Jch ergriff dieſe Gelegenheit, zu den beyden
Weibsleuten zu treten, damit ich ſie ſtandhaſt er-
hielte.

Sie ſehen, meine lieben Frauenzimmer, ſag-
te ich ihnen ins Ohr, was fuͤr ein ungluͤcklicher
Maun ich bin! Sie ſehen, was fuͤr einen Sinn
dieſe mir ſo theure Schoͤne hat! ‒ ‒ ‒ ‒ Alles,
alles ruͤhret von ihren unverſoͤhnlichen Verwand-
ten und von dem Fluche ihres Vaters her ‒ ‒
Verflucht moͤgen ſie alle ſeyn: ſie haben die ſchoͤn-
ſte Weibsperſon in der Welt verruͤckt gemacht.

Ey,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0309" n="303"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Bey meiner Seele, Belford, die kleine Zau-<lb/>
berinn ru&#x0364;hrte <hi rendition="#fr">mich</hi> durch ihre Worte, jedoch<lb/>
noch mehr durch <hi rendition="#fr">ihr</hi> Bezeigen und We&#x017F;en!<lb/>
Wundre dich al&#x017F;o nicht, daß ihr Thun, ihre Be-<lb/>
tru&#x0364;bniß, ihre Thra&#x0364;nen die Weibsleute zu a&#x0364;hnli-<lb/>
chen und mitleidensvollen Bezeigungen brachten.</p><lb/>
          <p>Hatte ich dabey nicht eine verfluchte Arbeit?</p><lb/>
          <p>Die beyden Frauensper&#x017F;onen gingen an die<lb/>
andre Ecke von dem Zimmer und fli&#x017F;perten ein-<lb/>
ander ins Ohr: Ein wunderlicher Fall! Es i&#x017F;t<lb/>
keine Verru&#x0364;ckung dabey &#x2012; &#x2012; Das ho&#x0364;rte ich eben<lb/>
von ihnen.</p><lb/>
          <p>Meine reizende Scho&#x0364;ne warf ihr Schnupf-<lb/>
tuch u&#x0364;ber ihren Kopf und Hals, und blieb auf<lb/>
den Knien liegen, mit dem Ru&#x0364;cken zu mir ge-<lb/>
kehrt, und mit dem Ge&#x017F;ichte auf einen Stuhl ge-<lb/>
lehnet, daß es auch nicht zu &#x017F;ehen wa&#x0364;re. Sie<lb/>
&#x017F;eufzete und gluch&#x017F;ete einmal u&#x0364;ber das andre vor<lb/>
Traurigkeit und Kummer.</p><lb/>
          <p>Jch ergriff die&#x017F;e Gelegenheit, zu den beyden<lb/>
Weibsleuten zu treten, damit ich &#x017F;ie &#x017F;tandha&#x017F;t er-<lb/>
hielte.</p><lb/>
          <p>Sie &#x017F;ehen, meine lieben Frauenzimmer, &#x017F;ag-<lb/>
te ich ihnen ins Ohr, was fu&#x0364;r ein unglu&#x0364;cklicher<lb/>
Maun ich bin! Sie &#x017F;ehen, was fu&#x0364;r einen Sinn<lb/>
die&#x017F;e mir &#x017F;o theure Scho&#x0364;ne hat! &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; Alles,<lb/>
alles ru&#x0364;hret von ihren unver&#x017F;o&#x0364;hnlichen Verwand-<lb/>
ten und von dem Fluche ihres Vaters her &#x2012; &#x2012;<lb/>
Verflucht mo&#x0364;gen &#x017F;ie alle &#x017F;eyn: &#x017F;ie haben die &#x017F;cho&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;te Weibsper&#x017F;on in der Welt verru&#x0364;ckt gemacht.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Ey,</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[303/0309] Bey meiner Seele, Belford, die kleine Zau- berinn ruͤhrte mich durch ihre Worte, jedoch noch mehr durch ihr Bezeigen und Weſen! Wundre dich alſo nicht, daß ihr Thun, ihre Be- truͤbniß, ihre Thraͤnen die Weibsleute zu aͤhnli- chen und mitleidensvollen Bezeigungen brachten. Hatte ich dabey nicht eine verfluchte Arbeit? Die beyden Frauensperſonen gingen an die andre Ecke von dem Zimmer und fliſperten ein- ander ins Ohr: Ein wunderlicher Fall! Es iſt keine Verruͤckung dabey ‒ ‒ Das hoͤrte ich eben von ihnen. Meine reizende Schoͤne warf ihr Schnupf- tuch uͤber ihren Kopf und Hals, und blieb auf den Knien liegen, mit dem Ruͤcken zu mir ge- kehrt, und mit dem Geſichte auf einen Stuhl ge- lehnet, daß es auch nicht zu ſehen waͤre. Sie ſeufzete und gluchſete einmal uͤber das andre vor Traurigkeit und Kummer. Jch ergriff dieſe Gelegenheit, zu den beyden Weibsleuten zu treten, damit ich ſie ſtandhaſt er- hielte. Sie ſehen, meine lieben Frauenzimmer, ſag- te ich ihnen ins Ohr, was fuͤr ein ungluͤcklicher Maun ich bin! Sie ſehen, was fuͤr einen Sinn dieſe mir ſo theure Schoͤne hat! ‒ ‒ ‒ ‒ Alles, alles ruͤhret von ihren unverſoͤhnlichen Verwand- ten und von dem Fluche ihres Vaters her ‒ ‒ Verflucht moͤgen ſie alle ſeyn: ſie haben die ſchoͤn- ſte Weibsperſon in der Welt verruͤckt gemacht. Ey,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/309
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/309>, abgerufen am 13.06.2024.